Kleine Große Pandas

Berlin

Neugeborene Große Pandas sehen ein bisschen aus wie Nacktmulle ohne deren markante Zähne. Oder wie Hamster mit wenig Fell. Panda-Babys sind rosa, blind und winzig. Mit den kuscheligen schwarz-weißen Bären, die Menschen auf der ganzen Welt begeistern und die sich zu einem Symbol für den Artenschutz entwickelt haben, haben die Kleinen wenig gemein.

Am 22. August um 13:03 Uhr und 14:19 Uhr kamen im Zoo Berlin gleich zwei Pandas auf die Welt. Mädchen, wie man inzwischen weiß. Bei Geburt wogen sie 169 Gramm und 136 Gramm verteilt auf 14 Zentimetern. 149 Tage war die elfjährige Mutter Meng Meng trächtig. Ihre Aufgabe ist es nun, sich gemeinsam mit dem Zoo um den Nachwuchs zu kümmern. Der 14-jährige Vater Jiao Qing ist in die Aufzucht und Betreuung des Nachwuchses nicht involviert. Er läuft weiter durch den Panda Garden, frisst Bambus, schläft viel und geht seinem Alltag nach.

Pandas sind bei der Geburt wenig ausgebildet. Sie sind rosa, haben kaum Fell und sind noch blind. © Zoo Berlin

Die Geburt von Pandas in Zoos ist ein außergewöhnliches Ereignis. In Berlin ist es zum zweiten Mal gelungen, Nachwuchs zu bekommen. Pit und Paul wurden 2019 geboren. Sie zogen Ende 2023 aufgrund eines Abkommens nach China um, wo sie jetzt in der Zucht- und Forschungsstation in Chengdu leben. Pandas sind für Zoos ein Besuchermagnet, auch weil es weltweit nur etwa 25 gibt, die von China die Erlaubnis bekamen, die Tiere zu halten. Es handelt sich um Leihgaben, was zu dem Begriff „Panda-Diplomatie“ geführt hat.

Es sind diese politischen Umstände, die Pandas so interessant machen. Vor allem machen aber die markante schwarzweiße Färbung des wolligen Fells und das freundliche Gemüt die Tiere so besonders. Im Gegensatz zu anderen Bären ernähren sich Pandas fast ausschließlich pflanzlich. Sie jagen nicht. Es gibt Videos von den Tieren, in denen sie sitzen und in Ruhe ihren Bambus verspeisen. Wer sie beobachtet, meint, in ihnen menschliche Eigenschaften zu erkennen.

Für den Berliner Zoo ist die Panda- Geburt ein Grund zur Freude. Sie ist aber auch ein Aufhänger für die Kommunikation. Der Berliner Zoo verschickte seit August zehn Pressemitteilungen zu den Tieren: „Doppeltes Panda-Glück im Zoo Berlin“, „Panda-Update aus dem Zoo Berlin“, „Panda-Zwillinge im Zoo Berlin bekennen Farbe“, „Panda-Zwillinge legen kräftig zu“, „Zwei Pfund süßer Panda“, „Tierisch gemütlich“, „Endlich: Panda-Zwillinge feiern ihr Debüt“, „Ihre Augen machen bling-bling“, „Erster Blick auf Panda-Nachwuchs“ und „Feierliche Panda-Namensverkündung im Zoo Berlin“ lauten die Titel. Auch auf den Social-Media-Kanälen Instagram, Facebook, X und seit kurzem Tiktok spielen die kleinen Pandas die Hauptrolle. Namen erhielten sie 100 Tage nach der Geburt. Sie heißen Leni und Lotti.

Eine Stunde zu sehen

Das öffentliche Interesse an den Pandas ist groß. Das erste Mal konnten Besucher die Jungtiere Mitte Oktober sehen – etwa sieben Wochen nach der Geburt; Medien einen Tag früher. Zu sehen ist jeweils eines der Babys – für eine Stunde. Es liegt dann auf einem speziellen Bett, schläft oder krabbelt herum, während die Schwester bei der Mutter ist.

