Strategie statt Schreibwerkstatt!

PR-Volontariat

Während meines Volontariats bei Thyssenkrupp habe ich viel erlebt: den Launch des ersten Corporate Blogs, die Organisation diverser Führungskräftekonferenzen, den Aufbau der Kommunikationsfunktion in verschiedenen Regional Headquarters, die Einführung des ersten Social Intranets, den globalen Markenrelaunch des Konzerns und natürlich das „Around the World“-Projekt, für das ich mit Filmstudenten eine Weltreise unternommen habe.

Ich habe schnell verstanden: Kommunikation ist mehr als Produktion. Als Kommunikator benötigt man einen Rundumblick; ein Verständnis für Wort und Bild, aber auch für Projektmanagement, für Beratung, für Strategien und Märkte. Das Problem: Wenn ich mir die Hochschulwelt anschaue, dann gibt es da die Fachhochschüler, die ihr Glück in „Schreibwerkstätten“ suchen, und die Kommunikationswissenschaftler, die Seminare und Vorlesungen zu „Empirische Methoden“ und „Medienethik“ belegen. Natürlich gibt es viele Quereinsteiger in der Kommunikation, die absolute Asse sind auf dem strategischen Gebiet, aber wer seine Karriere mit dem klaren Ziel „Kommunikator“ startet, sucht den Einstieg an den Hochschulen – zumindest heute noch – eher selten über Unternehmensstrategien oder Market Development.

Ich hatte nach dem Bachelorstudium „Journalismus und PR“ das Gefühl, mir würde genau dieses betriebswirtschaftliche Verständnis fehlen, um in die Kommunikation eines Konzerns einzusteigen. Deswegen habe ich mich im Anschluss für einen Strategie- und Management-Master entschieden, und das war gar nicht so leicht: Aufgrund des konsekutiven Systems in Deutschland ging das nur im Ausland. Als wären betriebswirtschaftliche Zusammenhänge nicht auch in anderen Berufsfeldern hilfreich, verwehrt das deutsche System hier den Zugang zu entsprechenden Masterstudiengängen.

Mir ist bewusst, dass so ein Auslandsstudium nicht allen Absolventen möglich ist. Ich würde mir daher wünschen, dass Unternehmen und Agenturen einspringen und mit ihren Volontariaten auf den Bedarf eingehen. Das Volontariat sollte im Idealfall ein individualisiertes Programm sein, in dem der Berufseinsteiger an die Hand genommen und eben auch mal in andere Unternehmensbereiche geführt wird. Mein Programm war auf 24 Monate ausgelegt und hat genau dies getan. Unterhalte ich mich aber mit ehemaligen Kommilitonen, sehe ich, dass Volontäre oft seit Generationen zu Schreibtrainings geschickt werden, obwohl es doch offensichtlich ganz andere Fähigkeiten sind, die ihnen für die ganzheitliche Kommunikation fehlen.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe EHRLICHKEIT. Das Heft können Sie hier bestellen.

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