Robo-Redakteure erobern die PR

Cognitive PR

Liebe Pressesprecher-Kollegen: Haben Sie schon Ihren Autorespond-Bot eingerichtet? Nein? Das wird bald nicht viel schwerer sein als das Einrichten eines Anrufbeantworters. Das versprechen zumindest die Branchenvisionäre. Mit künstlicher Intelligenz und autonomer Textgenerierungs-Software ausgestattet könnte ein Pressesprecher-Bot bald selbständig auf externe Anfragen eingehen. Er wird die Stimme des jeweiligen Pressesprechers täuschend ähnlich nachahmen, auf existierenden Content verweisen oder auch nur einen Rückruftermin ausmachen können.

Automatisierung der PR-Arbeit ist keine ferne Zukunftsvision mehr. Bereits heute berechnen Algorithmen den optimalen Zeitpunkte für den Versand der News. Der Aussand selbst geschieht zeitoptimiert, kanalübergreifend – und natürlich vollautomatisch. Facebook, Twitter und Co bieten inzwischen Plattformen zum Einrichten selbständig agierender Bots an. Die Automatisierung der PR hat längst begonnen und Robo-Redakteure sind nur ein logischer nächster Schritt.

Was kann der Kollege Roboter

Viele Verlage experimentieren bereits mit Algorithmen, die automatisch Texte generieren. Diese Natural-Language-Generation-Programme (NLG) nutzen Machine-Learning-Software und regelbasierte Künstliche Intelligenz (KI). Mit der Kombination dieser Technologien gelingt es heute, brauchbare und verständliche Standardtexte zu produzieren. Saim Alkan, CEO der Stuttarter KI-Schmiede Ax Semantics erläutert das an einem Beispiel: „Bei einem Akku-Schrauber geht es um Drehzahl, maximale Akku-Laufzeit, maximalen Durchmesser eines Bohrers, den sie in verschiedenen Materialien nutzen können. Das sind alles Daten, die sich jedes Jahr nur geringfügig verändern. Aus diesen Daten kann ein  NLG-Programm automatisiert in verschiedenen Sprachen Texte formulieren, die wir etwa für Produktbeschreibungen oder im Packaging nutzen.“ Der Schritt zur automatisierten Produktpressemitteilung ist minimal – die ersten Tests in diese Richtung laufen bereits.

Während man sich in der PR mit dem Gedanken an Robo-Redakteure noch schwer tut, ist man in vielen Medienhäusern experimentierfreudiger. Ein Pionier ist beispielsweise die amerikanische Nachrichtenagentur Associated Press. Das New Yorker Unternehmen sammelt bereits seit 2015 Erfahrungen mit der neuen Technologie. Im Dreimonatsturnus lässt man mehr als 3000 Beiträge über Quartalsberichte automatisch erstellen. Andere Medienhäuser ziehen nach: Letzten Sommer hat die Washington Post angekündigt, Berichte über die Olympischen Spiele durch Software erstellen zu lassen – etwa zum Punkte- oder Medaillenstand. Ob Forbes, Los Angeles Times oder Bloomberg, viele Medienhäuser experimentieren inzwischen damit. Gespannt wartet man auf Erfahrungsberichte und auch in Deutschland wächst das Interesse. Saim Alkan berichtet von über dreißig Verlagen, mit denen er über Kooperationen verhandelt hat. Die Analysten von Gartner prognostizieren, dass in zwei Jahren bis zu 20 Prozent des Business Content von Maschinen erstellt wird.

Chance für Redaktionen

Die Vorteile liegen auf der Hand. Redaktionen haben begrenzte Ressourcen, müssen aber gleichzeitig immer mehr verschiedene Kanäle bedienen. Vom traditionellen Blatt über die Webseite bis zu Mobile-Apps, Social-Media und Newslettern – der Echtzeitbedarf an Gebrauchstexten mit differenzierter, individueller Diktion nimmt ständig zu. Redakteure können sich daher immer weniger um ihr eigentliches Geschäft kümmern: Fundierte Analysen, investigative Recherchen oder meinungsstarke Kommentare. Genau das macht aber den entscheidenden Wettbewerbsvorteil aus.

