Als Adolf Freiherr von Knigge 1788 sein Buch „Über den Umgang mit Menschen“ verfasste, war ihm wohl kaum bewusst, was man ihm im 21. Jahrhundert alles fälschlicherweise zuschreiben würde. Heute gilt Knigge als allwissender Lebensratgeber, dessen Werke normativen Charakter besitzen und jeden nur denkbaren Lebensbereich erfassen: Da gibt es den Knigge für Berufseinsteiger, den für Saunagänger und den Weißwurst-Knigge. Allerdings: Knigge lag nichts ferner als strenge Vorgaben zu diktieren! Sein vermeintlicher Regelkatalog ist tatsächlich eine soziopsychologische Studie. Er wollte die Gesellschaft aufklären – hinsichtlich Taktgefühl und Höflichkeit im Umgang mit verschiedenen Charakteren, Berufsgruppen und Generationen. Im Mittelpunkt steht dabei folglich immer ein anlass- und adressatengerechtes Auftreten.
Eine gute Basiskenntnis gängiger Knigge-Regeln nach heutigem Verständnis ist auch für Kommunikationsfachleute vorteilhaft. Ergänzt durch die hervorragende Fähigkeit, Inhalte elegant zu kommunizieren, Sachverhalte zu hinterfragen, in Diskussionen clever zu kontern und Menschen mit Fakten zu überzeugen. Aber: Warum öffnen sich für einige dieser Profis manche Türen nur ein einziges Mal? Der Grund dafür sind sogenannte Wahrnehmungsanker: Durch diese, auf den ersten Blick kaum wahrnehmbare, Zeichen erfahren wir beinahe unbewusst, mit wem wir es zu tun haben.
Dazu gehören die äußere Erscheinung, wertschätzende Formulierungen in Wort und Schrift, Gesten der Höflichkeit und des Respekts. Der wichtigste Wahrnehmungsanker – zumindest hinsichtlich des ersten Eindrucks, der sich bekanntlich nur schwer revidieren lässt, – ist das Äußere.
Kleidungsempfehlung gemäß Business-Knigge
Kommunikation von Angesicht zu Angesicht beginnt nicht mit Worten, sondern mit dem Blick auf das Gegenüber. Innerhalb von drei Sekunden sehen wir, ob uns eine Person sympathisch ist oder nicht. Kleidung ist dabei in diesen drei Sekunden der maßgebliche Faktor unserer Kommunikation – und ausschlaggebend dafür, ob wir unser Gegenüber für uns gewinnen oder verlieren. Die Kleidung im Berufsleben orientiert sich grundsätzlich an der klassischen Stilrichtung, verbunden mit einem zunehmenden Anteil persönlicher Elemente.
Das klassische Business-Outfit für den Herrn:
• Anthrazitfarbener Anzug mit dunklen Schuhen und Strümpfen
• Weißes oder hellblaues langärmeliges Hemd
• Dezente Krawatte
• Maximal fünf sogenannte Schmuckteile. Dazu zählen Uhr, Brille, Ehering und Manschettenknöpfe
Das klassische Business-Outfit für die Dame:
• Hosenanzug oder Kostüm in der Farbauswahl Blau, Grau oder Schwarz
• Blusenartiges Oberteil in dezenter Farbe, bevorzugt in weiß, hellblau oder rosé
• Geschlossene Schuhe mit maximal fünf Zentimeter hohem Absatz
• Strumpfhose
• Maximal fünf Schmuckteile
Auch wenn ein solcher Kleidungsstil ein wenig langweilig klingt, ein Business-Outfit wie oben beschrieben lenkt nicht von dem Inhalt ab, der beim Gegenüber platziert werden soll. Es signalisiert Kompetenz und Ernsthaftigkeit. Zudem wird auf diese Weise nicht der Anschein erweckt, dass sich der Träger oder die Trägerin mehr Gedanken um die Tagesgarderobe gemacht hat als um den Job.
Es versetzt den Betrachter in eine harmonische, unaufgeregte Farbwelt, die den Weg für einen inhaltlich facettenreichen Vortrag ebnet. Es wäre schlichtweg anstrengend, würde die Krawatte des Regierungssprechers Steffen Seibert nach jeder Pressekonferenz ebenso heftig diskutiert wie seinerzeit die sogenannte Deutschland-Kette von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Natürlich kann man auch mit der Kleiderwahl kleine Akzente setzen, die der eigenen Sache dienlich sind. Dies erfordert, die Codes der Farben und der Kleidungsstile zu kennen und gezielt einzusetzen. Die Kunst besteht darin, das gesellschaftlich akzeptierte Maß nicht zu überschreiten, Extreme dosiert einzusetzen und modische Spielarten in einen gesellschaftsfähigen Kontext einzubringen. Beispielhaft sei hier Yahoo-Managerin Marissa Mayer genannt, die mit der Wahl femininer Kleider ihre Präsenz und Fachkompetenz in rasendem Tempo einer breiten Öffentlichkeit nahegebracht hat.
