Was ist Kommunikation wert?

Unternehmenskommunikation

Ich kenne hochbezahlte CMOs, die weder das Attribut „Chief“ noch „Marketing“ verdienen. Solche fragwürdigen Personalbesetzungen sind indes symptomatisch für den Zustand einer Disziplin, die in Zeiten der Digitalökonomie maßlos unterbewertet wird: der Kommunikation. 

Kommunikation ist essenziell, wird aber belächelt 

Ja, es gibt Organisationen mit brillanten Marketing- und PR-Abteilungen. Insgesamt aber lässt sich der Zustand der Kommunikation eher als durchwachsen bezeichnen. Kein Wunder eigentlich, schließlich betrachten viele Unternehmen Kommunikation eher als Anhängsel des Vertriebs denn als strategische Säule. Traditionelle Macher belächeln sie, weil sie der Meinung sind, der Impact der Kommunikation ließe sich nur schwer bemessen, eine Kosten-Nutzen-Rechnung deshalb so gut wie nicht aufstellen. Dabei dürfte jedem klar sein, dass ein Unternehmen, das niemand kennt, auch nichts verkaufen kann – und ohne zielgerichtete Kommunikation gibt es eben keinen Bekanntheitsgrad. Im Prinzip aber haben die Kritiker nicht einmal unrecht, denn unsere ganze Branche vermisst empirische Belege für den Erfolg ihre Arbeit, von abgegrenzten Kampagnen einmal abgesehen. Diese diffuse Wahrnehmung mag der Grund dafür sein, warum Chefetagen viele Kommunikationsabteilungen unter Wert besetzen und nicht selten in die Hände kommunikationsferner Akteure legen, die dann nicht die erwarteten Ergebnisse liefern. Ein Teufelskreis. 

Manager geraten ins Stottern, wenn sie USPs aufzählen sollen 

Anhängsel oder nicht, in der Kommunikation kann man viel falsch machen – und es wird immer noch viel falsch gemacht. Ein verbreiteter Fehler besteht darin, keine klaren Botschaften festgelegt zu haben. Regelmäßig sehen wir in unseren Medientrainings Geschäftsführer oder EMEA-Direktoren, die kaum in der Lage sind, die USPs ihres Unternehmens zu erläutern, ohne ins Stottern zu geraten. Sie haben sich nie wirklich damit auseinandergesetzt, und oft gibt es auch keine USP-Übersicht, die sie konsultieren könnten. Klar ist ein solches Defizit der Kommunikationsabteilung anzulasten. Die Laissez-faire-Haltung hat ihren Ursprung aber meistens in der Chefetage. Genauso ist sie in die Verantwortung zu nehmen, wenn sie wertlose, weil verwässerte Botschaften zulässt oder sogar selbst durchsetzt. Beispiele? „Unsere Lösungen machen Unternehmen wettbewerbsfähig“ oder, noch absurder: „Unsere Lösungen machen die Welt besser.“ 

Werbung macht alle PR-Anstrengungen über Nacht platt 

Im Idealfall ziehen die unterschiedlichen Bereiche der Kommunikation an einem Strang; ohne definierte Ziele verpuffen diese Synergieeffekte aber – schlimmer noch, die Teams arbeiten gegeneinander. So hat ein Großgewicht der IT-Branche beschlossen, sich langfristig auf B2B-Märkte zu konzentrieren. Dieses Ziel hat die lokale PR-Abteilung aufgegriffen. Die mit dutzendfach üppigeren Budgets ausgestattete Werbung aber war, aus welchen Gründen auch immer, anderer Meinung: Mit einer einzigen, an Konsumenten gerichteten Mega-Kampagne in großen Publikumsmedien hat sie die langfristigen B2B-Anstregungen der PR über Nacht platt gemacht. Alle Projekte, alle Planung umsonst. 

Ohne Planung plätschert Kommunikation nur so dahin 

Mit der Festlegung der Kommunikationsziele kommt auch die langfristige Planung aller Maßnahmen. Sie muss so viele Variablen – Inhalte, Zielgruppen, Kanäle, Formate, Zeitpunkt, Tonalität, Budgets oder Personalressourcenunter einen Hut bringen, dass sie nicht selten zur mentalen Herausforderung wird. Das – und der mühselige Aktualisierungsaufwandsollte aber keine Entschuldigung dafür sein, sie zu vernachlässigen, und doch passiert genau das in vielen Unternehmen. Vieles wird ad hoc aufgegriffen oder geschieht im Takt externer Trigger. Dann plätschert sie so dahin und vernachlässig nicht nur ihre Ziele, sondern ignoriert auch Aspekte wie Meinungsführerschaft, Imageaufbau und Markenbildung. Das ist der nüchterne Alltag in vielen Unternehmen. 

Dann kam der Whistleblower – mit verheerenden Folgen  

Krisenkommunikation ist übrigens das Paradebeispiel für Planungsnotwendigkeit. Wer eine Krise nicht antizipiert, organisiert und durchprobt, und im Fall der Fälle nicht genau nach Plan vorgeht, hat ein ernsthaftes Problem. „Eine Krise passiert uns nicht“? Denkste. So wurde ein Softwarehersteller völlig unvermittelt von einem schweren Hackerangriff überrascht. Der Vorstand war der Meinung, die Cyberattacke unter den Teppich kehren zu könnenentgegen aller eindringlichen Warnungen. Mit einem Whistleblower hat aber niemand gerechnet, und so kam die ganze Sache am Ende doch ans Licht. Die Medien haben sie breitgetreten, mit verheerenden Folgen 

Kommunikation darf nicht mehr an den Katzentisch  

Was ist Unternehmen ihre Kommunikation eigentlich wert? Als primus inter pares steht die Produktentwicklung nach wie vor ganz oben auf dem Podest. Der Vertrieb, als Geldverdiener verehrt, steht ebenso hoch im Kurs. Und ohne Verwaltung, dem Klebstoff jeder Organisation, funktioniert sowieso nichts. Für die Kommunikation ist dann eben kein Platz mehr auf dem Siegertreppchen, und so wird sie auch behandelt. 

Aber diese Wahrnehmung ist von gestern. Früher wäre es egal gewesen, aber Märkte haben sich radikal verändert, und die Digitalökonomie wird mehr denn je von Lifestyle und Emotion geprägt: beides kann kein Produkt und kein Vertriebler liefern. Nur starke Marken werden in Zukunft für ausreichend Sichtbarkeit sorgen. In einer despektierlich betrachteten Disziplin kann sie aber nicht heranwachsen. Was also tun? 

Führungskräfte müssen erkennen, dass Kommunikation eine strategische Rolle spielt und den Markterfolg maßgeblich mitgestalten kann. Sie darf nicht weiter an den Katzentisch verbannt werden, sondern muss frühestmöglich und gleichberechtigt mitdiskutieren können, vielleicht sogar noch bevor ein Produkt entsteht. Dann kann sie ihr Potenzial entfalten und den richtigen Nährboden für den Markenaufbau schaffen. 

Und wer soll bei der Aufwertung der Kommunikation den Platz auf dem Podest frei machen? Vielleicht muss man sich diese Frage gar nicht stellen, wenn man einfach nur von einem vierstufigen Siegertreppchen ausgeht. 

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