Intelligente Software kann den Journalisten von eintönigen Routinetätigkeiten entlasten, wird ihn aber nicht ersetzen. Ein Roboter fühlt nicht. Er ist nicht in der Lage, seinen Texten Subjektivität und eine eigene Meinung zu geben – und das wird auch in Zukunft das Markenzeichen von Qualitätsjournalismus sein. Algorithmen können Themenvorschläge machen, Recherche-Aufgaben durchführen oder einen ersten Textentwurf generieren. Der Mensch kümmert sich um das, was er am besten kann: Hintergrundgespräche, meinungsstarke Kommentare und den Instinkt für den Scoop.

Themenpotenzial im Long Tail

Der Einsatz von NLG-Software erlaubt allerdings Themennischen zu erschließen, die bislang zu personalaufwändig waren. „Wir haben hier in Süddeutschland eine Redaktion“, erzählt Saim Alkan, „die regelmäßig 800 Amateur-Fußballspiele bearbeitet. Für solche Anwendungen ist die Maschine ideal. Wir produzieren am Sonntag aus den angelieferten Daten 800 Fußballtexte – und das wird für dieses Medium einen wichtigen Wettbewerbsvorteil darstellen.“ Solche Nischenthemen gibt es viele, das Potenzial ist entsprechend groß – von der Rhönrad-Meisterschaft bis zur Quartalsberichterstattung über Nebenwerte.

Die Technologie wird zudem völlig neue Formen des Journalismus möglich machen – Involvement und Konversation sind nur zwei Stichworte in der Diskussion über mögliche Geschäftsmodelle. Nachrichten sollen in Zukunft nicht mehr nur publiziert werden. Sie sollen dazu verwendet werden, die Leser in einen Konversation hineinzuziehen – zum Beispiel über Messenger wie WhatsApp. Zeitungen chatten mit ihren  Lesern? („Hey was ist los in Aleppo?“) Bislang wäre das kaum vorstellbar. Durch die Unterstützung von NLG-Software kommt das aber in den Bereich des Möglichen – und Medien von der BBC bis zur NYT experimentieren bereits damit.

Newsdesks mit künstlicher Intelligenz

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die PR-Abteilungen von den Medien lernen. Das Beispiel mit dem Akku-Bohrer macht deutlich, was in der Produkt-PR sehr bald möglich sein wird: Aus Produktdatenblättern oder Quartalsberichten wird man automatisch Pressemitteilungen erstellen können. Überall da, wo hoch standardisierte Daten in Texte verwandelt werden, werden Robo-Redakteure sehr schnell eine mögliche Alternative sein.

Eine wirklich spannende Kombination entsteht durch die Verknüpfung von NLG-Technologie mit Newsdesks. Immer mehr Unternehmen stellen ihre Kommunikationsabteilung um und orientieren sich am Workflow der Medien, wo der Content im Mittelpunkt steht. Vor einigen Wochen ist die Deutsche Telekom mit ihrer Content Factory einen großen Entwicklungsschritt in diese Richtung gegangen. Der Bonner Telekommunikationsriese holt Mitarbeiter aus allen relevanten Fachbereiche an einen Tisch, um den vorliegenden Content zu bewerten und um gemeinsam zu überlegen, was in den jeweiligen Kanälen und  Formaten eingesetzt werden kann. Es sei das Ziel, ein Cockpit zu schaffen, erläutert Michael Schlechtriem, Leiter Kommunikationsstrategie & Entwicklung der Deutschen Telekom. Einen Punkt, an dem alle Informationen zusammenlaufen. „Man sitzt an einem Tisch mit allen Themen- und Kanalverantwortlichen und hat bis zu zwölf Screens vor sich,“ verdeutlicht Schlechtriem die Arbeitssituation in der Content Factory. So kann ein Kommunikator in Zukunft silo-übergreifend und effizient Content managen.

