Die vergangenen 15 Jahre waren für Medienmanager und Journalisten nicht einfach. Nach einigen stabilen Jahrzehnten und einem Anzeigenboom um die Jahrtausendwende – ausgerechnet vom ersten Internetboom ausgelöst – begann eine Talfahrt. Auflagen und Erlöse bröckeln seither fast flächendeckend. Auflagen- und Erlösgewinne wie etwa bei der Wochenzeitung „Die Zeit“ sind nur die Ausnahmen, die die Regel bestätigen. Ein Ende des Niedergangs ist nicht in Sicht. Und nicht wahrscheinlich.
Das Internet hat traditionelle Medien nicht nur Geld gekostet. Es hat ihnen auch Aufmerksamkeit streitig gemacht. Am Frühstückstisch liegt in vielen Haushalten nicht mehr die Tageszeitung, sondern ein Tablet. Auf dem Weg zur Arbeit ersetzt das Smartphone das alte Trägermedium Papier. Und abends hält die Tagesschau schon lange nicht mehr das Monopol auf die Einordnung der Geschehnisse des Tages.
Währung Vertrauen
Ohne Erlöse und Aufmerksamkeit geht es nicht in der Medienbranche. Hinzu kommt eine dritte Währung: Vertrauen. Vielleicht die wichtigste überhaupt, denn ohne Vertrauen gibt es weder (Vertriebs-) Erlöse noch Aufmerksamkeit. Nur wenn Leser, Zuhörer und Zuschauer Medienmarken und den Machern dahinter vertrauen, schenken sie ihnen ihre Zeit, lesen Artikel, sehen sich Anzeigen an und geben Geld aus für Informationen bzw. Darreichungsformen.
Beachtet wird die Währung Vertrauen ihrer Bedeutung zum Trotz wenig. Das mag daran liegen, dass sich in Deutschland der Wandel in der Medienbranche langsamer vollzieht als in anderen Ländern. Während in den USA selbst Großstädte ohne Tageszeitung schon seit Jahren Realität sind, liegen hierzulande an Bahnhofskiosken immer noch drei regionale Blätter aus, auch in Kleinstädten. Für deutsche Medienmacher (und PR-Macher) heißt das: Es lohnt sich jetzt hinzusehen, um von den Entwicklungen in anderen Märkten zu lernen. Die Verschiebungen beim Vertrauen in Medien sind – erheblich.
Suchmaschinen hängen Zeitungen ab
Die PR-Agentur Edelman misst mit dem Trust Barometer seit 15 Jahren das Vertrauen in Regierung, Wirtschaft, Nichtregierungsorganisationen und eben auch in Medien. Wir tun das inzwischen in 27 Ländern weltweit und befragen dafür einmal im Jahr mehr als 33.000 Menschen. Zu den erstaunlichen Entdeckungen in diesem Jahr gehört die Entwicklung beim Vertrauen in unterschiedliche Medienkanäle.
In den vergangenen Jahren waren traditionelle Medien global gesehen als vertrauenswürdigste Absender von Nachrichten und Hintergrundberichten gesetzt. In diesem Jahr sind sie das zum ersten Mal nicht mehr. An ihre Stelle haben sich Suchmaschinen geschoben. Mit 64 Prozent vertrauen mehr Menschen Google & Co. als traditionellen Medienmarken wie der „New York Times“ oder der britischen „Sun“.
Nun ist das Edelman Trust Barometer eine quantitative Untersuchung, die Befragten liefern also keine Begründung für ihr Votum. Denkbar ist, dass etablierte Medienmarken hinter den Suchmaschinen verschwinden und es ihnen nicht mehr gelingt – gerade in einer jüngeren Zielgruppe – enge Bindungen zu ihren Lesern aufzubauen. Sie werden austauschbar. Tatsache ist, dass in der Generation Y, also den zwischen 1977 und 1998 geborenen, sogar 72 Prozent Suchmaschinen vertrauen, aber nur 64 Prozent traditionellen Medien. Das Vertrauen in Social Media ist in dieser Gruppe mit 59 Prozent fast so hoch wie das Vertrauen in traditionelle Medien im globalen Durchschnitt.
Eigene Recherche wird zum Maß der Dinge
Mit ein wenig mehr Kulturoptimismus lässt sich interpretieren, dass sich Menschen heute stärker als früher auf ihr eigenes Urteil verlassen: Ich glaube nur noch, was ich selbst recherchiert und bewertet habe. Stützen lässt sich diese Annahme mit der Tatsache, dass die oben genannten Ergebnisse aus der Befragung der informierten Öffentlichkeit stammen. Es handelt sich somit um Einschätzungen von Menschen mit einem überdurchschnittlichen Bildungsabschluss, Einkommen und Medienkonsum. Anders formuliert: Die besonders stark aufgeklärte Öffentlichkeit vertraut auf globalem Level stärker Suchmaschinen als traditionellen Medien. Eine bemerkenswerte Entwicklung.
Dass diese Interpretation mehr als nur Spekulation ist, zeigt ein tieferer Blick in die Daten. Gefragt nach ihrem Mediennutzungsverhalten sagt eine Mehrheit, dass die Onlinesuche ihre erste Informationsquelle für allgemeine Informationen ist. Das Fernsehen und Tageszeitungen schaffen es – deutlich abgeschlagen – nur auf die Plätze zwei und drei. Noch deutlicher fällt der Abstand aus, wenn es um die Validierung von Informationen geht. Satte 17 Prozentpunkte trennen Suchmaschinen (37 Prozent) vom Fernsehen (20 Prozent). Allein bei herausragenden Nachrichtenereignissen wie z.B. bedeutenden Eilmeldungen kann das Fernsehen noch mit der Suche mithalten (beide 27 Prozent).