Pandas ziehen in der Natur nur ein Jungtier groß. Für den Zoo heißt das, dass nur eines der beiden Kinder bei ihrer Mama sein kann. Das andere befindet sich während dieser Zeit an einem anderen Ort des nicht einsehbaren Bereichs des Panda-Stalls. Große Pandas schlafen viel. Im Erwachsenenalter fressen sie etwa zwölf Stunden am Tag – Bambus. Der Aktionsradius der schnell zunehmenden Jungtiere ist begrenzt. Auch sie schlafen die meiste Zeit. Sie werden aktuell 24 Stunden am Tag vom Zoopersonal beaufsichtigt. Es gelten hohe Hygienestandards. Der Zoo Berlin steht vor der Herausforderung, die richtige Balance zu finden zwischen dem Schutz der Tiere und dem Wunsch der Öffentlichkeit, etwas von den kleinen Pandas mitzuerleben.

Das mediale Interesse erhöhte sich bereits vor der Geburt, als ein Ultraschallbild zeigte, dass Meng Meng trächtig und die mit Unsicherheit behaftete künstliche Besamung somit erfolgreich war. Elf Tage später erfolgte bereits die Geburt. „Vorher haben wir uns sehr zurückgehalten. Wir wollten keine falschen Erwartungen wecken und vermeiden, sagen zu müssen, dass es mit der Schwangerschaft doch nicht geklappt hat“, sagt Philine Hachmeister, Leiterin Kommunikation bei der Zoologischer Garten Berlin AG, zu der auch der Tierpark Berlin und das Aquarium gehören.

Philine Hachmeister, Leiterin Kommunikation beim Zoologischen Garten Berlin. © Zoo Berlin

Die Kommunikation folgt der Entwicklung der Tiere. Bei Pandas ist das Aufwachsen ein Prozess, der über Jahre geht. „Zu bestimmten Meilensteinen wollen wir immer etwas rausgeben“, sagt Hachmeister. „Einmal in der Woche versuchen wir, in den Stall zu den Jungtieren zu gehen und ein Foto zu machen.“ Bilder sind wichtig. Die Öffentlichkeit will wissen, wie es den Tieren geht.

Orientieren kann sich das fünfköpfige Presse- und Social-Media-Team des Zoos an der Öffentlichkeitsarbeit für die Vorgänger-Jungen Pit und Paule. Corona führte vor vier Jahren allerdings zu Einschränkungen. Zu den Meilensteinen gehören der Zeitpunkt, an dem die Panda-Babys zum ersten Mal ihre Augen öffnen, das schwarz-weiße Fell sichtbar wird, die Tiere zu krabbeln anfangen oder sie der Öffentlichkeit gezeigt werden können. Pressemitteilungen folgen einem Schema: In der Regel gibt es eine süße Überschrift und einen niedlichen Einstieg. Dann folgen Informationen zu den Tieren und der Art. Ein Zoo besitze einen Bildungsauftrag, betont Hachmeister.


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Schwierige Partnersuche

Weltweit leben etwa 2.000 Große Pandas im natürlichen Lebensraum – ausnahmslos in China. Die Tiere sind Einzelgänger. Sie streifen wochenlang auf der Suche nach Bambus durch die Wälder, ohne Artgenossen zu begegnen. Männliche und weibliche Pandas treffen nur selten aufeinander, was die natürliche Fortpflanzung erschwert.

Die Weibchen sind nur für etwa 72 Stunden im Jahr paarungs- und empfängnisbereit. Kommt während dieser Zeit nicht der passende männliche Bär vorbei, gibt es keine Chance auf Nachwuchs. Straßen, Eisenbahnschienen und Wohnsiedlungen sorgen dafür, dass zusammenhängende Wälder kleiner werden. Sie hindern die Pandas daran, ihr Revier zu verlassen und eine Partnerin oder einen Partner zu finden. China versucht jetzt, die verschiedenen Gebiete in einem Nationalpark zu verbinden, so dass die Tiere sich stärker durchmischen. Ohne diesen Eingriff würden die Großen Pandas vermutlich aussterben.

