Ausgabe: 4 | 2020

TÖNNIES

Meinung

Als ich mir überlegte, wen ich für diese Ausgabe interviewen könnte, kam mir als Erstes „Tönnies“ in den Sinn. Mehr als 1.400 Mitarbeiter hatten sich am Tönnies-Standort Rheda-Wiedenbrück mit dem Coronavirus infiziert. Über die Kommunikation des Fleischkonzerns wusste ich bis vor kurzem nichts.

Beim Blick auf die Website war ich überrascht, dass es einen Pressesprecher gibt – bei rund 16.500 Beschäftigten eine naive Vorstellung von mir, dass es keinen geben könnte. Ich hatte das Unternehmen in meinem Kopf irgendwo bei Aldi und Schlecker abgespeichert – also bei Firmen, die lange patriarchisch geführt wurden und deren Öffentlichkeitsarbeit sich auf Prospekte beschränkte. Von einer Interviewanfrage an André Vielstädte, den Kommunikationschef von Tönnies, hatte ich abgesehen. Bringt sowieso nichts, dachte ich mir. Der steht zu sehr unter Druck. Umso überraschter war ich, als sich Vielstädte bei uns meldete und fragte, ob die Betrachtung der Krise aus kommunikativer Sicht interessant wäre. Wir führten dann ein Interview. Zu lesen ab Seite 14.

In dem Gespräch geht es auch darum, dass wir uns zu schnell eine Meinung bilden und zu wenig informieren. In diesem Fall traf das auf mich zu. Die mediale Berichterstattung forciert diese Entwicklung. Die Zunahme von Meinungsjournalismus macht es aus Sicht der von uns zu diesem Thema befragten Kommunikatorinnen und Kommunikatoren schwerer, mit Sachinformationen durchzukommen. Gesellschaftlich trägt diese Form von Journalismus zur Polarisierung bei.

Um „Meinung“ geht es auch in einem Gastkommentar von Patrick Kammerer, der bei Coca-Cola für die Kommunikation in 26 Ländern verantwortlich ist. „Dürfen wir unsere Meinung nie ändern?“, fragt er. Er bezieht sich damit auf den Fall von Niel Golightly, der vor etwa zehn Jahren Kammerers Chef bei Shell war und später zu Boeing wechselte. Dort musste Golightly im Juli als Kommunikationschef aufgrund eines 33 Jahre alten sexistischen Artikels zurücktreten, den er später bereute.

Mit CEO Sabine Bendiek und Director of Communications Thomas Mickeleit von Microsoft Deutschland sprechen wir über Werte und eine Unternehmenskultur, die gesellschaftliche Verantwortung ins Zentrum stellt. Genau daran darf man bei Facebook Zweifel haben. Führende Unternehmen werben dort nicht mehr. Ihr Vorwurf: Facebook gehe auf seiner Plattform nicht konsequent genug gegen Hass vor.

Schwierige Zeiten sind es ganz sicher für Kommunikatoren von Airlines. Magdalena Hauser von Condor und Andreas Bartels von Lufthansa schildern, was die Coronakrise für ihre Arbeit bedeutet.

Viel Spaß beim Lesen!

Volker Thoms, Chefredakteur

Artikel aus dem Magazin TÖNNIES