Schaut einfach im Fernsehen, ob ich noch lebe …

Am 12. August erhielten wir die ersten Meldungen über starke Regenfälle aus dem Erzgebirge. Am Abend wurden wir von der Feuerwehrleitung unterrichtet, dass wir Katastrophenalarm auslösen sollten. Auf eine solche Situation sind wir de facto wirklich nicht vorbereitet gewesen. Als die Pegel immer weiter stiegen und das Hochwasser immer näher kam, war an eine Pause nicht mehr zu denken. Informationen mussten gesammelt, Pressekonferenzen und Pressemitteilungen vorbereitet werden. In den ersten 48 Stunden kamen wir kaum zum Nachdenken, wir arbeiteten praktisch durch. Aber auch die Medienvertreter hatten mit  Schwierigkeiten zu kämpfen.

Evakuierte Redaktionen

Viele Redaktionen waren selbst vom Hochwasser betroffen und mussten evakuiert werden oder waren zumindest von einer Evakierung bedroht. Stündlich erreichten uns neue Informationen zu Pegelständen, Unterspülungen und Evakuierungen, die wir noch in der Nacht an die Medien weitergaben. In der Pressestelle war, wie in vielen anderen Stadtteilen, der Strom ausgefallen. Bis die Notaggregate angeschlossen waren, funktionierten nur unsere Telefone. Eine Kollegin hatte mit Teelichtern den Weg zur Toilette ausgeleuchtet, damit niemand stürzte oder sich verletzte.

In einer Situation, die einen 14 Tage reine Krisenkommunikation betreiben lässt, kommt es natürlich auch zu sehr merkwürdigen Vorfällen. Eine Pressekonferenz beispielsweise wird mir immer in Erinnerung bleiben. Wir saßen im Rathaus mit Blick in Richtung Hauptbahnhof und konnten beobachten, wie die Wassermassen auf den Straßen näher kamen. Die Journalisten, die mit dem Rücken zum Geschehen saßen, waren überrascht, als der Chef der Feuerwehr unvermittelt aufstand und erklärte, dass er sofort zum  Krisenstab aufbrechen müsse, da das Wasser nun so nah sei.

Sammeln in Malaga

Überraschend waren auch das Interesse und die Präsenz der internationalen Medien. Die Schweizer beispielsweise waren von Beginn an mit einer erheblichen Zahl von Medienvertretern vor Ort. Polnische und tschechische Medien beobachteten, wie wir mit der Situation umgingen, da ihre Länder selbst stark betroffen waren. Selbst japanische Kamerateams interessierten sich für die Auswirkungen des Elbehochwassers. Dabei zeichneten viele ein Bild vom Hochwasser, als würde bei uns die Welt untergehen. Der Radiomoderator eines deutschsprachigen Senders in Malaga rief nach unserem Interview seine Hörer zu Sachspenden für die Dresdner Bürger auf. Ein Lkw sollte am folgenden Tag in Malaga bereitstehen, um alle Spenden nach Deutschland zu transportieren. Ich konnte den Sender jedoch im Anschluss noch überzeugen, diese Sammelaktion abzublasen, da sie übertrieben gewesen wäre. Viele Menschen machten sich natürlich Sorgen um Verwandte und Freunde. Ich riet daher meinen Eltern, den Fernsehsender Mitteldeutscher Rundfunk einzuschalten. Solange sie mich da sehen würden, konnten sie sicher sein, dass es mir gut ging. Ich selbst wohnte damals allerdings in einem Stadtteil, der vom Hochwasser überhaupt nicht betroffen war. Als ich nach 60 Stunden das erste Mal nach Hause kam, ging dort das Leben ganz normal seinen Gang – eine wirklich surreale Situation. (Protokolliert von Judith Schuldreich)

Dieser Beitrag erschien 2008 im pressesprecher. Was war Ihr größtes Erlebnis während Ihrer Karriere? Sagen Sie’s uns und vielleicht steht dann beim nächsten Mal Ihre Geschichte hier, wenn es wieder heißt “Wie war das eigentlich damals … ?”.

 

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