Ist Alkohol im Büro erlaubt?

Recht

Geburtstag, Karnevalsfeier, Geschäftsessen, Netzwerk- oder Kundenveranstaltung – es mangelt nicht an Gelegenheiten, im beruflichen Umfeld mit Alkohol in Berührung zu kommen. Der Schriftsteller Benjamin von Stuckrad-Barre liegt daher richtig mit seiner Beobachtung: „Wie oft und wie sagenhaft viel überall gesoffen wird, fällt einem erst auf, wenn man selbst gar nichts mehr trinkt.“

Während bei einem Glas Bier, Sekt oder Wein „zum Anstoßen“ die Leistungsfähigkeit des einzelnen Arbeitnehmers oft nicht nachhaltig beeinträchtigt wird, steigt bei einem höheren Alkoholkonsum die Gefahr unangemessener Ausfallerscheinungen. Insbesondere im Kundenkontakt kann das zu nachteiligen Folgen für Unternehmen führen und deren Integrität und Außenwirkung schaden. Um das zu vermeiden, legen Unternehmen für den Umgang mit Alkohol während der Arbeitszeit eigene Richtlinien fest.

Privatvergnügen oder Arbeitszeit?

In vielen Branchen müssen Mitarbeiter neben der tatsächlichen Arbeitsleistung auch noch sogenannte Nebenleistungen erbringen. Beispielsweise im Vertrieb oder im Agenturbereich gehören das gemeinsame Essen mit Geschäftspartnern und der Besuch von Kundenveranstaltungen zum Berufsbild. Aber ist die dort verbrachte Zeit auch vergütungspflichtig? Sind die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG), inklusive Höchstarbeitszeit und Ruhepausen, einzuhalten?

Das Bundesarbeitsgericht und der Europäische Gerichtshof gehen in Bezug auf die Vergütungspflicht von einem sehr weiten Arbeitszeitbegriff aus: Arbeitszeit ist alles, was im Zusammenhang mit der Erfüllung des Arbeitsvertrags steht. Überprüfen lässt sich das anhand der Frage, ob der Arbeitnehmer Zeiten, in denen er an einer solchen Veranstaltung teilnimmt, ohne die Veranlassung durch den Arbeitgeber anders verbracht hätte. Wird sie bejaht, sind auch Geschäftsessen und Kundenfeiern vergütungspflichtig, da die Nutzung der Zeit fremdbestimmt ist. Das gilt, solange nichts anderes vertraglich vereinbart ist. Die Vergütungspflicht endet allerdings nach dem offiziellen Teil einer Veranstaltung. Das zwanglose Zusammenstehen an der Bar ist in der Regel keine Arbeitszeit mehr.

Hingegen handelt es sich nicht um Arbeitszeit im Sinne des ArbZG, das die tatsächliche (Über-)Beanspruchung des Arbeitnehmers verlangt. Schließlich wird der Arbeitnehmer bei solchen Veranstaltungen üblicherweise weit weniger beansprucht als bei Vollarbeit. Höchstarbeitszeiten, Ruhepausen oder -zeiten sind daher nicht einzuhalten.

Darf der Arbeitnehmer während einer Veranstaltung überhaupt Alkohol konsumieren? Oder begeht er eine Pflichtverletzung, wenn er zuvor nicht die Zustimmung des Arbeitgebers eingeholt hat? Schließlich handelt es sich um Arbeitszeit. Erstaunlich, aber wahr: Es besteht für den Arbeitnehmer zunächst keine Pflicht, während der Arbeitszeit und der Pausen komplett nüchtern zu bleiben. Ein absolutes gesetzliches Alkoholverbot im Betrieb existiert nicht – mit Ausnahme von besonderen Personengruppen wie zum Beispiel jugendlichen Arbeitnehmern, Bus- oder Rettungsdienstfahrern oder Piloten.

Allerdings unterliegt der Arbeitnehmer vertraglichen Nebenpflichten und ist daher verpflichtet, einen arbeitsfähigen Zustand aufrechtzuerhalten. Mithin besteht für ihn ein relatives Alkoholverbot. Er darf sich keinesfalls in einen Zustand versetzen, der es ihm nicht erlaubt, seine Arbeit ordnungsgemäß zu erbringen. Das „Anstoßen“ zum Geburtstag oder zwei Biere zum Karnevalsauftakt sind daher in der Regel unproblematisch und auch nicht genehmigungspflichtig – es sei denn, es sind sicherheitsrelevante Bereiche betroffen.

Detaillierte Vorgaben durch den Arbeitgeber

Grundsätzlich besteht die Möglichkeit für den Arbeitgeber, auch ein absolutes Alkoholverbot auszusprechen. Das kann er kraft einseitiger Ausübung seines Direktionsrechts oder in einer Betriebsvereinbarung festlegen. Dabei hat er aber stets das sogenannte „billige Ermessen“ zu beachten: Ein vollständiges Verbot kann er nur dann zulässig anordnen, wenn es zur Erfüllung der Arbeitspflicht oder zur Gewährleistung der Sicherheit zwingend erforderlich ist. Zulässig ist das in der Regel nur für einzelne Betriebsbereiche, wie beispielsweise den Wachschutz oder die EDV-Zentrale. Ein generelles Alkoholverbot im gesamten Betrieb ist eher nicht durchsetzbar, es verstieße gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer.

Denkbar ist hingegen, dass eine Richtlinie detaillierte Vorgaben in Bezug auf den Alkoholkonsum vorgibt. Sie könnte dabei sowohl zwischen den einzelnen Arbeitsbereichen und der Art der Veranstaltung beziehungsweise dem Anlass unterscheiden als auch Abstufungen nach Menge und Art der Alkoholika vornehmen. Auch für Zeiten, die nicht mehr als vergütungspflichtige Arbeitszeit gelten – wie zum Beispiel das Zusammenstehen an der Bar – kann der Arbeitgeber trotz des eindeutig privaten Charakters Vorgaben zum Trinkverhalten erlassen. Das gilt für den Fall, dass dieses außerbetriebliche Verhalten einen Bezug zum Arbeitsverhalten aufweist. Schließlich kann auch außerdienstliches Verhalten eine Nebenpflichtverletzung darstellen, wenn sich das Verhalten konkret negativ auf das Arbeitsverhältnis auswirkt.

Welche Folgen hat ein Verstoß gegen Richtlinien? Ist ein Arbeitnehmer derart angetrunken, dass er seiner Arbeit nicht mehr nachgehen kann, verliert er zeitweise seinen Anspruch auf Vergütung. Verstößt er zudem gegen eine Alkohol-Richtlinie oder das relative Alkoholverbot, kann das, wenn nicht eine nachgewiesene Alkoholkrankheit vorliegt, weitere arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur verhaltensbedingten Kündigung nach sich ziehen.

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Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe SPASS. Das Heft können Sie hier bestellen.

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