„Verwandte Bereiche mit unterschiedlichem Fokus“

Frau Herzog, würden Sie Ihre Abteilung als „Stiefschwester“ der PR bezeichen?

Ich würde das eher als ein „Cousinenverhältnis“ betrachten. Beide Bereiche sind eng miteinander verwandt, aber sie haben einen unterschiedlichen Fokus. Bei Public Affairs geht es um Dialog. Zum einen schauen wir mit Blick auf gesetzliche und politische Rahmenbedingungen, wie wir als Unternehmen unsere eigenen Anliegen und Positionen definieren und in den politischen Diskurs einbringen können. Zum anderen schauen wir, wie die Welt uns als Unternehmen und Branche sieht und wie wir diesen Blick von außen und die Signale der Politik in unsere Positionen integrieren können. Um sachgerechte Lösungen zu entwickeln und an die Politik zu adressieren, müssen beide Aspekte vorhanden sein. Darin sehe ich den größten Unterschied zur Kommunikation, die sehr stark in eine Richtung – nämlich nach außen – gerichtet ist.

Und trotzdem gehen Public Affairs und PR oft Hand in Hand…

Definitiv – eine enge Abstimmung mit der PR ist essenziell. Das läuft bei uns sehr kollegial. Wir haben regelmäßige Besprechungsrunden. Viel läuft auch über E-Mails.

Die PR in Cc?

Ja – und natürlich auch andersherum, wie bei Presseanfragen zu eher politischen Themen. Natürlich müssen die Kommunikation an die Presse und unsere inhaltliche Position, die wir zu Politikthemen erarbeiten, grundsätzlich abgestimmt sein. Aber die Detailtiefe darf unterschiedlich sein. Wir hatten beispielsweise ein Spendenprogramm, bei dem es darum ging, die Mutter-Kind-Übertragung von HIV in Entwicklungsländern zu verhindern. Es wurde gemeinsam mit deren Regierungen und NGOs erarbeitet. Da war Public Affairs im Lead. Im Land bekannt gemacht haben wir es aber über PR. So schließt sich die Fuge zwischen beiden Bausteinen.

Der Baustein Public Affairs als eigenständiger Bereich ist erst vor wenigen Monaten hinzugekommen. Wie war die politische Kommunikation bis dahin organisiert?

In der Vergangenheit sind die politischen Fragestellungen eher ad hoc bearbeitet worden. Es gab einige Kollegen, die an die PR angegliedert waren. Mit der Neugründung hat die Unternehmensführung ihren Wunsch ausgedrückt, die politischen Rahmenbedingungen strategischer zu begleiten und den Dialog mit der Politik sichtbarer zu gestalten.

Gibt es etwas, das die politische Kommunikation von der PR lernen kann?

Ja, zum Beispiel das gute Aufbereiten und schnelle Verfügbarmachen von Informationen.

Häufig werden in Unternehmen die Bereiche PR und Public Affairs in eine Hand gelegt und zentral gesteuert. Ist das die Zukunft?

Die organisatorische Zuordnung hat sich immer wieder in Wellen verändert. In den 1990er Jahren wurden Public Affairs häufig in die sich neu formierenden Sustainability-Abteilungen eingegliedert. In der nächsten Welle wurden Politik und Rechtsabteilung verknüpft. Momentan ist es eher Trend, PA gemeinsam mit der Kommunikation zu steuern. Dadurch, dass Public Affairs eine starke Querschnittsfunktion ist, können diese unterschiedlichen Zuordnungen durchaus Sinn machen. Wichtig ist, dass der dialog- und inhaltsgetriebene Ansatz der PA nicht verloren geht. Daher finde ich den Weg, den Boehringer Ingelheim gewählt hat, eine kleine eigenständige Abteilung zu schaffen, die direkt an den Vorsitzenden der Unternehmensleitung berichtet, gut und zielführend.

 

Zur Person:

Ingrid Herzog leitet seit dem 1. Oktober 2013 die neu gegründete Abteilung Corporate Public Affairs beim Pharmakonzern Boehringer Ingelheim.

 

Kommunikation und ihre Nachbardisziplinen

Kommunikation und ihre Nachbardisziplinen Teil 1: Carola Erlewein, Leiterin der Marketingkommunikation bei BMW Deutschland, über das Verhältnis ihrer Abteilung zur PR.

 

Im zweiten Teil der Serie berichtet Frank Stünkel über sein Aufgabenfeld zwischen Marketing, Vertrieb und Pressearbeit.

 

In Teil 3 spricht Robindro Ullah über seine Schnittstellenfunktion zwischen Personal- und Kommunikationsabteilung beim Technologiekonzern Voith.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe PR und die "bösen" Stiefgeschwister. Das Heft können Sie hier bestellen.

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