Mit Dawanda vom Nischenthema zum Aufmacher

Kommunikation der Do-it-yourself-Plattform

2006 wurde viel diskutiert – über die Fußball-WM im eigenen Land, über die Rütli-Schule, die Vogelgrippe und darüber, ob Pluto nun ein echter Planet sei oder eben nicht. Über Handarbeit sprach niemand. Was gab es zum Stricken, Häkeln oder Nähen schon Neues zu berichten? Abgesehen von einigen älteren Semestern und ihren Kaffeekränzchen war Selbermachen in der Öffentlichkeit kein Thema. Doch der Staub des Handarbeits-Images wurde in den vergangenen Jahren weggepustet, Selbermachen einer Verjüngungskur unterzogen. Heute ist es hip, sich über die Herkunft seiner Kleidung, Accessoires und Deko-Artikel Gedanken zu machen – und das auch zu äußern. Wer etwas Besonderes verschenken möchte, wird selbst kreativ. Im Café, an der Uni und in der U-Bahn klappern die Nadeln, junge Trendsetter haben das Stricken neu entdeckt, Craft Labs und Kreativtreffs sprießen wie Unkraut aus dem Boden.

Statt von Handarbeiten ist hier allerdings die Rede von DIY, Akronym für „Do it yourself“ („Mach es selbst“). Das Selbermachen hat einen Imagewandel durchlaufen, zu dem in Deutschland vor allem das Berliner Unternehmen DaWanda beigetragen hat. Auf dem im Dezember 2006 gegründeten Online-Marktplatz für Selbstgemachtes und Unikate verkaufen Kreative und Designer Einzelstücke und Produkte in limitierter Auflage. Im Gegensatz zur industriellen Massenware ist DaWanda eine Anlaufstelle für Menschen, die Wert auf Individualität, Trends und verantwortungsbewussten Konsum legen.

Vor acht Jahren war das Start-up zunächst nur eingefleischten DIY-Enthusiasten bekannt. Heute fällt es schwer, an dem Online-Unternehmen vorbeizukommen: Bei knapp 5.500 Presseberichten in einschlägigen Print-, TV-, Hörfunk- und Online-Medien allein im Jahr 2014 – der Tenor ist zu 99% neutral oder positiv – werden aufmerksame Rezipienten unweigerlich mit dem Unternehmen konfrontiert.

Wer es dennoch bisher geschafft hat, daran vorbeizukommen, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Mann – denn die Zielgruppe des Unternehmens ist zu 90 Prozent weiblich. Doch wie ist es der PR-Abteilung gelungen, ein Unternehmen, das der breiten Öffentlichkeit nicht unbedingt bekannt war, in den Medien und damit im öffentlichen Diskurs zu platzieren?

Gewinner des Goldenen Apfel als „Pressestelle des Jahres“

Das junge Unternehmen wurde von der Pressestelle äußerst vielfältig und kreativ über das Thema Do-it-yourself positioniert. Durch konsequentes Agenda Setting wurde DIY auf der öffentlichen Agenda platziert, der Wert von Selbstgemachtem im Allgemeinen betont und das Interesse daran geweckt.

DaWanda hat sich als Experte auf diesem Feld platziert – und das mit vergleichsweise geringem Budget. Das Alleinstellungsmerkmal des Start-ups wurde dabei immer wieder thematisch weiterentwickelt, dafür wurden Pressesprecherin Ina Froehner und ihr sechsköpfiges PR-Team jüngst vom Bundesverband Deutscher Pressesprecher mit dem Goldenen Apfel als „Pressestelle des Jahres“ ausgezeichnet.

Agenda Setting: Etablierung und Image-Aufbau

In den ersten drei bis vier Jahren nach Unternehmensgründung galt es dafür zunächst einmal, durch aktive Maßnahmen die Aufmerksamkeit der Medien auf das Start-up zu lenken, die Gründungsidee zu vermitteln und aufzuzeigen, wie vielfältig und unverwechselbar selbstgemachte Produkte sind. Der Wert der Pressearbeit für die Bekanntmachung des Unternehmens wurde von der Geschäftsführung von Anfang an erkannt, PR als aufmerksamkeitswirksames Marketing-Tool und effektive Alternative zu kostenintensiven Maßnahmen wie TV-Werbung, Print-Anzeigen oder Suchmaschinen-Marketing begriffen.

Uschi und ihre Töchter Deborah und Miriam sind "Miss Cherry Blossom" (c) Georg Klienhahn

Uschi und ihre Töchter Deborah und Miriam sind “Miss Cherry Blossom” (c) Georg Klienhahn

Dass sich Inhalte am besten durch spannende und persönliche Geschichten transportieren lassen, kam dem PR-Team dabei gelegen. Schließlich wimmelt die Plattform nur so von außergewöhnlichen Protagonisten. Da ist zum Beispiel die selbst ernannte Drei-Mädels-Manufaktur „Miss Cherry Blossom“, bestehend aus Mutter Uschi, 58, und ihren Töchtern Deborah, 30, und Miriam, 39. Uschi hat ihren DaWanda-Shop 2008 gegründet und häkelt seither unermüdlich – durchschnittlich vier Mützen pro Tag. Zusätzlich bindet sie Blütenkränze, so genannte „Elfenkronen“, und hat in den vergangenen sechs Jahren mehr als 8.000 Produkte verkauft. Stets mit tatkräftiger Unterstützung ihrer Töchter als Fotomodels und Häkelhilfen. Im Oktober 2014 erschien ihr erstes Buch „Mützenzauber“ mit Winter-Accessoires zum Nachstricken und -häkeln.

