Kollege Roboter: So beeinflussen Algorithmen PR und Kommunikation

Kolumne: Digitalisierung

Algorithmen erobern immer anspruchsvollere Aufgaben in der Berufswelt. Vor einigen Tagen flimmerte eine Meldung über meinen Bildschirm, in der die Beurteilung von Bewerbern durch komplexe Softwareprogramme beschrieben wurde, die automatisiert Stimmenprofile der Kandidaten bewerten. Unter anderem forscht das israelische Start-up Beyond Verbal seit 2012 an der Emotionserkennung in der Stimme.

Und was ist mit unserer überschaubaren Welt von Pressesprechern und anderen Kommunikationsfachleuten, fällt sie der Digitalisierung zum Opfer? In einer Career-Cast-Studie aus dem vergangenen Jahr rangiert der Journalistenberuf schon auf Platz vier der bedrohten Berufe in den USA. Public Relations Manager wiederum rangieren in einer Studie der Oxford Universität recht weit hinten in der Liste der durch Digitalisierung gefährdeten Berufs-Spezies. Wie passt das zusammen?

Zweifellos gibt es die übliche Kakophonie von Experten und Studien. Und: Einzelne Ergebnisse sind aufgrund des unterschiedlichen Studienaufbaus schwer miteinander zu vergleichen. Der generelle Trend ist aber klar: Mehr und mehr Routinetätigkeiten, auch in den inhaltlich anspruchsvollen Kommunikationsberufen, werden künftig durch digitale Helferlein schneller und besser bewältigt. Eine wundervolle Entlastung!

Sie führt aber auch dazu, dass Kommunikationsjobs überflüssig werden, wenn die Stelleninhaber nicht mit neuen Aufgaben betraut werden. Danach sieht es – nach Jahrzehnten des Wachstums – für mich nicht mehr aus: Vielmehr scheinen – beispielsweise – Aufgaben aus der internen Kommunikation ins Change Management und die HR abzuwandern, aus der externen Kommunikation in Teams für Regulatory oder PGA, aus der Pressearbeit in kombinierte Teams für Social Media, Call-Center und First Line Media Contact.

Die Verfügbarkeit von KI wird alles verändern

Mit dem Preisverfall und der breiten Verfügbarkeit von künstlicher Intelligenz wird sich die Entlastung immer mehr auch auf anspruchsvolle Komponenten des Kommunikationsberufs durchschlagen. Ein eindrucksvoller „Use-Case“ dafür wurde jüngst auf dem Werbefilmfestival in Cannes demonstriert: Saatchi&Saatchi zeigten dort einen Film, der komplett von künstlicher Intelligenz konzipiert und produziert wurde. Die digitalen Helfer casteten Darsteller und orchestrierten Maske, Schnitt und sogar Regie. Ein Trend, der sich beschleunigt fortsetzen wird. So können beispielsweise Programmierer und Entwickler inzwischen auf Watson-Technologien von IBM „portionsweise“ über eine Online-Plattform zugreifen.

Die Anwendungsfälle dafür sind vielfältig. Dazu gehören:

  • Die Muster-Erkennung und Strukturierung großer Content-Volumina, seien es Texte, Bilder oder Videos. Die Teams für Monitoring und Analyse werden künftig deutlich fokussierter arbeiten können – oder halt weniger zu tun haben.
  • Die Bereitstellung, Verdichtung und Kuratierung von Content, etwa die automatisierte Zuordnung von Bildern zu Texten, die Publikation von Texten für owned und shared media , die Administration entsprechender Portale.
  • Das stilistisch saubere Formulieren von Texten, wenn nötig simultan in unterschiedlichen Sprachen. Watson, AlphaGo oder die neuesten Quantum-Modelle mögen keine literarisch bedeutsamen Texte produzieren (das ist ohnehin ja immer eine Frage von Konventionen und ihrer partiellen Erneuerung durch Kunst), aber für Zwecke der Public Relations dürfte der Unterschied zwischen von Menschen geschriebenen und von Maschinen generierten Texten in manchen Themenfeldern schon heute gering sein.
  • Die Wahrnehmung von einfachen Kontaktaufgaben. Ich kenne noch keine Pressestelle, die einfache Journalistenanfragen von durch eine mit einer sympathischen, gegebenenfalls je nach Unternehmensstandort lokal kolorierten Computerstimme beantworten lässt – auf Basis einer umfangreichen und leicht aktualisierbaren Wissensdatenbank. Aber warum sollte die Übertragung des Knowhows aus Kundenhotlines und Gebrauchsanweisungsmanagement auf die Pressearbeit so schwierig sein?
  • Das Fällen oder mindestens Vereinfachen von Entscheidungen über Veröffentlichungszeitpunkte, Medien-Mix oder generell die Frage von Medieneinsatz, beispielsweise in Krisensituationen. Natürlich: Vieles wird Intuition und Erfahrung bleiben. Aber manch ein „Entscheider“ wird sich wohler fühlen, wenn er sein Vorgehen durch die Empfehlung einer künstlichen Intelligenz unterstützt sieht – das liefert zusätzliche Legitimation gegenüber dem CEO.

Wahrscheinlich fallen Ihnen weitere Arbeitsfelder ein, in denen Kommunikationsprofis digital entlastet werden – oder aber teilweise überflüssig gemacht werden.

Wayne Pales, einer der Autoren meines neuen Buches „Out-thinking Organizational Communications – The Impact of Digital Transformation“ entwickelt einen weiteren Gedanken, der für die Zukunft des Kommunikationsberufs berührt: Wenn die wichtigsten Verbindungen innerhalb einer Organisation und zwischen der Organisation und ihren wichtigsten externen Stakeholdern digital ablaufen, wird zweifellos Vertrauen zur wichtigsten Ressource in diesen Interaktionen: Vertrauen in die Sicherheit und Integrität der Daten und Daten-Transfers, Vertrauen in Hardware und Software, et cetera. Wäre es dann nicht auch vorstellbar, dem Chief Technology Officer (CTO) oder Chief Information Officer (CIO) auch die Verantwortung für das Kommunikationsteam zu übertragen, dessen wichtigste Aufgabe (bei abstrakter, funktionaler Betrachtung) das Management von Vertrauen ist?

 

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