Humor als Stilmittel der Kommunikation zu entdecken, bedarf selbst eines gewissen Frohsinns. Wer ihn überlegt und umsichtig einsetzt, erhöht die Qualität der Unternehmenskommunikation – wer Humor allerdings mit Witzeln verwechselt, schadet ihr sehr. Jeder ist glücklich, mit humorvollen Menschen zu verkehren; sie verbreiten gute Stimmung, erleichtern die Kommunikation, wirken sympathisch und sind attraktiv. „Lachen ist die beste Medizin“, sagt der Volksmund – es lindert Ängste und Stress, stimmt froh und zuversichtlich.
Aber was bedeutet eine „humorvolle Organisation“? Das bedeutet: Humor gehört zu ihrem Stil, ihrer Kultur und Identität. Auf keinen Fall ist er eine Eintagsfliege, will Menschen nur belustigen und zum Lachen bringen. Humor ist eine ernste Sache. Grundsätzlich kann jedes Unternehmen humorvoll sein und mit Augenzwinkern kommunizieren. Wenn eine Flughafengesellschaft ihren Jahresbericht von einem Koffer in Ich-Form erzählen lässt, dann ist das humorvoll. Wenn ein Unternehmen den Besuchern seiner Hauptverwaltung im Aufzuginneren sorgfältig arrangierte Zitate zeigt, wie „Der Mensch ist Mittelpunkt. Der Mensch ist Mittel Punkt“, dann ist es humorvoll, auch wenn es sich um einen Staubsaugerhersteller handelt (Vorwerk), und wenn ein junger Vater seinen gerade geborenen Sohn in den Armen hält und ruft: „Mein Sohn, mein Stolz, meine Altersvorsorge!“, woraufhin der Sohn dem Vater die Zunge rausstreckt, dann ist es humorvoll, auch wenn es sich nur um ein Vorsorgeprodukt handelt.
Tipp 1: Rufen Sie in Ihrem Unternehmen das Projekt „Humor“ ins Leben und befassen Sie sich mit Wirkung und Einsatzformen des Humors!
Humor kann man in interner und externer Kommunikation einsetzen. Intern stärkt er Beziehungen und Identität. Er schafft Nähe, indem Menschen gemeinsam über dieselben Dinge lachen. Jede Organisation hat ein Netz von Scherzpartnerschaften, die einander necken und sich lustig machen. Solche Netze sind als Ventil notwendig. Heiterkeit entlädt soziale Spannungen. Humor löst auch Konflikte und verhindert Missverständnisse, die das größte Risiko jeder Kommunikation sind. Man kann durchaus kritisch sein oder gar Kritik ausüben, ohne Konflikte auszulösen und Beziehungen zu belasten. Mit Humor vermeidet man die direkte Konfrontation und sagt dennoch die eigene Meinung.
Spannungen zu meiden und zu lösen, ist eine unschätzbare Wirkung von Humor. Humor schafft aber auch Distanz. Er ist eine psychologische Abwehrstrategie: Durch ihn distanziert man sich von unerfreulichen Situationen, unangenehmen Personen und gewinnt so die innere Freiheit, jene besser zu ertragen. Der Stresspegel sinkt und die Möglichkeit, entspannter mit Belastungen umzugehen, wächst.
Tipp 2: Wenn Ihre Mitarbeiter im Gang, in der Küche oder anderswo im Unternehmen ungezwungen plauschen und lachen, unterbinden Sie diese Gespräche nicht mit Hinweis auf Zeit und Arbeit! Solche Plaudereien sind keine Zeitverschwendung. Im Gegenteil.
Ein unentdeckter Nutzen von Humor ist die Ermittlung von Stimmungsbildern im Unternehmen. Wer wissen will, wie die Stimmung in der eigenen Organisation ist, tut gut daran, alle Ausdrucksformen des betriebsinternen Humors zu sammeln und zu analysieren. Häufen sich aggressive und zynische Witze, die hinter „vorgehaltener Hand“ erzählt werden, ist das ein Zeichen, dass das Betriebsklima sich verschlechtert. Zynische Varianten treten vermehrt auf und werden so platziert, dass man deren Urheber nicht mehr ausfindig machen kann. Das bedeutet: Die Mitarbeiter leben in einer angespannten Atmosphäre, in der Humor und Lockerheit nicht möglich oder nicht erwünscht sind. Krisen verändern den Humor, und Humor ist oft die Vorhut drohender Krisen.
Tipp 3: Sammeln Sie methodisch Witze, die in Ihrem Unternehmen umlaufen, und analysieren Sie sie auf Inhalt und Tendenz.
Humor und Lachen könnte man auch mehr und besser in Mitarbeiterbefragungen einsetzen. Hier wird eher nach „Arbeitszufriedenheit“ gefragt und kaum die viel wichtigere und aufschlussreichere Frage gestellt: „Wird an Ihrem Arbeitsplatz gelegentlich oder häufig gelacht oder ist Lachen verpönt?“ Die Antwort darauf brächte eine zuverlässigere Aussage über den Zustand des Betriebsklimas als die platte Frage: „Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Arbeit?“
Tipp 4: Binden Sie Fragen über Humor, Witz und Lachen in Ihre Mitarbeiterbefragungen ein. Dadurch gewinnen Sie wertvolle Informationen über das Betriebsklima und über das Verhältnis von Vorgesetzten und Mitarbeitern.
