Wer die Pressemitteilung zum neuen iPhone schreiben darf, braucht sich um genügend Resonanz keine Sorgen zu machen. Aber wie sieht es mit all den Kompressor-, Druckluft-, Tunnelbaumaschinen- und Heizmessgeräteproduzenten aus? So manches Produkt ist erklärungsbedürftig. Die Zielgruppen sind speziell und meist B2B. Die Aufmerksamkeit einer breiten Öffentlichkeit ist nicht sicher. Was sollen Hidden Champions machen?
Erfunden hat diesen Begriff der deutsche Unternehmensberater Hermann Simon 1990. Für ihn müssen folgende Aspekte erfüllt sein, damit ein Hidden Champion als solcher gilt: Das Unternehmen ist in der Branche die Nummer 1, 2 oder 3 auf dem Weltmarkt oder die Nummer 1 auf dem Heimatkontinent. Der Jahresumsatz liegt in der Regel unter drei Milliarden Euro. In der Öffentlichkeit ist das Unternehmen kaum bekannt. Es ist meist inhabergeführt, nicht börsennotiert und bedient einen Nischenmarkt. Schätzungen gehen davon aus, dass es rund 1.300 Hidden Champions in Deutschland gibt.
Ein Beispiel für einen Hidden Champion ist Qundis aus Erfurt, die wir bei PIO seit 2016 betreuen. Das Unternehmen produziert seit mehr als 30 Jahren Messgeräte zur Verbrauchsdatenerfassung von Wasser und Wärme sowie dazu passende Lösungen. Innerhalb ihrer Branche sind sie Marktführer und erwirtschaften mit ihren 300 Mitarbeiter*innen inzwischen rund 100 Millionen Euro Umsatz jährlich.
Kommunikation sollte ein klares Ziel haben. Aber in der Praxis sind Unternehmen und deren Agenturen oft handlungsgetrieben. Man möchte „in die Medien kommen“. Oder cool auf Social Media unterwegs sein. Tatsächlich sollten Kommunikatoren aber erst einmal drei Schritte zurückgehen und sich die Frage stellen: Was will ich eigentlich erreichen? Auf diese Frage gibt es auch bei Hidden Champions nicht nur eine, sondern dutzende Antworten. Zwei Beispiele: Die Tunnelbohrer von Herrenknecht kommen in Bauprojekten zum Einsatz. Hier ist es mitunter das oberste Ziel, die Stakeholder der Baufirma über Fortschritte zu informieren und die Anwohner*innen über Einschränkungen aufzuklären. Oder eben unser Kunde Qundis: Das Unternehmen hat sich ständig neu erfunden und bietet neben Messgeräten auch die passenden Softwarelösungen und Beratung an, um die Digitalisierung der Verbrauchsdatenerfassung voranzutreiben. Für uns als Agentur ist es also das oberste Ziel, diesen Wandel zu kommunizieren: Qundis ist der Innovator im Markt, bietet von Software über Hardware alles aus einer Hand und ist nicht nur Produktanbieter. Darauf richten wir die gesamte Kommunikation aus.
Social Media entdecken
Vor allem im B2B-Bereich blickte man lange mit Skepsis auf das Gebiet Social Media. Denn warum sollte man zum Beispiel als Hersteller technischer Bürsten auf Facebook und Instagram aktiv sein?
Lange Zeit dominierte Facebook die sozialen Netzwerke und war für Business-Themen schwer zugänglich. Inzwischen bieten zwei Plattformen handfeste Argumente dafür, dass auch Hidden Champions das Thema Social Media nicht mehr vernachlässigen sollten: Linkedin und Xing. Knapp 700 Millionen Nutzer*innen weltweit sind auf Linkedin aktiv. Bei CEOs und Entscheidungsträger*innen ist es längst das beliebteste Netzwerk. Das Umfeld – und das gilt auch noch für Xing als Mittelstandsplattform – ist gerade für Hidden Champions sehr attraktiv, da die Verbindung direkt zu den Endabnehmern im B2B möglich wird, statt durch Zwischenhändler gefiltert zu werden. Darum ist es ratsam, Themen über neue Produkte, Softwarelösungen und Unternehmensnews dort zu verbreiten, weil es ohnehin alle tun und sich der bis dato unbekannte Champion einfach in den Feed der Zielkunden einreiht.
In einem Bereich liegen Hidden Champions mit anderen Mittelständlern (leider) gleichauf: Ihnen fehlt oft Personal. Das liegt unter anderem an der geringen Bekanntheit. Viele hätten gerne einen Dax-Konzern wie Volkswagen, Deutsche Telekom oder Adidas im Lebenslauf stehen. Deren Prestigewirkung ist oft größer als zum Beispiel die eines Prothesenherstellers wie Otto Bock, eines Landmaschinenproduzenten wie Grimme oder eines Kältespezialisten wie Bitzer. Darum müssen die Firmen unbedingt in ihre Attraktivität investieren und aktiv, bisweilen sogar aggressiv kommunizieren.
Da sie zugleich ihren Stammsitz oft in ländlichen Regionen und nicht in den Metropolen haben, kommen weitere Anforderungen hinzu. Diese Regionen haben ohnehin mit hohen Abwanderungsquoten bei jüngeren Menschen zu kämpfen. Dementsprechend ist es umso schwieriger, geeignete Fachkräfte zu finden. Wer sich also langfristig am Arbeitsmarkt durchsetzen möchte, muss als Arbeitgeber sichtbar werden. Oft haben die Hidden Champions nämlich auch Hidden Features: Möglichkeiten für Homeoffice und standortübergreifendes Arbeiten zum Beispiel, aber auch Weiterbildungsangebote und attraktive Aufstiegschancen. Da Standortfragen dank der Digitalisierung an Relevanz verlieren, sollten Hidden Champions deshalb dort kommunizieren, wo zunehmend auch Jobs gesucht und gefunden werden: online.
Für Hidden Champions gibt es in der Kommunikation zwei Basics, die einfach stehen müssen. Dazu gehören ein sauber gepflegter Kanal auf Xing und Linkedin und zum zweiten eine saubere Markenbildung nach innen wie außen. In ihren eigenen Kanälen und über die Social Media haben Unternehmen die Möglichkeit, ihre ganz eigenen Geschichten zu erzählen. Warum nicht einfach die neuen Azubis im Betrieb vorstellen und sie bei der Ausbildung begleiten? Das weckt Neugier bei potenziellen Kandidatinnen und Kandidaten.
Als Ergänzung zu Social empfehlen wir einen Unternehmensblog. Warum? Als Kommunikationsagentur erleben wir bei Hidden Champions und Mittelständlern einige Skepsis in Bezug auf Blogs. „Macht das nicht jeder?“ Und ja, es mag stimmen: Viele Unternehmen haben ihren eigenen Blog. Das hat einen Grund. Der Vorteil eines Blogs ist es, dass man sowohl potenzielle Kund*innen als auch Bewerber*innen auf die eigene Unternehmensseite lenken kann. Die Customer oder Employee Journey beginnt meist auf einem Social-Media-Kanal. Ohne Blog oder Verlinkung zur Website endet die Journey dann aber bei Xing oder Linkedin und nicht direkt beim (Hidden) Champion. Ein weiterer Vorteil eines Blogs: Mit einer durchdachten SEO-Strategie lassen sich Keywords platzieren, womit ein Unternehmen das Ranking auch in Suchmaschinen deutlich verbessern kann. Und wenn es nicht Social Media ist, dann entdecken Menschen Unternehmen in unserer digitalisierten Welt nun einmal oft über die Suche im Web.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe #HiddenChampions. Das Heft können Sie hier bestellen.