Richard Gutjahr rechnet mit BR-Intendant ab

Keine Solidarität mit Mitarbeitern

Der Journalist Richard Gutjahr, ehemaliger Mitarbeiter des Bayerischen Rundfunks, rechnet in einem offenen Brief mit Ulrich Wilhelm, dem Intendanten des Senders, ab. Er habe Wilhelm schon vor drei Jahren in einem Brief um Hilfe im Kampf gegen Neonazis, Reichsbürger und Verschwörungstheoretiker gebeten, „die meine Familie und mich bis zum heutigen Tag terrorisieren“ – nahezu erfolglos.

Die Drohungen richteten sich nicht gegen Gutjahr als Privatperson, sondern „gegen Richard Gutjahr, den ARD-Mitarbeiter und Abgesandten des ‚Staatsfunks‘.“ Gutjahr, der als sogenannter „fester Freier“ beim BR arbeitete, habe um finanzielle Unterstützung gebeten. Die Gerichtskosten drohten ihm über den Kopf zu wachsen.

Erst als er sich an den Ombudsmann und den Rundfunkratsvorsitzenden des BR wandte, „ließen Sie mir finanzielle Beihilfe zukommen, eine einmalige Zahlung, weniger als ein Monatsgehalt“, schreibt er an Wilhelm. Künftig solle sich Gutjahr allerdings mit seinen Problemen an den Deutschen Journalistenverband (DJV) wenden. In einer – laut dem DJV-Bundesvorsitzenden Frank Überall „reflexhaften und völlig unangemessenen“ – Stellungnahme auf Twitter kritisiert der Bayerische Rundfunk zwar den Hass, der Gutjahr im Netz entgegenschlägt, bestreitet allerdings die Vorwürfe Gutjahrs.

Gutjahr bezichtigt Wilhelm der Lüge

„Die Verschwörungstheorien sind absurd, die Drohungen Herrn Gutjahr gegenüber erschütternd“, erklärt der BR. Weiter heißt es: „Herr Gutjahr erhielt finanzielle Unterstützung auch im Hinblick auf ihm entstandene Prozesskosten.“ Damit unterstreicht der BR die Aussage, die Intendant Ulrich Wilhelm während der nicht-öffentlichen Sitzungen des Rundfunkrats gemacht haben soll. An diesen habe sich Gutjahr gewandt, nachdem spätere Versuche, Kontakt mit Wilhelm aufzunehmen, ohne Erfolg blieben. „Man habe meine ‚Prozesskosten beglichen‘, soll da behauptet worden sein (eine entsprechende Aussage ist auch im Sitzungs-Protokoll schriftlich festgehalten).“ Gutjahr bezichtigt Wilhelm der Lüge. Tatsächlich habe „meine private Rechtsschutzversicherung, die mir nach einem Jahr kündigte“, die Kosten beglichen.

Der BR wiederum wirft dem ehemaligen Mitarbeiter vor, Unwahrheiten zu verbreiten. „Die wiederkehrende öffentliche Kritik von Richard Gutjahr enthält keine neuen Aspekte und ist im Kern nicht zutreffend. Der BR weist insbesondere den Vorwurf der Lüge und Täuschung durch den Intendanten strikt zurück.“

BR sei Schuld am rechten Terror gegen Gutjahr

Dass sich Gutjahr Hass und rechtem Terror ausgesetzt sieht, sei Schuld des Bayerischen Rundfunks, hatte der Journalist erklärt. Der Sender habe Rohmaterial des Reporters des Nizza-Anschlags auf Youtube, Facebook und Twitter verbreitet, „und damit den weltweiten Shitstorm überhaupt erst ins Rollen gebracht.“ Gutjahr habe in der Nacht des Anschlags „ohne Unterbrechung für den BR, das ARD-Nacht-, Morgen- und Mittagsmagazin, sowie für sämtliche ARD-Hörfunk- und TV-Sender aus Nizza berichtet.“ Eine Woche später berichtete der Reporter live vom Anschlag auf das Münchner Olympia-Einkaufszentrum.

Seit dem 1. Januar arbeitet Gutjahr nicht mehr für den BR. Ein Angebot des Senders auf „eine Weiterbeschäftigung in einem interessanten, auf seinen Themenbereich zugeschnittenen Bereich“, lehnte er laut BR ab.

Gutjahr sei sich bewusst, dass er durch die Veröffentlichung seines Briefes viel riskiere und sich angreifbar mache. Im Vorwort fordert er eine gemeinsame Strategie. „Wenn wir nicht endlich lernen, eine gemeinsame Stimme in Bezug auf Hass und Hetze gegen Journalisten und Politiker zu finden und weiterhin versuchen, eigene Versäumnisse unter den Teppich zu kehren, dürfen wir uns nicht wundern, dass unsere Gegner uns immer zwei Schritte voraus sind. Das ist kein Spiel mehr. Womit wir es hier zu tun haben, ist todernst.“

Tom Buhrow distanziert sich in der „Umweltsau“-Debatte von seiner Redaktion

Neben dem BR-Intendanten Ulrich Wilhelm steht auch Tom Buhrow, Intendant des WDR und seit 1. Januar 2020 auch ARD-Vorsitzender, aufgrund mangelnder Solidarität gegenüber der eigenen Mitarbeiter in der Kritik. Buhrow hatte sich vom „Umweltsau“-Video distanziert, in dem die Umweltsünden der älteren Generation aufs Korn genommen werden, und kritisierte seine Redaktion. In dem Lied heißt es, „Meine Oma ist ne alte Umweltsau.“ Zuletzt bekräftigte er seine Kritik im Interview mit WDR2. Er nannte das Video „missglückt“ und entschuldigte sich nochmals dafür. Das Lied stoße eine ganze Generation pauschal vor den Kopf. Er stellte die Frage, ob die Redaktion dem umgedichteten Lied auch dann zugestimmt hätte, wenn statt „Oma“ von „Ali“ die Rede gewesen wäre.

DJV fordert zu Sender zur Solidarität mit Freien auf

Der Deutsche Journalisten-Verband fordert die Sender auf, als Auftraggeber auch für den Schutz freier Journalistinnen und Journalisten zu sorgen. „Wenn Freie bedroht oder beleidigt werden, stehen Sender und Verlage in der Pflicht, ihnen juristische Unterstützung zu leisten“, fordert DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall. Es gehe um die Fürsorgepflicht von Medienunternehmen.

 

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