Fröhliches Rumlabern

Die Podcast-Inflation

„Wie, Ihr habt noch keinen Podcast? Aber das machen doch jetzt alle!“ – „Äh ja, gut, dann machen wir das halt auch …“

Halt! So ging das in der ersten Podcast-Welle ab 2006 etwa auch los. Und schon damals versenkten Unternehmen und Organisationen viel Geld und Arbeitszeit im „Friedhof der Nuscheltiere“.

Das muss wirklich nicht noch mal passieren. Denn der Kommunikationsgott sagt: „Du sollst nicht podcasten!“ Jedenfalls nicht, wenn Du diese zehn Gebote für sinn- und konzeptionslose Corporate Podcasts erfüllst:

 

1. Du hast kein serielles Konzept.

„Für fünf Episoden hab‘ ich Inhalte. Aber was soll ich in der sechsten machen?“

Wer den langen Atem für serielles Erzählen nicht hat, lässt das Podcasten besser. Ein Podcast ist eine Serie von Audio-Beiträgen mit einem übergeordneten strategischen Kommunikationsziel, das dann, Episode für Episode, kreativ und sinnvoll umgesetzt wird. Entweder Sie ziehen das mit wöchentlichen, zweiwöchentlichen oder mindestens monatlichen Episoden durch. Oder, wenn Sie mal eine Atempause brauchen, stellen Sie den Podcast eben staffelbasiert auf: Starten Sie mit Staffel 1 und x Folgen, dann ein Vierteljahr Pause für die Produktion von Staffel 2 mit x Folgen und so weiter. Den einzelnen Staffeln können Sie dann auch unterschiedliche Schwerpunkte geben.  

 

2. Du hast keine Meta-Erzählidee für den Podcast.

„Was hat denn unser Unternehmen zu erzählen? Und warum Storytelling?“

Wer sich diese Fragen stellt, sollte den Abstand zwischen sich und dem eigenen Podcast schlagartig vergrößern. Ein Mindestmaß an Erzähl-Strategie sollte da sein, und wenn es lediglich ist: „Wir wollen den Hörern da draußen erzählen, was für tolle Mitarbeiter wir haben!“ Besser wäre aber schon, sich im Rahmen des Content Marketing eine zum Thema Audio/Podcast passende Strategie zu überlegen: Persönliche, möglichst emotionale und unterhaltende Geschichten über Sie, Ihr Unternehmen, Ihre Organisation, Ihren Verein ecetera. Denken Sie journalistisch, denken Sie wie Medienmacher.

 

3. Die Stärken bzw. Schwächen von Audio/Hören interessieren Dich nicht.

„Dieses Podcast, das ist doch: Ein Tisch, zwei Mikrofone, zwei Leute, die quatschen; vorne abschneiden, hinten abschneiden, fertig.“

Kann man machen … wenn die zwei Leute begnadete Entertainer sind. Eigentlich hat Audio aber ein paar unschlagbare Vorzüge, die Sie kennen und nutzen sollten: Die Stimme kriecht dem Hörenden direkt vom Ohr ins Hirn, sie verankert Geschichten und Emotionen nachhaltig! Als Podcast-Host können Sie zum Partner, gar zum Freund Ihrer Hörer, Ihrer Fans werden. Aber: Audio ist ein steter Fluss, das Ohr kann nicht zurückblättern. Überfordern Sie die Hörer also nicht. Keine Detailinformationen, keine tausend Jahreszahlen, Paragrafen oder ermüdende Aufzählungen. Audio ist gemacht für das „Warum“ und nicht für das „Wie genau“. Audio ist akustisches Lagerfeuer. Nochmal: Geschichten erzählen!

 

4. Dein Podcast muss alle, alle, alle Zielgruppen erreichen.

„Also, wenn wir dieses Pod…dingens machen, dann muss das interessant sein für unsere Führungskräfte, für die Azubis und für die Fahrer unserer Lieferwagen.“

Das ist mal eine hübsche Aufgabe. Die nicht gelöst werden kann. Die Sinnhaftigkeit von zielgruppengenauer Kommunikation muss ich nicht groß erläutern. Aber gerade bei Podcasts zieht die Wahl der Zielgruppe so vieles nach sich: die Ansprechhaltung, das Alter der Moderatoren, die Aufbereitung der Inhalte, die Länge der Episoden, die Wahl des Formats und so weiter. Je genauer also die Zielgruppe und das Kommunikationsziel, desto knackiger kann ich den Podcast positionieren.

 

5. Du hast keinen Bock, Dich mit möglichen Podcast-Formaten auseinanderzusetzen.

„Sowas wie gemischtes Hack, das wär‘ doch auch was für uns!“

Genau, was auf Spotify rankt, muss auch gut für Ihr Unternehmen sein. Auch, wenn Sie Schraubenhersteller sind? Ehrlich gesagt, bin ich bei diesem Punkt etwas ratlos angesichts der mangelnden Kreativität der meisten podcastenden Unternehmen. Letztendlich sind es dann doch wieder nur zwei Leute, die labern. Wieso kein Comedy-Format oder eine Serie von Kommentaren? Man könnte es doch auch mal mit einer fiktionalen Story probieren … okay, das Budget dafür müsste da sein. Oder vielleicht ist ein Teilaspekt meiner Unternehmens-Story geeignet für eine Reportage-Serie? Ein bisschen mehr Innovation wäre schön.