Doch Newsdesks sind erst der Anfang. Die Unternehmen hatten es bisher mit einer begrenzten Zahl von Journalisten zu tun. Diese Multiplikatoren verlieren an Einfluss, wo hingegen die Influencer im Internet immer mehr an Bedeutung gewinnen.  „Unternehmenskommunikation hat es extern perspektivisch nicht mehr mit einigen hundert Journalisten, sondern mit tausenden Influencern zu tun“, meint Schlechtriem.

Diese Vielzahl an Kontakte punktgenau zu bedienen und sie maßgeschneidert anzusprechen, wird eine gewaltige Herausforderung – und ein mögliches Einsatzfeld für künstliche Intelligenz und Roboredakteure.

Telekom-PR-Stratege Schlechtriem bremst hier zwar die Erwartungen: „Derzeit arbeiten wir nicht mit Redaktionsrobotern, schauen uns diese Technologien aber mit Interesse an. Wir sind ja generell sehr experimentierfreudig.“ Er wolle aber nicht ausschließen, dass in Zukunft auch Redaktionsroboter eine Rolle spielen werden.

Vom Journalismus lernen

Wie in den Medien so wird auch bei den PR-Redakteuren die Zukunft in der “hybriden Redaktion” liegen. Dabei arbeiten Automatisierungstechnologien und Redakteure Hand in Hand, mit klarer Aufgabenverteilung. Die Maschine hilft beispielsweise bei Recherche, Monitoring und Fact Checking, erstellt Textentwürfe auf der Grundlage von Daten und der Mensch liefert Kontext, Einordnung und Meinung. Darüber hinaus werden Unternehmen in Zukunft auch mit neuen Ideen aus der Medienwelt experimentieren. Conversational-PR wird sehr wahrscheinlich ein wichtiger Trend in der Unternehmenskommunikation werden. Whatsapp Talk über Rezepttipps (Mit Link zum Youtube Kochstudio)? Automatisiertes Chatten über aktuelle Quartalszahlen („Brauche den EBITDA der letzten 6 Quartale“)?  Krisenkommunikation via Messenger – hier ist mit Unterstützung von KI und Roboredakteuren vieles denkbar.

Die entscheidende Frage wird sein, welches Maß an Authentizität die Zielgruppen einfordern. Erfahrungswerte fehlen weitgehend. Sehr wahrscheinlich wird die Akzeptanz für Robotertexten in der Produkt- und Fachkommunikation eher groß sein. Überall wo aber Vertrauen und individueller Kontakt eine Rolle spielen und wo es darum geht, eine Beziehungsebene aufzubauen, wird die Authentizität des Absender von entscheidender Bedeutung bleiben. Ob sich Journalisten tatsächlich mit einem Roboter-Pressesprecher zufrieden geben, wenn Sie telefonische Nachfragen haben, das bleibt abzuwarten. Zudem steckt im Dialog auch eine Qualität des Kontakts, die viele Pressesprecher nicht aufgeben werden. In der Authentizität eines persönlichen Gesprächs liegt eine Kraft, die Stories entweder stärker machen oder ihre Veröffentlichung auch verhindern kann.

Vielleicht sollten Sie also, liebe Pressesprecher-Kollegen, mit einem allzu autonom agierenden persönlichen Bot noch vorsichtig sein. Egal wie zuverlässig die Robokollegen in den Schreibstuben bald sein mögen – den persönlichen Kontakt wird man nicht ersetzen können. Und das ist eine gute Nachricht!

 

Zum Thema Cognitive PR haben die Autoren Armin Sieber und Jörg Hoewner das Cognitive-PR-Network ins Leben gerufen, auf dessen Blog Sie weitere Beiträge zum Thema – außerhalb und ergänzend zu dieser pressesprecher-Kolumne – finden.     

 

 

 

 

Weitere Artikel