295 Millionen Euro für Corona-Kommunikation

Bundesregierung

Der Bundesregierung standen „für die Informations- und Aufklärungsarbeit zur Bekämpfung des Coronavirus und für die Corona-Schutzimpfung“ im Haushaltsjahr 2021 Mittel in Höhe von 295 Millionen Euro zur Verfügung. Das teilte das Bundesgesundheitsministerium auf eine KOM-Anfrage mit. Der Großteil des Budgets – das Ministerium schätzt 90 bis 95 Prozent – sei in die Kommunikation zur Corona-Schutzimpfung geflossen. Weitere Themen seien zum Beispiel Tests, Reise-Regeln und die Delta-Variante des Virus gewesen. Der Etat deckt auch den unter 116117 erreichbaren Telefonservice mit Aufwendungen von circa 119 Millionen Euro sowie das für die Social-Media-Kommunikation zuständige digitale Lagezentrum mit ab.

Das Ministerium erklärte zusätzlich, wie sich die Media Spendings auf die einzelnen Werbekanäle verteilen. Fraktion und Abgeordnete der Linken hatten dazu im Dezember 2021 eine kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt. Etwa 64 Millionen von insgesamt rund 145 Millionen Euro wurden für Print-Anzeigen vorwiegend in regionalen und überregionalen Tageszeitungen ausgegeben. Weitere knapp 46 Millionen Euro für „Maßnahmen im öffentlichen Raum“ wie Plakate und digitale Screens. Mit etwa 15,8 Millionen Euro beziehungsweise 12,2 Millionen Euro schlagen TV- und Radio-Spots zu Buche. In Online-Werbung beispielsweise in Form von Web-Bannern flossen rund 2,9 Millionen Euro. Weitere 3,6 Millionen Euro kostete das Advertising in Social Media.

Insgesamt setzt die Bundesregierung in ihrer Kommunikation stark auf klassische und weniger auf digitale Werbekanäle – offenbar in der Annahme, so vor allem ältere Menschen als wichtige Zielgruppe effektiver erreichen zu können.

Die Werbeausgaben verteilen sich ungleich über das Jahr. Es gab Flights. Besonders hoch waren die Aufwendungen zu Beginn der Impfungen Anfang 2021, als der Launch der Kampagne „Deutschland krempelt die #ÄrmelHoch“ erfolgte. Im April und Mai 2021 waren die Ausgaben deutlich höher als in den Sommermonaten Juni und Juli, als endlich genug Impfstoff für alle zur Verfügung stand. Auch im August und September wurde reichlich Geld für Werbung ausgegeben. Im Oktober – möglicherweise aufgrund des absehbaren Wechsels an der Ministeriumsspitze nach der Bundestagswahl – wurden die Aktivitäten trotz des Rückgangs der Impfzahlen fast komplett runtergefahren. „Um der nachlassenden Impfbereitschaft entgegenzuwirken, wurde die Impfkommunikation im November 2021 nochmals verstärkt und mit konkretisierter Zielgruppenansprache auf die Gruppen mit erkannten Impfdefiziten (Zögerliche) und auf die Auffrischungsimpfung konzentriert“, antwortet das Ministerium.

Höhere Ausgaben seit Booster-Kampagne

Mit der von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ausgerufenen Booster-Offensive erhöhten sich im Dezember die Werbeausgaben deutlich: auf mehr als 27 Millionen Euro allein in diesem Monat. „Im Fokus sollen auch in den nächsten Wochen weiterhin die Auffrischungsimpfung und die Gruppen bleiben, die bereits seit November 2021 angesprochen werden“, so das Ministerium. Aktuell kämen keine Plakate, sondern ausschließlich digitale Medien in der Außenwerbung zum Einsatz, „um die ausgespielten Botschaften schnellstmöglich wechseln zu können“. „Jetzt boostern lassen“ heißt es zurzeit in ganz Deutschland.

Wenig auskunftsfreudig zeigte sich das Bundesgesundheitsministerium bei der Frage, wie es den Erfolg der Kampagne bewertet. Es stellte allerdings einige Zahlen zur Verfügung: Auf den Social-Media-Kanälen des Bundesgesundheitsministeriums seien insgesamt mehr als 1,8 Milliarden Impressionen erzielt worden. Jede Person in Deutschland sei im Durchschnitt 23 Mal erreicht worden. Mehr als 1.000 Videos, Animationen und Sharepics wurden verbreitet.

Die Kommunikation der politischen Entscheidungsträger bewerten zahlreiche Medien und Kommunikationsfachleute als zentrales Defizit während der Coronakrise. Auch der Expertenrat der Bundesregierung zur wissenschaftlichen Begleitung der Covid-19-Pandemie scheint mit der Kommunikation nicht zufrieden zu sein. In der Stellungnahme des Rats vom 19. Dezember steht folgender Satz: „Eine umfassende Kommunikationsstrategie mit nachvollziehbaren Erklärungen der neuen Risikosituation und der daraus folgenden Maßnahmen ist essentiell.“ Offenbar kann der Rat eine Strategie bisher nicht erkennen.

In dem 19-köpfigen Gremium ist mit Ausnahme von Cornelia Betsch, Psychologin und Professorin für Gesundheitskommunikation an der Universität Erfurt, Kommunikationsexpertise hauptsächlich dadurch vorhanden, dass die Expertinnen und Experten seit rund zwei Jahren eine Vielzahl von Medienauftritten absolvieren. Ein Gefühl dafür, dass die Kommunikation verbesserungswürdig ist, darf man dem Kreis der 19 durchaus attestieren.

Etwas hat sich allerdings verändert. Seit Mitte Dezember ist Karl Lauterbach als Gesundheitsminister im Amt. Niemand kommuniziert mehr. Müsste man seine 40 Talkshowauftritte 2021, alle TV- und Print-Interviews und unzähligen Tweets als Werbeausgaben verbuchen, wäre das sicher unbezahlbar.

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