Wie sich Skills und Rollen von PR-Arbeitern verändern

Cognitive PR

Die Digitale Transformation hat längst Einzug in die Kommunikation gehalten. Automatisierung beispielsweise ist kein unbekanntes Schlagwort mehr für PR-Mitarbeiter. Doch wie verändern sich ihre Rollen im Zuge dieser Entwicklungen?

Schaut man sich die (wenige) verfügbare Literatur oder Beiträge zum Thema an, scheint es bisher kaum Antworten darauf zu geben. Die Kollegen von Shift Communications meinen zum Beispiel, Neugier auf Zahlen reiche aus, um ein „Data-driven PR professional“ zu werden. Andere fordern in ihrer Zunft generell mehr „Digital Literacy“. Einig sind sich die meisten jedoch, dass die Digitale Transformation der Kommunikation nur durch „Agiles Arbeiten“ bzw. „Agile Methoden“ zu bewerkstelligen ist.

Das ist alles nicht falsch, greift aber zu kurz. Ich möchte an dieser Stelle zwei Thesen beleuchten:

  1. Die Digitale Transformation der PR setzt eine kulturelle Veränderung der Organisation voraus.
  2. Sie führt zu komplett neuen Rollen und – ja – auch neuen Berufsbildern für Spezialisten.

Keine Digital Culture ohne Digital Mindset 

Die Aussage von den Kollegen bei Shift ist im Grunde richtig: Neugier ist wichtig. Neugier, sich mit neuen Methoden, Prozessen und Werkzeugen auseinandersetzen zu wollen. Dazu gehört eine positive Einstellung jedes Einzelnen hin zu den Veränderungen, die durch die Digitale Transformation induziert werden. 

Nur kann der Einzelne neugierig sein, wie er will: Die „Digital Culture“ funktioniert nur, wenn die entsprechenden Rahmenbedingungen sich mit ändern. Viele Organisationen der Kommunikation – auf Unternehmens- und Agenturseite – sind derzeit allerdings noch traditionell geprägt: Hierarchien, Abteilungsstrukturen, Projektplanung nach dem Wasserfallmodell. Häufig spielen Daten kaum eine Rolle: Evaluation von Kommunikation wird häufig eher zur Rechtfertigung der eigenen Arbeit oder zur Dokumentation genutzt als als Steuerungsinstrument in der täglichen Arbeit.

Agiles Arbeiten über Methoden wie Kanban, Scrum & Co. können helfen, die traditionelle Denke aufzubrechen:

  • Weg vom Wasserfallmodell mit schicken Gantt-Diagrammen und einer planwirtschaftlich anmutenden Abarbeitung. Hin zu häufigeren Iterationen einschließlich der Möglichkeit, kurzfristig zu ändern oder zu justieren. Das erhöht die Reaktionsfähigkeit.
  • Die Basis für diese kurzfristigen Entscheidungen liefern Daten, zum Beispiel aus einem umfassenden Medien-Monitoring, einem Influencer-Monitoring oder Web- und Social Media Metrics.
  • Die Rollenverteilung verläuft eher selbstorganisiert: Der ehemalige Chef wird auch mal zum Projektmitarbeiter, inklusive dem Aufbrechen klassischer Hierarchien.

Einige Organisation probieren genau das aus, sowohl auf Konzernseite (siehe das Beispiel der „Content Factory“ bei der Telekom) als auch auf Agenturseite. Dabei zeigt sich, dass eine 1:1 Übertragung von Scrum-Methoden nicht zielführend ist, sondern eine Adaption für die Erfordernisse der PR noch entwickelt werden muss.

Neue Rollen und neue Jobs erfordern neue Kompetenzen 

„Ich mach was mit Medien“ ist heute so komplex wie nie zuvor. In den letzten 20 Jahren hat sich in den PR mächtig viel getan. Zu PR-Manager, Redakteur, Bildredakteur, HF-/TV-Spezialisten, Gestalter und Assistenz haben sich Berufsbilder wie UX-Experte, Web-Designer, Entwickler, Social Media-Manager oder Social Media-Redakteur gesellt – um nur einige neue Funktionen zu nennen. Diese Ausdifferenzierung verdanken wir vor allem dem Bedeutungsgewinn der digitalen Kanäle. Sie erfordern Spezialwissen, das einzelne, generalistische PR-Manager zwar noch überblicken mögen, aber nicht mehr im Detail durchdringen können. 