Auch E-Mails sind Briefe
In den meisten Fällen wird es jedoch so sein, dass einem ersten Treffen ein intensiver Schriftverkehr vorausgegangen ist. Das Kommunikationsmittel erster Wahl ist seit Jahren die E-Mail. Der geradezu inflationäre Gebrauch der elektronischen Post verlangt nach ein paar Regeln. Früher schauten wir bei den Kollegen aus dem Nachbarzimmer vorbei. Heute schreiben wir ihnen eine E-Mail. Der Vorteil ist, dass wir anderen Kollegen, die auch vom Thema betroffen sind, zur Info eine Kopie (cc) senden können. Allerdings sollten Sie sorgsam mit Verteilern umgehen und die Empfänger Ihrer Mails bewusst auswählen. Vergessen Sie nie, Ihre Korrespondenz ist Ihre Visitenkarte. Übrigens wird erwartet, dass Sie geschäftliche E-Mails innerhalb von 24 Stunden beantworten. Nun kurz ein paar Anmerkungen zum Aufbau einer elektronischen Mitteilung:
Beginnen Sie Ihre E-Mail schon im Betreff mit einer aussagekräftigen Information. Wie beim Brief stellen Sie sich auf Ihr Gegenüber ein. Es ist egal, was wir sagen, wichtig ist, was die anderen verstehen. Genau wie bei einem Brief beginnen wir die E-Mail mit einem freundlichen „Guten Tag“ oder mit „Hallo“, zum Beispiel bei Kollegen oder Bekannten. Förmlicher und auch absolut korrekt ist die Anrede mit „Sehr geehrte Frau…/ Sehr geehrter Herr…“. Eine gute Schlussformulierung wie „Beste Grüße“ oder „Freundliche Grüße“ gehört ebenfalls zur stilvollen E-Mail.
Der höfliche Einleitungssatz einer Mail ist genauso selbstverständlich wie die korrekte Rechtsschreibung, Grammatik und eine gute Gestaltung. Formulieren Sie kurze Sätze – treffend und knapp. Blähen Sie Ihre Texte nicht durch unnötige „Füllwörter“ auf. Sie lenken dadurch nur vom Wesentlichen ab und strapazieren unnötig die Geduld Ihres Gegenübers. Beschränken Sie sich auf maximal 15 Wörter pro Satz, denn diese werden beim ersten schnellen Lesen verstanden. Schachtelsätze sind gänzlich tabu. Beachten Sie die Regel: Ein Gedanke, ein Satz. Stellen Sie sich in der Wortwahl auf Ihre Ansprechpartner ein, so fühlen sie sich wertgeschätzt und ernst genommen.
• Sprechen Sie Ihre Gegenüber persönlich an. Verwenden Sie „Sie/Ihnen/Ihr“ statt „wir/uns/unser“.
• Gehen Sie auf die Belange individuell ein.
• Vermeiden Sei möglichst Fachausdrücke, stattdessen lieber einfache Worte verwenden.
• Verwenden Sie keine Passiv-Konstruktionen. Das Passiv lässt den Text distanziert und altmodisch erscheinen.
• Schreiben Sie positiv statt negativ.
Selbstverständlich hat die breite Mehrheit bereits von diesen oder ähnlichen Knigge-Regeln gehört. Doch aufgrund des verstaubten und vermeintlich elitären, altbackenen Images dieses erzwungenen gesellschaftlichen Korsetts sträuben sich oder trauen sich sogar die meisten nicht, sich mit dieser Thematik auseinander zu setzen.
Auf der anderen Seite gibt es auch jene, die es mit der Einhaltung dieser Regeln völlig übertreiben. Diese heuchlerische Höflichkeit wirkt aufgesetzt, leer, spießig und zuweilen sogar arrogant. Man bedient sich nur noch irgendwelcher Floskeln und oberflächlicher Contenance. Der Dogmatiker missbraucht die Idee von Adolph Freiherr von Knigge und versucht sich durch seine Überheblichkeit von anderen sozialen Kreisen abzugrenzen.
Schlussendlich ist die richtige Balance zwischen geistiger Kultivierung, innerer und äußerer Haltung, Souveränität und Authentizität entscheidend, um positiv wahrgenommen zu werden. Wer also ein Unternehmen oder eine Organisation nach außen positiv darstellen will, sollte zunächst lernen sich selbst positiv darzustellen. Dies gelingt schon mit einfachsten Mitteln: Aufrecht dastehen, freundlich lächeln und immer höfliche Umgangsformen. Wer darüber hinaus begriffen hat, dass jeder Mensch gesehen, gehört und verstanden werden möchte, verhält sich heutzutage schon besser als ein Großteil seiner Mitmenschen.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Humor. Treffen sich zwei…. Das Heft können Sie hier bestellen.