Traditionelle Medien im Abseits
Nun könnte an dieser Stelle der (endgültige) Abgesang auf traditionelle Medien beginnen. Wer braucht noch traditionelle Medien, wenn auf dem Smartphone, dem Tablet oder am PC im Büro die Nachrichtenlage immer aktuell und sich auch Hintergrundberichte mit ein, zwei Klicks recherchieren lassen? Zwei Aspekte stehen dem jedoch entgegen. Zu einem sind es vor allem traditionelle Medienmarken, die aktuelle (Nachrichten-) Inhalte bereitstellen – auch online. Zum anderen ist die globale Entwicklung ebenso erstaunlich wie nicht auf jedes Land übertragbar.
Die USA sind in vielen Dingen Trendsetter. In Internetinnovationen, im Niedergang der Medienbranche wie wir sie Jahrzehnte lang kannten – und beim Vertrauen. Zum ersten Mal vertrauen die Befragten aus den USA des Edelman Trust Barometers Suchmaschinen (59 Prozent) mehr als traditionellen Medien (57 Prozent).
Wie es traditionellen Medien ergehen kann, wenn eine informierte Öffentlichkeit auf eine eingeschränkte Pressefreiheit trifft, zeigt das Beispiel Malaysia. Internetmedien gelten hier als Gegengewicht zur staatlich drangsalierten Presse (auch wenn das nur zum Teil richtig ist). Das Ergebnis: 78 Prozent der Befragten verlassen sich auf die Informationen, die sie selbst online recherchiert und bewertet haben. Nur 56 Prozent vertrauen traditionellen Medien. Selbst Hybridmedien wie Blogs schneiden besser ab (59 Prozent).
Deutschland hinkt hinterher
Und in Deutschland? Bei uns ticken die Uhren anders. Wir sind nicht die schnellsten in Internetdingen – und auch nicht Wandel der Medienbranche. Eine der Ursachen ist sicherlich das Alter der deutschen Bevölkerung. Digital Natives sind in der Minderheit. Die Mehrheit kennt noch eine (Medien-) Welt ohne Internet und Mobiltelefon – und hat ihr Nutzungsverhalten (noch) nicht umgestellt. Im Ergebnis: 66 Prozent vertrauen traditionellen Medien, nur 47 Prozent der eigenen Onlinesuche.
Für Medienmacher ist das eine gute Nachricht. Sie haben noch Zeit, die neue Welt zu gestalten. Und auch für PR-Menschen heißt das, wir können noch eine Weile so weitermachen wie bisher. Müssen wir sogar. Konkret: Wer in Deutschland Vertrauen in sein Unternehmen, seine Produkte und Dienstleistungen oder seine Politik aufbauen will, kommt an traditionellen Medien nicht vorbei. Alles beim Alten also? Sicher nicht.
Den Wandel nicht unterschätzen
Für die PR heißt das ebenfalls: Wir dürfen nicht am Ast sägen, auf dem wir zusammen mit den Medien und vor allem dem Journalismus sitzen. In einer Zeit, in der Erlösmodelle erodieren dürfen wir trotzdem nicht den scheinbar einfachen Weg gehen und für die Platzierung unserer Geschichten bezahlen. Schließlich wollen wir mit unseren Geschichten überzeugen und nicht mit dem Geldbeutel – mindestens überall dort, wo das noch geht.
Dass die Spielräume immer enger werden, zeigen die alltäglichen Erfahrungen. Seit Jahren ist es gelebte Realität, dass Unternehmen Journalisten einladen zu eigenen Veranstaltungen und manchmal auch zum Besuch einer Branchenmesse. Flug und Hotel werden übernommen, meistens gibt es noch eine Einladung zum Abendessen. Für Journalisten wird es allerdings immer schwieriger, den eigenen Schreibtisch zu verlassen, weil es niemanden gibt, der dann ihre Arbeit machen könnte, die Arbeit, die vor ein paar Jahren noch drei Kollegen zusammen erledigt haben. Und wenn sich die Industrie trifft, dann werfen sich alle zusammen auf die wenigen (Fach-) Journalisten, die die jeweilige Branche noch im Blick haben. So kommt es, dass ein gefragter IT-Journalist, einer der letzten seiner Art, für drei Tage Mobile World Kongress in Barcelona 250 Einladungen bekommt – zu Interviews, Hintergrundgesprächen, Lunches, Abendessen und für die eine oder andere Party.
Auch das ist eine Seite des Medienwandels. Und der Grund dafür, warum wir PR-Menschen doch besser nicht ruhig schlafen sollten. Medienarbeit im traditionellen Sinne ist weiter die Basis für den Aufbau von Vertrauen. Die Lösung für alle Herausforderungen unserer Kunden ist sie schon lange nicht mehr. Denn die Zeiten, in denen wir alle Zielgruppen mit einem Interview in einer überregionalen Tageszeitung erreichen konnten, sind längst vorbei.
Unterm Strich: Ohne traditionelle Medien geht es in Deutschland nicht. Wer nur auf sie setzt, kommt jedoch nicht weit. Für die Vertrauensbasis müssen wir Journalisten aus klassisch arbeitenden Redaktionen von unseren Geschichten überzeugen. Aufmerksamkeit – neudeutsch Reichweite – bauen wir mit neuen Werkzeugen auf: SEO, SEM, Social Media und Content Marketing.