Digitale Mundpropaganda

Wie wichtig die Reputation eines Unternehmens für seine Rolle als Arbeitgeber ist, erkennen unlängst immer mehr Organisationen.  Recruiting-Events, durchgestylte Karriereseiten auf Facebook und die kritische Auseinandersetzung mit verschiedenen Arbeitgeber-Rankings verdeutlichen, welchen Platz Employer Branding einnimmt. Flankiert wird diese Entwicklung von einem medial oft beschriebenen Mangel an Fach- und Führungskräften, der seine Ursache unter anderem im demografischen Wandel hat. Gleichermaßen steigt die Bedeutung qualifizierter und motivierter Mitarbeiter in einer hochgradig automatisierten Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft.

Demgegenüber prüfen Bewerber immer sorgsamer, ob ein potenzieller Arbeitgeber ihren Vorstellungen entspricht. Das Wertegerüst der vielzitierten „Generation Y“ folgt einer stärkeren Sinn- und Freizeitorientierung. Diejenigen, die in den 1980er und 90er Jahren geboren wurden, sind mit digitalen Technologien aufgewachsen. Das Web 2.0 und insbesondere soziale Online-Netzwerke prägen das alltägliche Kommunikationsverhalten und damit auch die Meinungsbildung der sogenannten Ypsiloner maßgeblich. Die vorherrschenden Interaktions-Angebote ermöglichen es, sich mit großer Reichweite und ohne Zeit- oder Ortsbarrieren über Organisationen sowie Erfahrungen mit deren Leistungen auszutauschen. Das Phänomen Mundpropaganda, auch „Word of mouth“ oder „WOM“ genannt, wird immer wichtiger, schließlich gilt jene als besonders glaubwürdig und authentisch empfunden. Im Rahmen meiner Magisterarbeit unter Betreuung von Ansgar Zerfaß an der Universität Leipzig wurde eine empirische Studie in einem sozialen Online-Netzwerk durchgeführt.

Studie am Beispiel der e-fellows.net-community

Die e-fellows.net-community ist eine reichweitenstarke Karriereplattform für ausgewählte Studierende, Absolventen und Alumni aller Fachrichtungen. Ziel der anonymen, standardisierten Online-Befragung war es, Rahmenbedingungen sowie Motive von Mundpropaganda über Arbeitgeber in sozialen Online-Netzwerken zu analysieren. Die Ergebnisse lassen sich auch aufgrund der relativ geringen Stichprobengröße (n=102) zwar nicht verallgemeinern, können aber einige inter­essante Tendenzen offenlegen.
Zunächst einmal zeigt sich, dass positiv wertende Meinungsäußerungen über Organisationen in ihrer Rolle als Arbeitgeber häufiger auftreten als negative. Wird bei Mundpropaganda in Bezug auf Produkte oder Dienstleistungen im Regelfall ein Überhang negativer Kommentare konstatiert, so lässt sich dies im Arbeitgeberkontext für diese Studie nicht bestätigen.

Untersucht wurde auch, welche Funktion des sozialen Online-Netzwerks für eine wertende Meinungsäußerung über Arbeitgeber genutzt wird, wobei dies stets von den Gegebenheiten des Netzwerks abhängt. Im Fall der e-fellows.net-community hat die plattforminterne Nachrichtenfunktion besondere Geltung, ebenso wie die Möglichkeit, verschlagwortete Fragen an alle Nutzer zu stellen.

Daran zeigt sich, dass Mundpropaganda über Arbeitgeber sowohl öffentlich als auch privat stattfindet. Erwartungsgemäß entstand die deutliche Mehrheit von Mundpropaganda über Arbeitgeber reaktiv, das heißt als Reaktion auf Fragen anderer. Sofern eine negative Meinungsäußerung stattfand, ging dieser sogar immer eine Frage voran. Ein konkreter Informationsbedarf einer dritten Person ist demnach ein wesentlicher Auslöser von Mundpropaganda. Augenfällig war zudem, dass die am häufigsten positiv durch Mundpropaganda thematisierten Arbeitgebermerkmale subjektive, weiche und von außen nicht sichtbare Faktoren sind, wie zum Beispiel Arbeitsklima, Aufgabeninhalte oder Karrierechancen. Jene Aspekte sind übrigens auch die wichtigsten Entscheidungskriterien bei der Wahl eines Arbeitgebers. Stärker objektivierbare und durch die Organisation unmittelbar steuerbare Fakten bilden tendenziell weniger den Inhalt von Mundpropaganda über Arbeitgeber, sei es die Marktstellung oder Vergütung.

Interessanterweise tritt negative Mundpropaganda vor allem dort auf, wo ein Arbeitgeber die Ansprüche der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben nicht erfüllt. Schafft ein Arbeitgeber hingegen gute Voraussetzungen für ein ausgeglichenes Berufs- und Privatleben, ist dies kein Differenzierungskriterium: Diese Beobachtung wird dann nur selten positiv erwähnt, sondern eben als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt. An dieser Stelle zeigt sich wohl der oben beschriebene Wertewandel im Sinne der „Generation Y“.

