Wir müssen reden!

Interne Kommunikation

Bei den Olympischen Spielen in Tokio stand neben dem unbedingten Willen zu siegen, also der mentalen Stärke von Spitzensportlern im Wettkampf, plötzlich auch das Thema mentale Gesundheit im Fokus. Die US-Turnerin Simone Biles brach ihre Teilnahme aufgrund mentaler Probleme ab. Ein Paukenschlag. Der ehemalige Schwimm-Star Michael Phelps, mit 28 Medaillen der erfolgreichste Athlet überhaupt, sprach als Kommentator der Spiele in Interviews ganz offen über seine psychischen Probleme, die zu einer Depression führten.

Psychischer Zustand kein Tabuthema mehr

Der Zustand unserer Psyche ist kein Tabuthema mehr. Bekannte Menschen, die psychische Erkrankungen über die Medien thematisieren, helfen, eine Stigmatisierung der betroffenen Menschen zu verhindern. Gut so. Denn wenn man sich die Zahlen zur psychischen Gesundheit in den Unternehmen anschaut, wird klar: Wir müssen reden.

Laut dem diesjährigen Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse bildeten psychische Störungen auch im Jahr 2020 die bedeutsamste Erkrankungsgruppe im Hinblick auf die Fehlzeiten. Im Jahr 2006 waren sie für etwa 1,4 Fehltage pro Person verantwortlich. Von 2006 bis 2020 sind Fehlzeiten unter diesen Diagnosen bei Erwerbspersonen um insgesamt 109 Prozent gestiegen.

Natürlich haben die gesteigerte Aufmerksamkeit und Enttabuisierung auch dazu geführt, dass diese verstärkt untersucht und diagnostiziert wurden. Dennoch wird niemand bestreiten, dass Globalisierung, Digitalisierung und die sogenannte Vuca-Welt insgesamt zu mehr Stress am Arbeitsplatz und den damit verbundenen gesundheitlichen Folgen führen.

Neben der seit 2013 gesetzlich verankerten Pflicht für Unternehmen, Gefährdungsbeurteilungen zur psychischen Gesundheit zu erstellen, beschäftigen sich immer mehr Unternehmen mit Programmen und Maßnahmen, um die mentale Gesundheit ihrer Mitarbeitenden zu unterstützen. Werden die Ursachen für dauerhaften Stress jedoch nicht aufgelöst, bringen solche Angebote leider nicht den gewünschten Effekt. Um die Ursachen zu identifizieren, lohnt immer ein Blick auf alle Faktoren, die Stress verursachen. Die reichen von der Arbeitszeit bis zum Zeitdruck und sind immer eine Mischung aus individuellen und organisatorischen Faktoren.

Kontinuierliche und sensible Kommunikation gefragt

Aber wie nähert man sich dem Thema im eigenen Unternehmen und wie kann die Interne Kommunikation den Prozess unterstützen? Hier ist eine enge Vernetzung zwischen Human Resources (HR) und der Kommunikation enorm wichtig. Auch wenn es bereits ein betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) in Ihrem Unternehmen gibt, das sich dem Thema nähert, ist die kontinuierliche und sensible Kommunikation zu Aspekten der mentalen Gesundheit ein wichtiger Erfolgsfaktor. Fragen Sie sich:

  • Wo sind die Belange mentaler Gesundheit organisatorisch verankert?
  • Welche Informationen zu Stressoren im Unternehmen liegen vor?
  • Wie offen wird das Thema angesprochen?
  • Hat es die nötige Aufmerksamkeit in der Geschäftsführung?
  • Inwieweit tauchen die Themen Gesundheit respektive psychische Gesundheit in der Kommunikation auf?
  • Wie schätzen Sie die Bereitschaft der Kolleg*innen ein, sich mit psychischen Gesundheitsthemen an Führungskräfte, HR oder den Betriebsrat zu wenden?
  • Welches Vorbild geben Geschäftsführung und Führungskräfte im Umgang mit psychischen Gesundheitsthemen (Selbstfürsorge, Erreichbarkeit, Pausen et cetera) ab?

Über Mitarbeiterbefragungen lässt sich feststellen – immer in Absprache mit HR und dem Betriebsrat –, wo die größten Stressquellen liegen und wie hoch oder niedrig der Motivationslevel der Beschäftigten ist.

2016 wurden im Rahmen eines Forschungsprojekts der Initiative Gesundheit und Arbeit die wichtigsten gesundheitsgefährdenden Bedingungen identifiziert. Die Liste kann ein guter Anhaltspunkt für eine Analyse oder Befragung sein. Die Ergebnisse werden Handlungsfelder offenbaren, die im Bereich der Organisationsentwicklung liegen. Diese lassen sich nicht im Handumdrehen lösen, sondern brauchen den Willen und die Unterstützung der Geschäftsführung. Um die von der Wichtigkeit des Themas zu überzeugen, helfen in der Regel belastbare Zahlen. Wissenschaftliche Kosten-Nutzen-Analysen belegen, dass sich betriebliches Gesundheitsmanagement lohnt.

Aufklärung und konkrete Hilfsangebote

Eine Kampagne, die das Thema ins Bewusstsein der Mitarbeitenden bringt, kann parallel über alle Kanäle entwickelt werden und mit Aufklärung beginnen. Warum und ab wann ist Stress schädlich? Wie erkenne ich psychische Probleme? An wen kann ich mich wenden?

Immer mehr Unternehmen in Deutschland folgen einem Trend aus Australien, indem sie „Mental Health First Aiders“ (MHFA) ausbilden. Die mentalen Ersthelfer eignen sich in einem 12-stündigen Kurs Grundwissen über verschiedene psychische Probleme und Krisen an. So sollen sie Probleme rechtzeitig erkennen, Zugang zu Betroffenen finden und diese dabei unterstützen, ihre Krise zu bewältigen. In den angelsächsischen Ländern ist dieser Trend längst Standard. Bei PepsiCo in Großbritannien beispielsweise haben alle Führungskräfte eine MHFA-Ausbildung. PepsiCo DACH startet in Deutschland die ersten Kurse mit dem Ziel, 20 Prozent der Mitarbeitenden entsprechend auszubilden.

Bei allen Hilfsangeboten ist die Suche nach den Ursachen für unnötigen Stress im Arbeitsalltag eine wichtige Aufgabe für Unternehmen. Starre Hierarchien, keine Möglichkeiten zur Partizipation, Flaschenhälse bei Entscheidungen und damit verbundene Überlastungen sind nur einige Schwachstellen in der Organisation, die zu weit mehr führen können als zu schlechten Ergebnissen.