„Wir brauchen politische Legitimation durch Kommunikation“

Keynote von Peer Steinbrück

Für seinen Vortrag hat Steinbrück nur eine halbe Stunde Zeit, dennoch scheut er nicht vor einem umfassenden Lagebericht zur politischen Kommunikation und dem Status quo des deutschen Journalismus zurück. Der ehemalige SPD-Kanzlerkandidat, von BdP-Präsident Jörg Schillinger anmoderiert als jemand, „der kein Blatt vor den Mund nimmt“, steigt sogleich ein in die Medienschelte. Als Politiker begebe man sich auf sehr dünnes Eis, wenn man Journalisten und ihre Produkte kritisiere. Die gängigen Knockout-Entgegnungen seien dann: „Wollen Sie Medienschädigung betreiben? Oder die Pressefreiheit verbieten?“

Nach wie vor gebe es in Deutschland Qualitätsjournalismus, sowohl in Print und TV als auch online – das zu betonen ist Steinbrück wichtig. Gerade im Vergleich zu Ländern wie Großbritannien, die er früher für ihre Zeitungslandschaft bewundert habe und wo die Lage heute „zum Verzweifeln“ sei.

Von Macht und Gewalt der Medien

Steinbrück ist kein Fan der Medienbeschreibung „Vierte Gewalt“. Medien und ihre Vertreter agieren ihm zufolge jedoch zuweilen gewalttätig. Nämlich dann, wenn sie selbst politische oder auch personelle Entscheidungen träfen, wie im Falle der Griechenland-Debatte oder des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff. Diese Art der Machtausübung sieht Steinbrück als „eine Anmaßung der Medien“.

Generell hat sich laut Steinbrück das Machtgefüge von Medien und Politik gewandelt. Durch den Bedeutungsverlust der Print- und Bezahlmedien trete die Selektionsfunktion der Medien in den Hintergrund – mit der Folge wachsender Skandalisierung und Banalisierung. „Frau Merkel und ich führen in einem Fernsehduell eine politische Debatte und die Menschen und Medien richten im Anschluss ihren Fokus auf Frau Merkels Deutschlandkette“, kritisiert der ehemalige Bundesfinanzminister. So würde Politik banalisiert und der öffentliche Raum entpolitisiert.

Ein weiteres großes Thema in Steinbrücks Keynote ist die „enorme Beschleunigung“ des medialen Wettbewerbs um Aufmerksamkeit. Er nennt einige Beispiele aus der neuen Medienwelt: Junge Praktikanten, die auf die Pirsch nach Statements und Geschichten geschickt werden, ohne sich inhaltlich auszukennen oder mit den journalistischen Tugenden vertraut gemacht worden zu sein oder der „Echtzeitjournalismus“ im Fall des Absturzes der Germanwings-Maschine, den er in seiner Distanzlosigkeit gegenüber der Angehörigen als „beängstigend“ empfunden habe.

Der fatale Kampf um Aufmerksamkeit

„Der Mensch zahlt nur für das, was er selbst nicht sehen kann.“ Medienmacher sollten daher auf fundierte Berichte und Meinungsbeiträge setzen, Informationen kanalisieren und kalibrieren. Gossip und Trash gebe es schließlich gratis, der Kampf um den „ersten Platz im Sumpf“ sei also nicht einmal rentabel. Aber die Gier danach mache auch vor der Politik nicht Halt. Einerseits gebe es einen Kampf um immer mehr Aufmerksamkeit, andererseits Politiker, die im Ungefähren bleiben, um nicht anzuecken und all das werde von einer Gesellschaft flankiert, die sich „bequem in einer permanenten Gegenwart befinden möchte“. Eine verfahrene Situation.

„Wir brauchen politische Legitimation durch Kommunikation“, sagt Steinbrück, der die Sprache der Mandatsträger insgesamt für zu hölzern hält. Doch sich überhaupt politisch zu engagieren und einen Posten zu übernehmen, sei fatalerweise für die Mehrheit unattraktiv geworden – auch aufgrund des Mangels an Kompromissfähigkeit und gegenseitigem Verständnis. Seine Keynote beschließt Steinbrück mit einem Appell für mehr Respekt gegenüber den Funktionen des jeweils anderen. Nur so könne das Gemeinwohl intakt gehalten werden.

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