Auch in Bezug auf externe Kommunikation macht Humor Unternehmen attraktiv. Wenn ein Unternehmen den Ruf genießt, humorvoll zu sein, gewinnt es leichter die Aufmerksamkeit der Zielgruppen – ein großes Kapital, um das alle in der Öffentlichkeit buhlen. Deshalb ist Humor ein Imagefaktor.
Tipp 5: Fragen Sie sich, ob Humor zu Ihrem Markenkern gehören sollte.
Humor macht die Öffentlichkeit empfänglicher für die kommunikativen Botschaften des Unternehmens. In der Rhetorik spricht man von captatio benevolentiae, davon, dass Redner das Wohlwollen des Publikums erringen sollen, indem sie zu Beginn mit humorigen Bemerkungen das Publikum positiv stimmen und so den Nährboden für die Akzeptanz der eigenen Botschaften schaffen. Mit Sprache, Bildern, Filmen in sozialen Netzen, Werbespots, Reden, Veranstaltungen und Kampagnen kann man Humor einbringen – aber kaum in Pressemitteilungen, Formularen, Todesanzeigen.
Tipp 6: Überlegen Sie sich, ob Sie aus den Witzen und humorigen Szenen in Ihrem Unternehmen eine Publikation machen wollen, eine Art Imagebroschüre. Jubiläen eignen sich bestens dazu, über sich selbst zu lachen und so Souveränität zu zeigen.
Auch in der externen Kommunikation ermitteln Humor und Witze die Stimmung der Öffentlichkeiten gegenüber dem eigenen Unternehmen. In Krisenzeiten zum Beispiel häufen sich die Witze, werden sarkastischer, aggressiver, nähren Vorurteile und stärken Feindbilder. Diese Indikatoren signalisieren bevorstehende Veränderungen und auch das Börsen- und Wirtschaftsgeschehen beachtet diese Signale sehr aufmerksam.
Tipp 7: Sammeln Sie Witze, die über Ihr Unternehmen in den Öffentlichkeiten erzählt werden (vor allem in den sozialen Medien), und analysieren Sie sie.
Humor ist doppelbödig. Er kann, falsch und schräg eingesetzt, Gutgemeintes und Gutgewolltes zunichtemachen – vor allem wenn er als Vernichtungswaffe bewusst zur Geltung kommt. Sarkasmus, Ironie, Spott sind Formen und Auswüchse von Humor, deren Einsatz unerfreuliche Wirkungen in Gang setzen. Spott zum Beispiel ist ein abwertender Vergleich, der ein Opfer braucht und es vor anderen lächerlich macht. Menschen wollen aber ihr positives Selbstbild aufrechterhalten und ihr Gesicht vor anderen nicht verlieren. Deshalb darf man Konkurrenten oder Zielgruppen nicht verspotten und der Lächerlichkeit preisgeben. Dies gilt auch für die eigenen Kolleginnen und Kollegen.
Tipp 8: Achtung! Wer sich durch Scherze auf Kosten anderer – Mitarbeiter, Kunden, Wettbewerber – profilieren will, spielt mit dem Feuer. Der kurzfristige Lacherfolg kann Antipathie und Feindschaft zur Folge haben. Wenn aber ein Unternehmen Anlass hat, Kunden oder andere Zielgruppen auf den Arm zu nehmen – ohne Spott und Häme –, dann empfiehlt es sich, sich gemeinsam mit ihnen auch über sich selbst zu amüsieren.
Auch in Krisenzeiten muss man behutsam mit Humor umgehen. Vor Opfern – direkten oder indirekten – sollte man auf keinen Fall scherzen. Galgenhumor ist unangebracht.
Tipp 9: In Krisen darf Humor nie als Ersatzschweigen oder Ablenkungsmanöver dienen.
Eine der lästigsten Gefahren des Humors, die nichts mit Spott oder Sarkasmus zu tun hat, aber dennoch kontraproduktiv ist, heißt „Vampir-Effekt“: Der Witz saugt, wie ein Vampir, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeiten, und zwar so sehr, dass die eigentliche kommunikative Botschaft in den Hintergrund tritt und vergessen wird. Das gilt für Kampagnen ebenso wie für Reden oder Werbung.
Tipp 10: Versuchen Sie in Ihren Maßnahmen Humor immer mit Produkt- oder Dienstleistungsbezug einzubringen und nicht isoliert. Verselbständigt sich die witzige Pointe dennoch, dann ist es sinnvoll, flankierende Maßnahmen einzuschalten, in denen sie immer mit der Botschaft verbunden auftritt.
Organisationen, in denen Humor keinen hohen Stellenwert hat und sogar als überflüssig abgetan wird, tragen totalitäre Züge in sich – sie sind unsicher, leiden unter Machtproblemen und haben eine labile Unternehmenskultur. Unternehmen aber, die Humor sinnvoll einzusetzen wissen, ruhen in sich und leben eine solide Kultur.
Und noch ein letzter Wink: Humor und Witz haben viel mit Kreativität zu tun. Witz ist die Fähigkeit, überraschende Gedankenverbindungen herzustellen und so das Lachen zu erregen. Nichts anderes verdichtet Jean Paul in seinem schönen Spruch: „Der Witz ist der verkleidete Pastor, der jedes Paar traut.“ Und das ist eine kreative Leistung.
Tipp 11: Setzen Sie Humor ein, um die Kreativität in Ihrem Unternehmen zu beflügeln.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Humor. Treffen sich zwei…. Das Heft können Sie hier bestellen.