Ohne Fragen geht wenig

Presse- und Hintergrundgespräche moderieren

Viele Journalisten und Pressesprecher sind Mitglied in Journalisten- oder Medienverbänden oder in einem Presseclub. Das hat mindestens zwei Vorteile: Austausch und voneinander lernen, und zweitens gelegentlich die Einladung zu einem spannenden Hintergrundgespräch. Manchmal geht auch beides auf einmal.

Ich war neulich zu einem Hintergrundgespräch mit einem Intendanten eingeladen. Moderiert wurde es von einer langjährigen Pressesprecherin, die in ihrem Leben bestimmt schon unzählige Pressekonferenzen und eben auch Hintergrundgespräche geleitet hat. Sie stellte unseren Gesprächspartner kurz vor, der gab anschließend ein ausführliches Statement ab, und dann sollte die Fragerunde beginnen. Die Kollegin Pressesprecherin sagte: „Vielen Dank für Ihr Statement. Ja, dann: Feuer frei“.

Stille. Was verlässlich kommt, wenn Moderatoren nach dem Eingangsstatement einfach nur „Feuer frei“ rufen, ist Stille. In diesem Fall hatte die Kollegin wirklich keine einzige eigene Frage vorbereitet. Sie hat sich darauf verlassen, dass sofort alle Finger hochgehen wie beim Deutsch-Unterricht in der Grundschule. War aber nicht. Und das ist nicht überraschend. Daher hier ein paar Tipps für das gelungene Presse- und Hintergrundgespräch.

Wie ein Gespräch in Gang bringen?

Wer eine Veranstaltung moderiert, muss immer mit allem rechnen und entsprechend vorbereitet sein. Natürlich ohne dass das Ganze vorbereitet und auswendig gelernt wirkt. An anderer Stelle hatte ich dazu einmal von der „inszenierten Spontaneität“ geschrieben. Sie ist ein wichtiges Erfolgsrezept für alle moderierend Tätigen, egal ob Pressesprecher, Redakteure, Moderatoren, Seminartrainer, Dozenten oder Lehrbeauftragte.

Zu dieser Vorbereitung und Spontaneität (die muss nicht immer inszeniert sein, die darf ruhig auch echt sein) gehört, einen Dialog zu eröffnen. Das können provozierende oder konfrontierende Aussagen sein oder eben konkrete Fragen. Ohne Fragen geht in der Kommunikation per se wenig.

Vor vielen Jahren habe ich einmal eine Podiumsdiskussion im Vorfeld einer Kommunalwahl moderiert. Eine der vertretenen Parteien hatte einen Polizeipräsidenten zu ihrem Spitzenkandidaten für das Oberbürgermeister-Amt ausgerufen – nachdem dieselbe Partei ein Jahr zuvor die niedrige Aufklärungsquote der Polizei unter Leitung eben jenes Präsidenten als unterirdisch kritisiert hatte. Eine Steilvorlage für jede Moderatorin und jeden Moderator – ohne dass die Frage angreifend daherkommen muss, wie wir es leider immer wieder bei Interviews in Radio und Fernsehen erleben. Natürlich gibt und gab es in diesem Fall Gründe für den Sinneswandel, und genau darüber konnten wir an dieser Stelle sprechen, und schon war ein Dialog in Gang.

In einem anderen Fall hatte ich eine Medienwissenschaftlerin zu Gast, die mittelständischen Unternehmern etwas über neue und moderne Möglichkeiten interner und externer Kommunikation erläutern sollte. Eine Paarung, von der abzusehen war, dass sie kommunikativ zumindest herausfordernd sein könnte: Wissenschaft und Wirtschaft sprachen auf völlig unterschiedlichen Ebenen und in einem völlig unterschiedlichen Wording.

Hier war es wichtig, zunächst eine gemeinsame Verständigungsebene zu erreichen. Durch Übersetzen des wissenschaftlichen Exkurses in unternehmerisches Deutsch. Diese Transferleistung gehört zu den wichtigsten Aufgaben von Journalisten und allen, die journalistisch tätig sind. Und sie ist auch nur dadurch zu bewerkstelligen, dass sich moderierende Personen im Vorfeld mit dem Skript der Wissenschaft und der Sicht der Wirtschaft inhaltlich beschäftigen und Fragen vorbereiten. Nur wer die Botschaft verstanden hat, kann sie unfallfrei rüberbringen.

Recherche ist kein Hexenwerk

Dritter und vielleicht wichtigster Punkt – neben Spontaneität und Übersetzung – ist die Recherche-Arbeit. Wer moderiert, versucht vorab so viel wie möglich über seine Gesprächspartner und deren Themen in Erfahrung zu bringen. So wie das Beispiel mit dem Polizeipräsidenten zeigt. Das ist kein Hexenwerk, das kann im Prinzip jede und jeder machen. Wie immer in einer gelungenen Kommunikation, bei Journalisten ähnlich wie bei PR-Fachleuten und Redenschreibern, verschlingt die Recherche dabei oft den größten Teil des Zeitaufwands. Für 30 oder 45 Minuten Moderation (wobei immer gilt: je kürzer, desto besser und angenehmer fürs Publikum) bin ich je nach konkretem Einzelfall stundenlang beschäftigt.

Wer moderiert, darf und soll sich also im Vorfeld genügend Zeit nehmen. Dann kommt ein Gespräch schneller in Schwung, auch und gerade bei Fragerunden. Fragen zu stellen ist und bleibt eine Ur-Aufgabe aller journalistischer Tätigkeiten. Wer fragt, hält ein Gespräch am Laufen und gibt dem Auditorium für seine eigenen Fragen weitere neue Ansatzpunkte. Damit am Ende nicht alle Finger unten bleiben.