Vorsicht, Denkfallen!

Erfahrung versus Expertise

Mit steigender Berufserfahrung nimmt in der Regel der Umfang an Entscheidungsbefugnissen zu. Doch die einfache Gleichung, mehr Erfahrung = bessere Entscheidungen trifft nicht zu. Vielmehr kann durch Erfahrung das Risiko ansteigen, in Denkfallen zu geraten, die die Qualität von Entscheidungen mindern. So nimmt beispielsweise mit der Erfahrung das Vertrauen in die eigenen Entscheidungen zu. Die Folge ist, dass schneller entschieden wird, verfügbare Informationen eher ignoriert und weniger Vorkehrungen gegen die Folgen von Fehlentscheidungen getroffen werden.

Erfahrung als Stolperfalle

Erstaunlich viele Projekte werden nicht termingerecht fertig. Dies betrifft nicht nur Großprojekte wie den Bau von Militärtransportern. Planungsfehler treten auch bei Projekten auf, die in ähnlicher Form bereits mehrfach realisiert wurden. Bei solchen Projekten sollte es eigentlich zu keinen Verzögerungen oder Überstunden kommen, um Termine einzuhalten. Doch weit gefehlt. Der Aufwand wird häufig deutlich unterschätzt. Weshalb? Ein Teil der Gründe liegt beim jeweiligen Unternehmen und dem Vorgehen bei der Projektplanung. Aber es gibt auch psychologische Gründe. Der erste ist, zu glauben, dass durch die gemachte Erfahrung ein ähnliches Projekt beim nächsten Mal deutlich schneller realisiert werden kann. Diese Einschätzung ist leider falsch. Die beste Schätzung ist, dass es genauso lange wie beim letzten Mal dauern wird.  Der zweite Grund ist, dass bei der Planung meist nur die zu leistende Arbeit zur Erreichung der Projektziele eingeplant wird. Die Dauer eines Projekts ist aber nicht nur durch diese Arbeit bestimmt. Kommunikation und Koordination erzeugen erhebliche Aufwände. Und dann kommen unvorhersehbare Ereignisse dazwischen. Doch die meisten dieser vermeintlich unvorhersehbaren Ereignisse sind zu erwarten. So ist beispielsweise die Erkrankung von Mitarbeitern vorhersehbar. Eine Liste der unvorhersehbaren Ereignisse aus den letzten Projekten bietet einen sehr guten Anhaltspunkt.

Nur Expertise schützt gegen Denkfallen

Viele glauben, dass durch mehr Erfahrung mehr Wissen und mehr Kompetenz erworben wird. Das muss nicht unbedingt der Fall sein. Wenn eine Person immer das gleiche Wissen und Vorgehen einsetzt, dann wird die Person nur routinierter aber nicht zum Experten. Um Experte zu werden und zu bleiben, sind zwei Dinge wichtig: (1) verschiedene Dinge bewusst auszuprobieren und (2) von den Ergebnissen gezielt zu lernen. Nehmen sie zum Beispiel den Einsatz von Kommunikationsmedien. Die meisten Unternehmen haben sich angewöhnt, diese in einer bestimmten Art und Weise zu nutzen. Das Vorgehen hat sich aus Sicht der Verantwortlichen in der Praxis bewährt. Heißt das, dass diese Personen Experten sind? Nicht unbedingt. Dass das übliche Vorgehen gut funktioniert, bedeutet nicht, dass das Vorgehen optimal ist. Die große Stärke von Unternehmen ist es, gezielt neue Ideen zu entwickeln und diese auszuprobieren. Dadurch lernt das Unternehmen, wer wie am besten angesprochen wird. Aber man braucht kein Großunternehmen sein, um zu lernen, wie man andere Personen in seinen Bann zieht. Herausragende Musiker können das ganz allein mit ihrem Instrument. Diese Personen suchen sich gezielt die kritische Rückmeldung anderer hervorragender Musiker und Produzenten. Sie experimentieren, wie sie ein Stück anders, neu und damit interessanter spielen könnten. So setzen sie sich der Gefahr des Scheiterns aus, lernen aber geleichzeitig, was sie erfolgreich macht und wo ihre Grenzen liegen.    

Wissen alleine schützt nicht

Denkfallen beim Entscheiden sind eine Folge davon, wie wir wahrnehmen, denken, lernen und fühlen. Wir sind uns dieser Prozesse meist nicht bewusst. Darum erkennen wir oft nicht, wann wir uns selbst in eine Denkfalle hineinmanövrieren. Was glauben Sie, wie gut Sie in ihrem Job sind? Studien zeigen, dass sich fast alle als durchschnittlich bis überdurchschnittlich einschätzen, obwohl dies statistisch unmöglich ist. Welchen Einfluss haben Sie auf Ihre Arbeitsergebnisse? Die meisten gehen davon aus, dass sie eine hohe Kontrolle haben, was aber selten zutrifft. Hat Ihre Erfahrung Sie zum Experten gemacht? Dann fragen Sie sich bitte, wann Sie zum letzten Mal bewusst Neues dazugelernt haben. Um Denkfallen zu vermeiden, müssen wir uns selbst und unser Tun immer wieder in Frage stellen.

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