Uschi ist nur eine von mehr als 300.000 Designern auf der Plattform, viele von ihnen haben eine ähnlich-spannende Geschichte zu berichten – schier unerschöpfliches Potential für das Presseteam, das diese besonderen Geschichten aufspürt und Interviews an die großen Meinungs- und Massenmedien vermittelt.

In der ersten Phase der Bekanntmachung durften neben diesem persönlichen und individuellen Blickwinkel aber natürlich kreative Maßnahmen nicht fehlen: Zum 57. Geburtstag der „Bild“ übergab das Unternehmen dem Blatt eine 1,5 kg schwere gestrickte Zeitung und sicherte sich damit einen bebilderten Bericht auf der Titelseite der Geburtstagsausgabe.

Ebenso wichtig wie die Bekanntmachung des Themas war auch der Image-Aufbau. Gezielt wurden hierfür Trend- und Meinungsmedien mit hippen Produkten und jungen Kreativen angesprochen, um Selbermachen als Trend und DaWanda als Experten in diesem Bereich zu positionieren. Auch in dieser Phase setzte das Team auf medienwirksame Aktionen: Zur Fußball-WM 2010 wurde von Mitgliedern der Community ein 100 Meter langer Fan-Schal in Deutschlandfarben gestrickt und vor jedem Spiel der deutschen Mannschaft über den Köpfen der jubelnden Zuschauer auf der Fifa-Fan-Meile ausgerollt. Die Aktion sicherte dem Unternehmen nicht nur eine erfolgreiche „dpa“-Meldung, der Schal schaffte es auch ins WM-Studio von Günther Jauch und Jürgen Klopp sowie in den RTL-Jahresrückblick.

Wunde Finger hatten die Macher des hundert Meter langen Fanschals, der es zur WM in zahlreiche Medien schaffte. (c) Dawanda

Wunde Finger hatten die Macher des hundert Meter langen Fanschals, der es zur WM in zahlreiche Medien schaffte. (c) Dawanda

CEO-Positioning – ein Unternehmen zeigt Gesicht

Von Beginn an war CEO-Positioning ein wichtiger Bestandteil der Pressearbeit – schließlich ist der Ruf und der Marktwert eines Unternehmens stark mit der öffentlichen Wahrnehmung der Geschäftsführung verknüpft, ihr Auftreten hat einen enormen Einfluss auf die Unternehmensreputation. Claudia Helming, Gründerin und Geschäftsführerin von DaWanda, wurde in den vergangenen acht Jahren gezielt zu unterschiedlichen Themen als Interviewpartner angeboten und ist heute als Zitatgeber sehr gefragt.

Mit der Positionierung als erfolgreiche Gründerin hin zu einer bedeutenden Unternehmerin ist sie sowohl in Publikumsmedien wie „emotion“, „Glamour“ oder Vogue.de, als auch in allen Tages- und Wirtschaftsmedien, sowie in diversen TV- und Radiostationen präsent. Mit dem Existenzgründungs-Format „Mit Liebe gemacht“ (WDR) sind DaWanda und das Thema Selbermachen 2013/14 im Abendprogramm angekommen. Claudia Helming saß als einer von zwei Gründungsexperten in der Jury des Casting-Wettbewerbs.

Handarbeit als relevanter Wirtschaftszweig – Internationalisierung und Diversifizierung

2012 ist das Unternehmen rentabel und die Plattform in insgesamt sieben Sprachen verfügbar. Um auch in der Öffentlichkeit und in den Medien als international bedeutender Wirtschafts-Player wahrgenommen zu werden, fokussierte sich die Presseabteilung nun zusätzlich auf die Kommunikation wirtschaftlich relevanter Inhalte an nationale und internationale Tages- und Wirtschaftspresse und positionierte Handarbeit und die Wirtschaftskraft aus der Menge der mittlerweile über 300.000 Verkäufer als ernstzunehmenden Wirtschaftszweig.

Mit Erfolg: Heute gilt die Plattform als sympathisches und erfolgreiches E-Commerce-Unternehmen. Sowohl DaWanda als auch das Thema Selbermachen sind in nahezu allen Medien präsent – von „Brigitte“ über den „Stern“ bis hin zu „SpiegelOnline“.

Selbermachen ist ein großer Trend geworden, DaWanda war dabei ein enormer Treiber. Auch Medien wie die „Flow“ und zahlreiche Kreativ-Blogs habe den öffentlichkeitswirksamen Wert der Handarbeit erkannt und treiben den Erfolg der Bewerbung weiter voran. Zudem entern jeden Monat neue DIY-Magazine den Zeitschriftenmarkt.

Natürlich, DIY kann es heute immer noch nicht mit dem Medienecho einer Weltmeisterschaft oder eines aberkannten Planetenstatus aufnehmen – aber das Thema ist nicht nur in der Presse, sondern vor allem in den Köpfen der Menschen und damit im öffentlichen Bewusstsein angekommen.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Liebe – Wie viel Passion braucht die Profession?. Das Heft können Sie hier bestellen.

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