Bunte Kommunikation: Wie Unternehmen Farben für sich sprechen lassen

“Farben sind die Muttersprache des Unbewussten“, lautet ein Zitat des Mitbegründers der Psychoanalyse Carl Gustav Jung. Axel Venn kann ihm nur zustimmen. Doch der Professor für Farbgestaltung und Trendscouting  geht noch ein bisschen weiter: „Sie wirken auf beiden Ebenen, auch auf der des Bewussten.“ Kann man also mit Farben kommunizieren, einzelne Töne wie Vokabeln übersetzen? „Genauso ist es“, bestätigt Venn, der zu diesem Zweck ein „Farbwörterbuch“ erstellt hat.

Farben sind immer Subtexte, die weiterführenden Erläuterungen des sprachlichen Inhalts. Mit ihnen kann man Venn zufolge die Dinge eindringlicher beleuchten als nur mit dem gesprochenen Wort. Farben vermögen eine „Feinstformulierung“, da sie unmittelbar Empfindungen auslösen, die wesentlichen Signale – die uns anziehen, schützen oder abschrecken.

„Farben sind das beste Stimmungsbarometer. Wenn jemand vorgibt, guter Laune zu sein, aber ein schwarz-grau-gelbes Bild malt, stimmt etwas nicht.“ Farbforscher Venn untersucht bei seinen Probanden neben dem farbsemantischen auch das semiotische Profil: „Wer sich wohlfühlt, bevorzugt meist eher einen runden, schlangenlinienförmigen Duktus oder kleine Pünktchen.“

Der Sehbereich des Menschen ist umfassend, er reicht von etwa 400 bis 700 Nanometer. Damit sind wir für die optischen Reize der Natur gut gewappnet. Unsere Wahrnehmung ist etwas sehr Archaisches. Schaut man also auf der Straße einem blonden Menschen hinterher, könnte es daran liegen, dass die Haarfarbe Jugend und Frische symbolisiert. „Beim ersten Anblick reagieren wir intuitiv, die bewertenden Gefühle kommen erst später“, erklärt Venn.

Der Pfau als Vorbild

So wie jedes Wort, das wir sprechen, manipulativ nutzbar ist, sind dies auch Farben und Formen. Strategien aus Werbung und Kommunikation halten sich laut Venn dabei an ähnliche Prinzipien wie der Pfau, der einen Farbkreis schlägt, um zu beeindrucken. Nur dass dessen bunte Pracht naturgegeben ist, während Unternehmen sich bewusst für die Nuancen eines riesigen Spektrums entscheiden müssen – eine Auswahl mit Folgen.
„Die gewählten Farben tragen dazu bei, ob ein Unternehmen in seiner Kommunikation glaubhaft ist“, sagt Stephanie Steinbach. Die Inhaberin einer Werbeagentur in Neuwied berät vor allem kleine und mittelständische Unternehmen sowie Existenzgründer in ihrer Farbgebung. „Farbe ist ein eigenständiges Kommunikationsmedium, sie spricht für sich. Das, was wir jeden Tag in der Natur sehen, ist für uns die Wahrheit. Präsentiert uns die Werbung Dinge, die nicht zusammenpassen, wirkt das falsch.“ So sei eine Gärtnerei mit einem Logo in ultramarinblau für den Betrachter höchst irritierend.

Doch gerade im Mittelstand ist der Außen­aufritt oft schon ein wenig in die Jahre gekommen. Steinbach versucht in ihrer Beratung dann zunächst, die Zielgruppe zu definieren. Wovon lässt diese sich leiten, was ist ihr Entscheidungskriterium? Im Anschluss wird herausgestellt, wofür das Produkt der Firma steht. Auch die Preispolitik spielt dabei eine Rolle. Und schließlich geht es um die konkreten Kommunikationsziele – möchte die Firma ein Image kreieren? Bedürfnisse wecken?

Ein Unternehmen, das Steinbach beraten hat, stellte ein technisches Produkt her, verwendete aber als Firmenfarbe grün. „Technik ist da natürlich nicht die erste Assoziation“, so die Beraterin. Allerdings legte die Firma viel Wert auf das Thema Energieeffizienz. Ist diese das Hauptverkaufsargument, hat diese Farbe auch ihre Berechtigung. „Erst wenn die Positionierung herausgearbeitet ist, kann man überlegen, wie man sich farblich aufstellt.“ Steinbach geht von den Grundsätzen der Farbpsychologie aus, die auf natürlichen Assoziationen beruhen. Grün kann, je nach Intensität, für die Natur stehen, aber auch für Harmonie oder Neubeginn.