Motive für Mundpropaganda

chließlich lag ein Schwerpunkt der Studie darauf, Motive für Mundpropaganda über Arbeitgeber in der e-fellows.net-community zu identifizieren. Wenig überraschend sind in erster Linie soziale Motive Auslöser für positive wie negative Meinungsäußerungen. Altruistisch möchte handeln, wer anderen bei ihrer Entscheidung für einen Arbeitgeber hilft und ihnen anhand eigener Erfahrungen zu- oder abrät. Bemerkenswerterweise wirkt die Zielstellung, andere vor schlechten Erfahrungen zu warnen, stärker aktivierend als im Fall einer positiven Empfehlung. Auch der Wunsch nach Teilhabe, Austausch und sozialer Integration ist ein wesentlicher Baustein bei der Entstehung von Mundpropaganda in sozialen Online-Netzwerken. Zugleich schwingt die Hoffnung mit, selbst einmal ein hilfreiches Urteil aus der Gemeinschaft zu erhalten, wenn man es braucht.
Positive Mundpropaganda wird weiterhin durch die Hoffnung auf einen bestimmten Eigennutzen ausgelöst: Indem man einer Organisa­tion eine positive Rückmeldung gibt, möchte man alle Chancen erhalten oder vergrößern, dort vielleicht einmal tätig zu werden.

Im Fall negativer Mundpropaganda ist weiterhin das Rachemotiv ausschlaggebend. Weniger wichtig bei der Entstehung von positiven wie negativen Äußerungen ist das Ziel, vom digitalen Umfeld bestätigt oder anerkannt zu werden und damit zum eigenen Selbstwert beizutragen. Auch Motive, die sich aus der Mediennutzung an sich ergeben und vor allem Ablenkung und Unterhaltung bedeuten, sind nur nachrangig relevant.
Insgesamt lässt sich feststellen: Die Motivlage für Mundpropa­ganda über Arbeitgeber ist in vielen Teilen identisch ist mit derjenigen über Produkte oder Dienstleistungen. Bei der Bewertung der Ergebnisse ist jedoch zu berücksichtigen, dass alle Motive auf Selbstauskunft basieren und daher möglicherweise verzerrt sein können.

Was die Studie für Kommunikatoren bedeutet

Für die Unternehmenskommunikation ergeben sich aus den dargestellten Befunden einige praktische Implikationen: So wird deutlich, dass eine systematische und regelmäßige Beobachtung von (nicht nur) arbeitgeberbezogener Mundpropaganda notwendig ist. Erstens  kann diese erheblich dazu beitragen, kritische Themen frühzeitig zu identifizieren und drohende Reputationsschäden abzuwenden. Zweitens erhält eine Organisation so Anregungen in Bezug auf die eigenen Leistungen als Arbeitgeber. Und drittens können Stereotype in der Außenwahrnehmung sichtbar werden, denen aktiv begegnet werden kann. Idealerweise sollte jenen Arbeitgebermerkmalen, die häufig Inhalt von Mundpropaganda sind, besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass sich Mundpropaganda nur bedingt steuern lässt. Nichts­destotrotz gibt es Ansatzpunkte, um sie zumindest potenziell positiv zu beeinflussen: Offenkundig wurde, dass WOM vor allem reaktiv und durch Freude am Austausch und Interesse an anderen Mitgliedern entsteht.

Eine Organisation kann daher gezielt versuchen, solche Kommunikationsanlässe und -strukturen zu schaffen, sofern sie von der eigenen Leistung als Arbeitgeber überzeugt ist. Das kann zum Beispiel über Netzwerkveranstaltungen passieren oder indem Personen in Online-Foren gezielt als Ansprechpartner vorgestellt werden. Hierzu zählt auch, Mitarbeiter als lebenslange, authentische Multiplikatoren zu gewinnen und überhaupt ein Bewusstsein für diese Rolle zu schaffen. Das könnte beispielsweise die Bitte um einen Beitrag auf dem Arbeitgeber-Bewertungsportal Kununu sein.

In der Praxis werden Online-Communities ehemaliger Mitarbeiter zur Steigerung der Identifikation mit einem Unternehmen genutzt. Auch ein Anreiz für eine erfolgreiche Mitarbeiterempfehlung kann hilfreich sein.

Fazit

Das beste Erfolgsrezept aber für das Gewinnen und Halten von Talenten besteht vermutlich immer noch in einer hohen Zufriedenheit der eigenen Mitarbeiter, die man dazu regelmäßig befragen sollte. Auch Studien unter Absolventen und Bewerbern können wertvolle Impulse für die Personalarbeit liefern. Anregungen, die sich hieraus ergeben, sollte man ernst nehmen, flexibel, strategisch und im engen Dialog mit den betroffenen Anspruchsgruppen darauf reagieren.

Die Reputation einer Organisation in ihrer Rolle als Arbeitgeber wird maßgeblich durch Mundpropaganda beeinflusst, auch wenn persönliche Erfahrung, massenmediale Berichterstattung und unternehmerische Selbstdarstellung ebenso relevant sind. Für die Unternehmens­praxis ist daher zu raten, sich mit dem Phänomen der nicht nur arbeitgeberbasierten Mundpropa­ganda in sozialen Online-Netzwerken auseinanderzusetzen. Dies gilt insbesondere für Branchen mit hohem Nachwuchsbedarf, negativen öffentlichen Bildern und ohne greifbare, für den Endverbraucher benutzbare Produkte.

Der Beitrag basiert auf den Ergebnissen der Masterarbeit der Autorin, mit der sie es beim Nachwuchsförderpreis des Bundesverbands deutscher Pressesprecher (BdP) unter die besten drei schaffte. Um den oftmals spannenden Forschungsergebnissen der eingesendeten Abschlussarbeiten Raum zu geben und sie anderen Praktikern zugänglich zu machen, veröffentlichen wir im pressesprecher in unserer neuen Rubrik „Science Lab“ ausgewählte Beiträge.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Profession Pressesprecher. Das Heft können Sie hier bestellen.

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