Zur Beruhigung: Der PR-Arbeiter der Zukunft wird weiter erstklassige Kommunikationskenntnisse benötigen. Sein Job wird sich trotzdem immer weiter zergliedern: Analytics, Data Storytelling und künstliche Intelligenz in Design sowie Augmented Reality, Virtual Reality und Traffic Management in der Textproduktion, erfordern neue Kompetenzen. Es ist schwer vorstellbar, dass eine Person in jedem einzelnen Feld zum Experten werden kann.

So wird datengetriebene Kommunikation immer wichtiger – doch nur selten beschäftigt sich jemand – Pressearbeiter im Speziellen – gern mit Themen wie Evaluation und Analytics. Also: Wer bedient die Tools, mit denen ein Themen-Monitoring stattfindet und wer identifiziert die Influencer? Wer versteht das, was da auf dem Bildschirm steht? Wer sorgt für Aufmerksamkeit für digital veröffentlichte Kommunikate? Wer bereitet datenbasierte Themen interaktiv auf? Wer füttert Robo-Redakteure, damit dort sinnvoll vorgearbeitet werden kann? 

Einen Ausblick darauf, wohin die Reise geht, gibt der alte Referenzpunkt der PR vor: der Journalismus. Allein hier, vor allem bei den innovativen Flaggschiffen wie der New York Times, Washington Post, The Guardian oder Die Zeit sind in den letzten zwei bis vier Jahren eine ganze Reihe von neuen Berufsbezeichnungen aufgepoppt. Denn hier experimentiert man mit neuen Technologien und bei einigen Themen ist man schon länger praktisch unterwegs. Stichworte sind Datenjournalismus, Sensor Journalism, Computational Journalism, Structured Journalism, VR-Storytelling, Robot Journalism usw.

Ein Blick auf die aktuellen Stellenausschreibungen ist daher ein bisschen wie ein Blick in die Kristallkugel der PR: Gesucht werden „Embedded Developers“ oder „Interactive News Developers“, die Redakteure bei der Entwicklung interaktiver Stories unterstützen.  Audience Engagement und Promotion-Teams kümmern sich um das Engagement mit Lesern und für die Vermarktung von Inhalten. Zum Beispiel wird ein neuer „Director of Audience Development“ gesucht. Verantwortlichkeiten: SEO, Social Strategie, Echtzeit-Optimierung, Analytics, Mailings, Vermarktung auf Mobilgeräten, Influencer Relations.

„Product Designer“ sind verantwortlich für die „Stakeholder Experience“ von redaktionellen Produkten. „360 Video Journalists“ entwickeln Formate für Virtual Reality-Anwendungen – bei der New York Times angesiedelt in der „360 news“-Abteilung. Gesucht wird noch ein „Data Visualization designer and editor“ (man beachte, es handelt sich um eine einzelne Stelle mit redaktionellen, gestalterischen und digitalen Kompetenzen), daneben sucht allein die New York Times eine ganze Horde von Datenspezialisten, einerseits zur Unterstützung von Redakteuren beim Data Storytelling, andererseits für die interne Organisation. Wenn Sie also neben dem PR-Studium in Leipzig eine Ausbildung als „Data Scientist“ gemacht haben sollten, so warten hier interessante Aufgaben: „Reframe newsroom and business objectives as machine learning tasks that can deliver actionable insights, accurate predictions, and effective optimization. Kurzum: „Sorgen Sie dafür, dass der Laden auf Links gedreht und möglichst viel automatisiert wird.“

Und das ist schon heute. Nicht morgen. Die Zukunft ist spannend.

 

Zum Thema Cognitive PR haben die Autoren Armin Sieber und Jörg Hoewner das Cognitive-PR-Network ins Leben gerufen, auf dessen Blog Sie weitere Beiträge zum Thema – außerhalb und ergänzend zu dieser pressesprecher-Kolumne – finden.

 

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