Nichts dem Zufall überlassen

Genaue Analysen und Sorgfalt sind für die Auswahl von Unternehmensfarben wesentlich. Laut Farbexperte Venn wird dies jedoch oft ignoriert. „Meistens erkenne ich in der Farbwahl eine Laune der Vorstände, von denen eventuell mal jemand einen Volkshochschulkurs im Aquarellmalen belegt hat. Es wird fast immer alles falsch gemacht“, lautet das harte Urteil des Professors. Nicht gut beraten sei beispielsweise die Telekom gewesen. Hier stört Venn zweierlei: „Erstens: Die Telekom setzt nur auf das Magenta. Das ist nicht gut, eine einzelne Farbe bringt keine Stimmung. Wir lieben das Kolorit. Zweitens: Es handelt sich um eine aggressive, kampfbetonte Farbe. Wenn ich meine Probanden Begriffe malen lasse, ordnen sie dem Magenta oft Assoziationen wie gespenstisch oder schrecklich zu.“ Gerade in einem Sektor wie der Telekommunikation, der Vertrauen generieren möchte, sollte die Farbe freundlich sein, findet der Professor. Seine Empfehlung? „Ich hätte zu einer Kombination aus einem Grün und einem klaren Blau oder einem sanften Rosa geraten, um eine menschliche Note einzubringen.“ Deutlich positiver bewertet Venn die Farbgebung der Deutschen Bank: „Die Kombination aus grau und blau wirkt solide und seriös. Der semiotische Bezug – ein Kasten und eine aufstrebende Diagonale – ist ebenfalls stimmig, wenngleich eher maskulin.“

Auch die Farbwahl der Mondelēz-Marke Milka findet Venns Zustimmung. „Weiß und lila – das wirkt lustig, sauber und sympathisch. Gerade in Kombination mit der eingefärbten Kuh transportiert es auch eine gewisse Ironie.“

Violett ist die letzte Farbe des Regenbogenspektrums und galt noch bis in die 1950er Jahre in England als Farbe der Trauer. Gleichzeitig hat sie eine sehr edle Wirkung, schon die ägyptische Königin Kleopatra reiste auf einem Schiff mit „Purpursegeln“. „Lila ist eine Farbe, die Kostbarkeit symbolisiert. Luxusgüter präsentieren sich oft in Violett- und Purpurfarben. Das hat etwas Besonderes, fast Magisches“, bestätigt Agenturinhaberin Stephanie Steinbach. Das passt, wenngleich Schokolade – für viele beinahe zu den Grundnahrungsmitteln gehörend – heute hierzulande kein wirkliches Luxusgut mehr ist.
Steinbach glaubt, dass sich die Wirkungskraft solcher bekannten Farbmarken schon beinahe verselbstständigt hat. Auch verschiedene Tests beweisen, dass in unseren Köpfen beim Anblick der spezifischen Nuancen von sonnengelb bis königsblau gleich eine Verbindung zu Post, Aral und Co. hergestellt werden. Um diesen Effekt zu sichern, kämpft beispielsweise die Sparkasse aktuell vor Gericht um die alleinige Macht über den Rotton. Eine solche Verteidigung von Farbmarken, die darauf zielt, den Wiedererkennungswert zu sichern, hält Farbexperte Venn allerdings für unsinnig: „Die Farben gehören uns allen, keiner darf sie besitzen.“

Das blaue Wunder

Ein Farbkonzept beschränkt sich laut Steinbach bestenfalls auf zwei Töne. Regenbogenbunt sollte es also höchstens im Logo des Christopher-Street-Days oder in dem von Friedensaktivisten zugehen. Die begehrteste Farbe in der Unternehmenswelt ist, da sind sich Venn und Steinbach einig, blau; die Lieblingsfarbe der Deutschen. Sie symbolisiert Venn zufolge Sehnsucht, Ferne, Weitsicht und Sanftheit. Zudem besitzt Blau eine gewisse Neutralität, ist ein Kompromisston mit weniger Gefühlsnuancen als die Signalfarbe Rot, die Nummer zwei unter den Lieblingsfarben. Momentan leuchten vor allem Supermärkte wie die Rewe-Group in einem kräftigen Rot. „Das wirkt energetisch und aktivierend und wird besonders im Endverbraucherbereich eingesetzt“, erklärt Steinbach. Aber: „Um Rot flächig einzusetzen, muss ein Unternehmen sehr selbstbewusst sein, da braucht es eine bestimmte Marktmacht.“