 

6. Dein Podcast soll für den Abverkauf Deiner Produkte sorgen.

„Ich stecke schon so viel Geld in Werbung, verkauft mir der Podcast ein Auto mehr?“

Nein, tut er nicht. Ich denke aber, dass sich das inzwischen rumgesprochen hat. Also nur für die, die’s noch nicht gehört haben: Podcasts sind keine Werbespots, kein Abverkaufs-Instrument, kein Produktmarketing. Sie sind Kommunikations- oder Marketingmaßnahmen, die langfristig und nachhaltig wirken – eher in Richtung Kundenbindung, Imagetransfer, Markenbindung, Fanbase, Community-Aufbau und so weiter.

 

7. Die Komplexitäten des Podcast-Universums sind Dir völlig egal.

„RSS-Feed, Hosting, Shownotes, Landingpage, Podcatcher … was soll das alles?!“

Tja. Es ist kompliziert. Podcasts sind als freie, kostenlose Audio-Perlen von engagierten und ambitionierten Audio-Aficionados entstanden. Inzwischen sind sie fester Bestandteil des Massenmedienmarktes und diverse Player und Medienhäuser buhlen sowohl um Podcaster als auch um Podcast-Hörer. Man muss sich mit den organisatorischen wie technischen Umständen auseinandersetzen, denn die sind mitunter chaotisch, dezentral, wenig planbar und noch auf dem Weg der Reife. Nur ein Beispiel: Da es nicht die eine Podcast-Plattform gibt, gibt es auch keine einheitlichen Messgrößen für die Statistiken, die Erfolgskontrolle. Das ist noch ein bisschen Flickwerk. Wer Podcast will, muss seine KPIs … flexibel gestalten.

 

8. Der Podcast darf nichts kosten, die Azubis sollen das machen.

„Wenn ich das schon ausprobieren soll, dann darf es nichts kosten. Die jungen Leute wissen doch, wie das geht, die sollen mal einen Vorschlag machen.“

Genau, aber für die Vierfarb-Broschüre zum Firmenjubiläum kippen wir der Agentur wieder ein paar mit Gold gefüllte Schubkarren vor den Glasaufzug. Nee, auch da: Inzwischen ist weitgehend bekannt, dass Podcasts professionell produziert werden müssen. Na gut, sagen wir so: Je klitzekleiner und gieriger nach ganz spezifischen Informationen Ihre Zielgruppe ist, desto eher können Sie bei der professionellen Umsetzung sparen. Können. Müssen aber nicht. Wenn Ihr Unternehmen hochprofessionell arbeitet und Sie die Qualität Ihrer Produkte oder Dienstleistung rühmen – dann sollte Ihr Podcast nicht klingen wie im Keller von verhaltensauffälligen Wichtigtuern gemacht.

 

9. Du lehnst jede Unterstützung durch Podcast-Profis ab.

„Sprechen kann nun wirklich jeder, ich mach das selbst!“

Ich hab‘ nachgeschaut, nein, Seitenbacher hat noch keinen Podcast. Aber wenn, dann würde „His Müsliness“ Willi Pfannenschwarz den hundertprozentig höchstselbst moderieren. Und vielleicht wäre das sogar ganz gut. Insgesamt aber gilt: Gute Moderatoren, Hosts, Gastgeber eines Podcasts haben entweder ihr Handwerk gelernt oder sind begabte Quereinsteiger. Bei Audio gilt jedenfalls: Begabung, Talent geht vor Zuständigkeit. Audio/Podcasts sind letztendlich Unterhaltung! Also suchen Sie sich – wenn schon nicht externe Profis – Mitarbeiter, die das „drauf haben“. Abteilungsleiter/in X weiß alles über das Thema Y, nuschelt aber nervös schwer Verständliches ins Mikro? Kann man machen …

 

10. Wenn Dein Podcast veröffentlicht ist, soll er sich von selbst vermarkten.

„Was? Ich soll auch noch Geld in die Hand nehmen, um den Podcast bekannt zu machen?“

Nein, Sie können Ihr Podcast-Projekt auch still und leise in der Unendlichkeit des Podcast-Universums verglühen lassen und dann schreien: „Ich hab’s doch gesagt, bringt nichts!“ Je nach Zielgruppe (siehe oben) wär’s aber schlauer, sich ein paar Gedanken zu machen: Wie erfährt meine Zielgruppe vom Podcast, über welche Kanäle, mithilfe welcher Kampagnen? Wie binden wir den Podcast in andere Kommunikationsmaßnahmen ein, von Newsletter über Social Media bis Webseite oder Anzeigenkampagne, Radiospots ecetera?

Zum Abschluss noch eine Frage, die sich Unternehmen als Allererstes stellen sollten: Brauche ich überhaupt einen externen Podcast? Vielleicht wäre ein internes Format sinnvoller. Denn da bekommen Sie die ganzen Vorteile der Kommunikationsform Audio ohne die Nachteile wie Reichweitenprobleme oder zusätzliche Kosten durch die Vermarktung des Podcasts. Mit einem internen Podcast können Mitarbeiter informiert wie motiviert werden, Stichwort „Corporate Influencer“. Warum Fans des Unternehmens außerhalb suchen? Machen Sie erst mal Ihre eigenen Mitarbeiter zu Fans!

 

 

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