Diese Kolumne schreibe ich im Flugzeug. Auf dem Weg von München nach Tokyo, wo ich nach kurzem Zwischenstopp weiter nach Osaka fliege; und im Global Venture Habitat, einem Tummelplatz für Investoren und Start-ups, das hier gerade die „Hack Osaka 2016“ Konferenz ausrichtet. Einer der vielen Gründe für diese Geschäftsreise ist ein kleiner Vortrag in der zweitwichtigsten Wirtschaftsmetropole Japans, mit dem ich mich an japanische PR-Verantwortliche und Internationalisierungswillige richte und zu erklären versuche, wie man PR in Deutschland macht. Wieso denn dazu einen Vortrag, ist doch trivial! Aber das sehen nicht alle so, vor allem am anderen Ende der Welt – dessen Verortung immer auch eine Frage des eigenen Standpunkts ist.
„Introvertiert“, „Intransparent“ und „innovativ“
Das sind die drei Adjektive mit denen deutsche Journalisten japanische Unternehmen am ehesten beschreiben würden. Das ist eines der Ergebnisse einer Studie, die wir gemeinsam mit der Jetro (Japan External Trade Organization) Düsseldorf Ende des vergangenen Jahres durchgeführt hat. Ziel war es aufzuzeigen, wie das Image japanische Unternehmenskommunikation bei deutschen medialen Meinungsmachern ist. Und das Ergebnis war, nun ja: ernüchternd. Zumindest dann, wenn man den etwas über 100 Journalisten glaubt, die ihre Antworten zur Umfrage beisteuerten.
Nicht nur sind die Kontakte von Wirtschafts- und Technologiejournalisten zu japanischen Unternehmen sehr dünn gesäht (nur ein bis zwei Kontakte konnten mehr als die Hälfte der Teilnehmer beziffern), auch steht Japan im Ländervergleich nicht wirklich gut da. Gegen westliche Länder und ihre Kommunikation haben die Japaner überhaupt keine Chance, aber auch im innerasiatischen Vergleich haben China und Indien noch knapp die Nase vorn. Dabei sind die Anforderungen der Journalisten gar nicht so hoch: Pressemitteilungen, exklusive Inhalte, Besuche bei den Firmen und hin und wieder ein Interview.
Woran liegt es dann, dass japanische Unternehmen, von denen in Deutschland laut Zahlen der verschiedenen Institutionen in etwa 1.500 existieren, diese Anforderungen nicht erfüllen können oder wollen? Die Antworten, die ich vor allem aus Erfahrungswissen geben will, sind teils einfach, teils komplex. Sie erzählen aber auch einiges über die Herausforderungen, die deutsche Unternehmen bei ihren kommunikativen Bemühungen in umgekehrter Richtung vorfinden.
Die Sprache
Über Deutschkenntnisse verfügen die wenigsten japanischen Unternehmen, beziehungsweise deren Mitarbeiter, bei ihren ersten Schritten nach Europa. In aller Regel werden zunächst japanische Manager als Geschäftsführer vor Ort geschickt, die ein Büro aufbauen sollen, danach wird händeringend ein japanischer oder lokaler Vertriebler gesucht. Und dieser muss sich zunächst mit japanischen Broschüren und bestenfalls einer englischsprachigen Powerpoint-Präsentation durchschlagen.
Etwas auf Deutsch? Das dauert lange, und wenn, dann wird es oft von japanischen Dienstleistern produziert, denn denen vertraut man. Das klingt zwar erstmal absurd, aber so ganz anders ist das bei deutschen Unternehmen im Ausland auch nicht, anders als beispielsweise bei Amerikanern, die oft schon eine PR-Agentur im Ausland beschäftigen, bevor sie überhaupt ein Büro eröffnen.
Zurück zu den japanischen Unternehmen und ihrer PR. Die bleibt zunächst außen vor. Harte Leads und Verkaufszahlen stehen im Fokus. Und erst wenn sich auch die zu langsam entwickeln wird der Blick auf das Thema „Bekanntheit“ und die zu erzählende Story gelenkt. Etwas, das der ein oder andere gut von den Internationalisierungsbemühungen deutscher Unternehmen kennt.
Firma first
Allerdings sind die ersten Schritte dann deutlich ernüchternder – ein Grund dafür ist die Gruppenkultur der Japaner. Das Team, die Firma steht vor allem. Konsens ist oberstes Gebot. Das beißt sich ganz offensichtlich mit den Anforderungen deutscher Journalisten. „Individuelle Meinung“? Gibt es quasi nicht in einer Konsenskultur. „Einen Helden für die Story“ auch nicht. Und die wenigsten spektakulären Wirtschafts-Stories werden im Westen über anonyme Teams geschrieben.
Dass Produkte zu Helden werden, das gibt es zwar immer wieder, man denke nur an I-Phone, I-Pad und Co., aber in einer Kultur, die vor allem auf Qualität und Verbesserung baut, nicht auf „Early Moving“, ist auch dies keine Option. Bis ein solch komplexes Problem erkannt ist, vergeht Zeit. Im klassischen Rotationssystem Japans, in dem viele Mitarbeiter nach zwei Jahren die Abteilung wechseln und dann alles wieder von vorne losgeht, ist diese Erkenntnis wieder versickert.
Auch wie die Journalisten so ticken. In Japan gehen Höflichkeit und lange Beziehung vor. In Deutschland ist die Headline im Zweifel wichtiger. Der erste negative Artikel sorgt erstmal für einen Schock. Denn dem Headquarter in Japan ist das Ergebnis so nicht zu vermitteln. Gute Vorbereitung muss also sein.
Das Länderverständnis
Auch das Verständnis von Deutschland als geographisches und politisches Gebilde fällt nicht leicht. Wo es in Japan für die PR und Medien nur Tokyo – wie in Großbritannien nur London oder in Frankreich nur Paris – gibt, da ist Deutschland ein hochkomplexes Gebilde auf kleinstem Raum. Die lokalen japanischen PR-Strategien sind auf den Großraum Tokyo ausgerichtet, doch das funktioniert in Deutschland so nicht. Auch das müssen Unternehmen verstehen. So wie deutsche Unternehmen im Ausland erst einmal die Gegebenheiten begreifen müssen, um in der PR weiterzukommen.
Kommunikation vom anderen Ende der Welt zu transferieren ist nicht einfach. Sprache, Kultur, Wirtschaft, Umgangsformen und kommunikative Gegebenheiten sind anders. Nur extrem gute Vorbereitung kann hier helfen. Damit das andere Land nicht für immer fremd bleibt. Das gilt für japanische PR in Deutschland, aber auch für unsere PR in anderen Teilen der Welt.
Und jetzt folge ich dem Panel auf der Hack Osaka 2016, bei dem gerade diskutiert wird, wie man die internationalen Grenzen von Start-ups aus Japan überwinden kann.