Grün wird vor allem dann gewählt, wenn ökologisches Bewusstsein oder Nachhaltigkeit demonstriert werden sollen. „Sofern Unternehmen ihre grüne Botschaft mit Taten untermalen, ist das in Ordnung“, findet Venn. Insgesamt seien schmeichelnde Pastell- und Buntstifttöne immer am beliebtesten. Weniger gemocht würden hingegen getrübte, schmutzige Farben wie braun oder schwarz-grau. Auch gelb ist laut der Agenturchefin Steinbach schwer zu kommunizieren, „das wirkt schnell billig oder aufdringlich“.

Schöne bunte Welt

Diese Präferenzen gelten nicht nur für Deutschland – die Sprache der Farben ist eine Weltsprache geworden. Internationale Unterschiede werden hier immer geringer. „Das liegt auch daran, dass Marken immer mehr zu den Ikonen der Gestaltung werden“, glaubt Professor Venn. Früher beruhte der Umfang der bunten Palette auf regional verfügbaren Ressourcen wie Erde, Metalle und Pflanzen. Heute hat sich das Farbspektrum – hergestellt aus Erdöl – vereinheitlicht. So haben wir von Peking bis New York nicht nur überall dieselben Autofarben wie silber, schwarz und rot, sondern werden, so Venn, auch medial „überall mit einer nahezu übereinstimmenden Bildwelt gefüttert.“

Während der Standort also inzwischen eine eher untergeordnete Rolle für unsere Farbwahrnehmung spielt, macht ein anderer Faktor noch immer einen großen Unterschied: Ob wir über das Doppel-X-Chromosom verfügen oder nicht. „Frauen empfinden Farben sehr viel stärker als Männer“, erklärt Axel Venn. So haben nur 0,4 Prozent von ihnen eine partielle Farbenblindheit, bei Männern sind es bereits acht Prozent. „Viele Männer können mit Farben wenig anfangen, haben ein sehr ausgedünntes Farbvokabular. Frauen sind wesentlich besser darin, Farben als Ausdrucks- und Kommunikationsmittel zu nutzen, von dem sie ein Echo erwarten.“

Und von welchen Farben können sich Firmen in Zukunft eine positive Rückmeldung erhoffen? „Die Leute werden mutiger“, prognostiziert Stephanie Steinbach. „Dennoch rate ich zu maximal einer knalligen Farbe. Es ist modern, die Dinge aufgeräumt zu lassen.“ Auch Professor Venn ist davon überzeugt: „Im Kommen sind sehr laute, kräftige Töne, oft in Kombination mit weiß oder schwarz im Hintergrund. Die Formen werden wieder markanter, grafischer, sie verlieren das Weiche. Nach wie vor gefragt sind Metalltöne, besonders bronze.“ Das Jahr 2015 erstrahlt für Venn übrigens in einem intensiven, reinen Blau. 

 

Diese Unternehmen lassen Farben für sich sprechen:

Deutsche Telekom

„Mit der Privatisierung der damaligen Deutschen Bundespost im Jahr 1995 gingen wir und unser ehemaliges Schwesterunternehmen, die Deutsche Post, eigene Wege. Das Postgelb war immer schon eine starke Farbmarke, eine solche sollte auch für die Telekom geschaffen werden. Die Strategie war, die Marke Deutsche Telekom auf dem Buchstaben T und einer Farbe aufzubauen. Die Herausforderung bestand darin, eine eingängige Farbe für Innovationskraft und Dynamik zu definieren. Magenta ist eine Farbe die jeder kennt, sie ist eine der vier Grunddruckfarben und in jedem Drucker enthalten. In den Anfängen zunächst einmal wenig emotionsbeladen, sorgte sie für Abgrenzung und symbolisierte  die neue digitale Welt. Heute ist die Farbe mit Inhalten und Werten gefüllt. Die Farbe Magenta ist über die Jahre dieselbe geblieben, wir setzen sie aber heute intensiver ein, gerade auch in der Werbung. Inzwischen changiert der Ton innerhalb des Logos leicht, das sorgt für mehr Transparenz und eine luftigere Wirkung. Galten wir früher noch als der ‚Rosa Riese‘, wird die Farbe heute als Telekom-Magenta erkannt.“ (Husam Azrak, Pressesprecher der Deutschen Telekom)

