„Vertrauen müssen wir uns verdienen“

Microsofts PR-Chef Frank X. Shaw

Mister Shaw, lassen Sie uns über Vertrauen reden! Als Ex-US-Marine kennen Sie sich damit bestens aus – denn wer seinen Kameraden nicht vertrauen kann, hat im Ernstfall nicht gerade bessere Überlebenschancen. Welche Fähigkeiten aus Ihrem Leben als Berufssoldat nutzen Ihnen heute noch?

Frank Shaw: Im Wesentlichen zwei Dinge. Erstens: Man muss tiefes Vertrauen zu Menschen um sich herum schöpfen können. Tut man es nicht, wird man das gemeinsame Ziel schlechter oder gar nicht erreichen. Zweitens: Über gemeinsames Training muss man sich Vertrauen verdienen. Als Public-Affairs-Offizier im US Marine Corps war ich dem amerikanischen Volk Rechenschaft schuldig. Es ging nicht nur darum zu erklären, was wir tun, sondern auch darum, das Vertrauen, das die Menschen ins Militär setzen, zu rechtfertigen. Das lässt sich auch auf die Unternehmenskommunikation übertragen.

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Was noch?

In sehr großen Organisationen lernt man schnell: Egal wie sehr man sich bemüht, man kann nicht alles kontrollieren. Manchmal muss man tief Luft holen und darauf vertrauen, dass man ja intelligente Menschen eingestellt hat, die ihren Job so gut wie möglich machen werden (lächelt). Was unsere Kunden betrifft, ist es Aufgabe der Unternehmenskommunikation, Kontext zu liefern. Machen wir unseren Job schlecht, teilen wir lediglich mit, was wir tun oder welches neue Produkt wir an den Markt gebracht haben. Machen wir ihn gut, erklären und begründen wir das Warum.

Für Unternehmen ist Vertrauen eine extrem wichtige Währung. Wird sie umso wichtiger in Zeiten, in denen Bots Debatten und Wahlen beeinflussen und Kunden grundsätzlich misstrauischer gegenüber Großkonzernen zu werden scheinen?

Ja, das wird sie. In der Beziehung zwischen Unternehmen und Kunden sind heute weniger Dritte im Spiel, die Vertrauen bestätigen oder stärken können. Autoritäten von einst, wie zum Beispiel großen Zeitungen, wird heute weniger vertraut als früher. Umso wichtiger wird es, dass Unternehmen ihre Glaubwürdigkeit bewahren, um ihre eigene Story zu erzählen.

Was ist der größte Fehler, den Unternehmen mit Blick auf Kundenvertrauen machen?

(überlegt) Vielleicht nicht darüber nachzudenken – und nicht ständig dafür zu arbeiten. Denn nimmt man an, die Leute werden einem einfach so Vertrauen schenken, kann man letztlich böse überrascht werden. Der CEO des Sportartikelherstellers Under Armour, Kevin Plank, hat dazu einen klugen Satz gesagt: „Vertrauen wird tröpfchenweise verdient – und geht eimerweise verloren.“

Skandale wie die Causa Facebook/Cambridge Analytica befeuern das Misstrauen gegenüber mächtigen Konzernen wie dem Ihren.

Die gesamte Tech-Industrie hat in den vergangenen gut anderthalb Jahren eine harte Zeit durchlebt. Ob das Thema Bots während der US-Präsidentschaftswahl oder Cambridge Analytica, ob Sicherheitslücken in Software-Anwendungen oder Hacker, die persönliche Daten gestohlen haben – all das verdichtet sich zu einem Klima, in dem Misstrauen gegenüber der Tech-Industrie gedeiht. Vergleicht man die einzelnen Unternehmen jedoch, erkennt man Unterschiede. Klar, auch wir haben in unserer langen Firmengeschichte Fehler gemacht. Aber aus denen haben wir gelernt.

Was bedeutet das für Ihre Kommunikation?

Zwei Perspektiven sind zu beachten. Erstens: die interne. Microsoft hat weltweit 120.000 Angestellte. Seit mehr als einem Jahr läuft eine breit angelegte interne Kampagne für unsere Mitarbeiter namens „Microsoft Runs on Trust“. Unseren Mitarbeitern wollen wir immer wieder Wert und Wirkung von Vertrauen vor Augen führen. Aber auch von Wertschätzung. Zweitens: die externe Perspektive. Kommunikation für Microsoft beinhaltet nicht bloß Produktkommunikation. Sondern sie umfasst eben auch zu erklären, wofür wir als Unternehmen stehen.

Die New York Times betitelte voriges Jahr einen großen Artikel über Google, Facebook, Apple, Amazon und Microsoft mit „Tech’s Frightful Five: They’ve Got Us“. Ärgern Sie solche Titelzeilen?

Es gibt da ja auch dieses kritische Buch von Scott Galloway mit dem Titel „The Four“ (Google, Facebook, Apple, Amazon, Anm. d. Red.) – Stichwort „Die vier apokalyptischen Reiter“. Ich bin froh, dass wir darin nicht vorkamen. In dem von Ihnen genannten Artikel geht es darum, wie tief die fünf großen Tech-Unternehmen, zu denen wir gehören, in das Alltagsleben der Menschen eingebunden sind. In diesem Fall bin ich froh, dass wir darin vorkommen. Wobei ich den Titel nicht so sehr mag (lacht). Zweifelsohne leben wir in einer Zeit, in der Technik bei einem Großteil der Kommunikation zwischen Menschen auf irgendeine Art und Weise eine Rolle spielt.

Umso mehr müssen Sie sich als Unternehmen von anderen abgrenzen, oder?

Wissen Sie, unsere Branche wird auch „Big Tech“ genannt. „Big“ ist in der Öffentlichkeit oftmals leider mit Negativem konnotiert – denken Sie an „Big Banks“ oder „Big Pharma“. Wenn man sich die Geschäftsmodelle der fünf genannten Unternehmen anschaut, wird man feststellen, dass sie ziemlich verschieden sind. Während Apple und wir diesbezüglich vielleicht noch einigermaßen vergleichbar sind, unterscheiden wir uns von Amazon oder Google deutlich. Wichtig ist, dass das Unternehmensleitbild nicht in Konflikt mit dem eigenen Geschäftsmodell gerät. Dann nämlich kriegen Unternehmen ein Problem.

Umfragen jüngeren Datums in Deutschland zeigen, dass mehr als die Hälfte der Bürger glauben, ihre persönlichen Daten seien nicht mehr sicher und dass sie die Kontrolle darüber verloren hätten. Haben Sie Verständnis für diese Sorgen?

In unserer vernetzten Welt ist Sicherheit eine enorme Herausforderung, keine Frage. Wer, wie kürzlich erst wieder geschehen, in den Nachrichten über tausendfach gehackte Bankkontodaten liest, bei dem muss sich ja ein mulmiges Gefühl einstellen. Die Sensibilität der Bürger für solche Fragen ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Die Datenschutz-Grundverordnung DSGVO ist in Europa gewissermaßen eine Konsequenz daraus – und ihr Inkrafttreten in diesem Jahr hat vielen das Problem Datensicherheit noch einmal mehr bewusst gemacht. Für Unternehmen bedeutet das: Die Leute erwarten in dieser Hinsicht inzwischen mehr von ihnen. Ich finde das nur fair.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe MUT. Das Heft können Sie hier bestellen.

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