Wer interessiert sich für Pandas? „Es waren deutlich mehr internationale Gäste bei uns, die speziell wegen der Pandas kamen“, sagt Hachmeister. Es gibt Tierfans, die ihre Reisen danach ausrichten, ob es dort einen Zoo mit Pandas gibt. In Europa sind das neben Berlin Wien, Kopenhagen und Madrid zum Beispiel.

Die Zeit für die Besichtigung der Jungtiere in Berlin ist aktuell am frühen Nachmittag, so dass es für Schüler an Wochentagen schwierig ist, einen Besuch einzurichten. Während der Herbstferien bildete sich regelmäßig eine Schlange beim Panda-Gehege. Der Zoo notierte in dieser Zeit 30 Prozent mehr Besucher als zur gleichen Zeit des Vorjahres. Die Zahl der Besucher hängt allerdings auch von weiteren Faktoren ab – insbesondere vom Wetter. Die milden Temperaturen in diesem Herbst spielten dem Zoo in die Karten.

Fans haben die Möglichkeit, eine XXL-Panda-Tour zu buchen. Diese kostet 460 Euro für zwei Personen. Jede weitere Person 115 Euro. Maximal fünf Personen können teilnehmen und in den 90 Minuten einem Experten ihre Fragen stellen. Außerdem gibt es ein Erinnerungsfoto.

In den sozialen Netzwerken erntete der Zoo für dieses Angebot Kritik. Die direkte Rückmeldung war Hachmeister zufolge anders: „Wir haben durchweg positives Feedback bekommen“, sagt sie. Dass 460 Euro ein stolzer Preis sind, weiß die Kommunikatorin auch. „Man muss schon wirklich tierbegeistert sein, um alles dafür zu tun, diesen intimen Moment hinter den Kulissen zu haben.“ Hachmeister vermutet, dass die Exklusivität, etwas zu erleben, das sonst keiner zu sehen bekommt, der Antrieb ist, die Tickets zu kaufen. Ein „Once in a Lifetime“-Event, wie es für andere der Besuch eines Taylor-Swift- Konzerts oder Fußball-Endspiels ist. Viel Geld verdient der Zoo mit dem Angebot nicht – maximal 800 Euro pro Tag. Die täglichen Betriebskosten belaufen sich auf etwa 150.000 Euro.

Tiere und speziell Panda-Content laufen in den Social Media ausgesprochen gut. Postings des Zoos zu den zwei Jungtieren erreichen bis zu 100.000 Likes. Allerdings gibt es derzeit eine weitere kleine Zoo-Bewohnerin, die ebenfalls die Herzen höherschlagen lässt: das im Sommer geborene Zwergflusspferd-Mädchen Toni. Der Bestand der in Westafrika lebenden Zwergflusspferde ist ebenfalls gefährdet. Ein Video, in dem Toni zu sehen ist, wie sie gebadet wird, steht auf Instagram bei fast 2,4 Millionen Gefällt-mir-Herzchen.

Bei Toni waren die Tierfreunde aufgerufen, Namensvorschläge zu machen. Idealerweise sollte der Name einen Berlin- Bezug aufweisen, was zu Ideen wie „Schrippe“ oder „Curry“ führte. Etwa 20.000 Vorschläge kamen zusammen. Aus dieser Auswahl suchte der Zoo auch die Namen der beiden Panda-Mädchen aus. Die namentliche Verbindung zu Berlin ist wichtig. Wenn die zwei Pandas nach China umziehen, ist es der Name, der es ermöglicht, an die Geburt der beiden in Berlin zu erinnern und ihre Geschichte zu erzählen.

Was steht als Nächstes an? Nach der Taufe folgt vermutlich im Januar der erste Spaziergang im Panda Garden mit Mutter Meng Meng. „Das ist das erste Mal, dass die Besucher die beiden mit ihrer Mutter zusammen sehen werden“, sagt Hachmeister. Das werde unfassbar süß.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe #Technologie. Das Heft können Sie hier bestellen.

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