 

Milka

„Im Jahr 1901 wurde die erste Milka-Tafelschokolade in der lila Verpackung hergestellt. Die Farbe gehört seit der ersten Stunde zur Marke und war damals eine Hommage an den Jugendstil und Symbol für Extravaganz, Verführung und Magie. Die lila Verpackung galt für die damalige Zeit als einzigartig und absolut ungewöhnlich für ein Lebensmittel. So wurde die markante Farbe schnell zum Markenzeichen der Milchschokolade. Der lila Farbton hat schon seit langem einen festen Pantone-Farbwert und ist als eine der ersten Marken-Farben überhaupt im Warenzeichen-Register eingetragen und damit geschützt. Inspiriert von dem Motto ‚Mache das Fremde vertraut, verfremde das Vertraute‘, sorgt außerdem die lila Kuh seit 1972 für Aufmerksamkeit.“ (Heike Hauerken, Corporate Communication Manager DACH bei Mondelēz Deutschland)

 

Hornbach

„Hornbachs erster Bau- und Gartenmarkt öffnete 1968. Acht Jahre später wurde unter Federführung von Otmar Hornbach die CI entwickelt, mit Magenta als dominierender Farbe plus Orange und Weiß. Diese Farbigkeit blieb bestehen bis zum Jahr 2000, als unser Slogan ‚Es gibt immer was zu tun‘ entwickelt und die Farbendominanz umgedreht wurde: Orange als vorherrschende Farbe, Magenta als Zitat. Wir haben uns, auch in der Mitarbeiterkleidung, immer zwischen diesen beiden Farbwelten bewegt. Der Wiedererkennungswert unserer Farbigkeit ist hoch, das Magenta verhindert eine Verwechslung mit Obi.“ (Ursula Dauth, Konzernpressesprecherin bei Hornbach)

 

Aral

„Das aktuelle Logo ist zuletzt 2006 überarbeitet worden, als für eine modernere Wirkung die Dreidimensionalität in der Optik aufgegriffen wurde. Davor hat es meist nur kleinere Modifikationen gegeben, schließlich muss der Wiedererkennungswert für den Kunden erhalten bleiben. Trotzdem sollte das Logo natürlich immer zeitgemäß bleiben. Einen großen Sprung hat das Unternehmen aber im Jahr 1927 gemacht. Bis dahin war das Logo noch schwarz-gelb. Da diese Kombination allerdings von Kraftfahrern zu leicht mit Verkehrsschildern zu verwechseln war, rückte Aral davon ab. Die Entscheidung für die neue Farbgebung fiel dann wegen des Firmensitzes: Blau und Weiß sind die Bochumer Stadtfarben. Zudem kann man das Blau auch als Symbol für flüssige Mobilität deuten. Obwohl die Wahl der Farbe damals keine strategische war, passt sie nach wie vor gut zur Marke. Das Blau wirkt ruhig und kräftig und ist zudem die Lieblingsfarbe der meisten Deutschen, die damit also positive Assoziationen verbinden. Der Farbton wurde über die Jahre leicht weiterentwickelt.“ (Daniel Wagner, Brand Manager bei Aral)

 

Langenscheidt

„Seit 1956 sieht das Corporate Design des Langenscheidt-Verlags die bis heute gültige charakteristische Farbgebung vor: das blaue „L“ auf gelbem Grund. Als erstes „gelbes“ Produkt kam  das Taschenwörterbuch Englisch auf den Markt. Seit 1986 wird als elementarer Bestandteil das Sonnengelb verwendet: warm und leuchtend, mit großer Signalwirkung. Diese Farbe steht für Freude, Lebenskraft, Wärme und Spaß. Das Blau soll Klarheit vermitteln, durch die Welt der Sprache leiten, steht für entspanntes Lernen und wirkt konzentrationsfördernd.“
(Brigitte Pasch, Brand Managerin beim Langenscheidt-Verlag)

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe PR und Sprache. Das Heft können Sie hier bestellen.

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