Mit Vertrauen zu Impfhelden

Biontech-Kommunikationschefin Jasmina Alatovic im Interview

„Impfhelden“ – Medien verwenden diesen Begriff für Özlem Türeci und Uğur Şahin des Öfteren. Die Vorständin und der CEO sind maßgeblich für die Entwicklung des Covid-19-Impfstoffs von Biontech verantwortlich. Inzwischen kennt fast die ganze Welt das Unternehmen aus Mainz. Der gemeinsam mit Pfizer vertriebene mRNA-Impfstoff ist für viele Menschen das präferierte Präparat, was auch mit der Kommunikation zu tun haben dürfte. Als „datengetrieben und nüchtern“ bezeichnet Kommunikationschefin Jasmina Alatovic die Strategie. Keine falschen Hoffnungen wecken.

Frau Alatovic, Sie kamen vor etwas mehr als zwei Jahren von Hering Schuppener (heute Finsbury Glover Hering) zu Biontech. Also bevor Corona die Welt veränderte. Was dachten Sie damals, was Ihre Aufgabe sein würde? Den Börsengang vorbereiten?

Alatovic: Genau. Ich wurde Anfang 2019 angesprochen und gefragt, ob ich bei Biontech mitmachen möchte. In den Medien bin ich nach einiger Recherche auf das Gerücht gestoßen, dass Biontech einen Börsengang planen könnte. In späteren Vorstellungsgesprächen habe ich erfahren, dass es um die Kommunikation rund um den US-Börsengang gehen würde und darum, die Kommunikationsabteilung mit aufzubauen und diese eventuell in drei bis vier Jahren zu übernehmen.

Die Themen haben sich verändert. Sie mussten tief in die medizinische Materie einsteigen. Die Kommunikation von Studien ist komplex. Inwieweit war es absehbar, dass solche Aufgaben auf Sie zukommen würden?

Alatovic: Teil des Stellenprofils war, dass man eine Affinität für medizinische Themen hat oder über einen akademischen Hintergrund in Medizin oder Biologie verfügt. Letzteres hatte ich nicht. Ich hatte aber ein Faible für naturwissenschaftliche Themen. Von einigen ehemaligen Kolleginnen werde ich auch Dr. Alatovic genannt. Was ich damals in Fachpublikationen über Biontech las, fand ich sehr eindrucksvoll. Ich hatte das Gefühl, dass es etwas Größeres werden könnte. In meinem Bewerbungsgespräch mit unserem Chief Commercial Officer Sean Marett bat er mich, in zwei, drei Sätzen zu erläutern, was mRNA ist. Danach hatte ich den Job – ohne zu wissen, was mich tatsächlich erwarten würde.

Foto: Laurin Schmid / BdKom

Jasmina ­Alatovic (Bild links) gewann zuletzt diverse Kommunikationspreise. Bei den BdKom-Awards wurden sie und ihr Team (hier mit Natasha Cherifi) ausgezeichnet. Sie wurde zudem „Kommu­nikatorin des Jahres“ und „Forschungs­sprecherin des Jahres“. (c) Laurin Schmid / BdKom

Am 16. März 2020 beschlossen Bund und Länder den ersten Lockdown in Deutschland. An demselben Tag berichtete Biontech über „rapide Fortschritte beim Covid-19-Impfstoff-Programm“. Wie haben Sie diese Phase in Erinnerung?

Alatovic: In den ersten Wochen habe ich von der Entwicklung nichts gewusst. Der Vorstand hat das „Project Lightspeed“ bewusst in einem sehr kleinen Team von Wissenschaftlern und Entwicklern gehalten. Es ist das Credo von Biontech, dass wir nur etwas kommunizieren, wenn wir etwas zu sagen haben. Wir machen keine Ankündigungskommunikation. Wir hätten die Entwicklung sogar gerne noch länger unter Verschluss gehalten. Dann berichtete „Reuters“ über unsere Zusammenarbeit mit Pfizer. Einige Tage später konnten wir dies bestätigen. Zwischen dem 16. März und dem 22. April, dem Tag der Pressekonferenz zu unserem Studienstart, haben wir vor allem viel gearbeitet. Die erste Lockdown-Phase ist vollkommen an mir vorbeigegangen. Wir waren sowieso zu Hause an unseren Laptops. Für uns gab es nur dieses Projekt, das wir nach vorne bringen mussten. In dieser Zeit habe ich mit niemandem mehr gesprochen als mit meinen Kolleginnen und Kollegen.

Wann setzte denn der erste Run an Medienanfragen ein?

Alatovic: Das war im April 2020, als wir als erstes Unternehmen in Europa die Genehmigung vom Paul-Ehrlich-Institut für eine klinische Studie erhalten haben. Vorher waren wir eines von vielen Unternehmen, die versuchten, ein Programm zur Impfstoffentwicklung zu starten.

Was passierte bei Ihnen intern am Montag, 9. November 2020? An dem Tag gaben Biontech und Pfizer bekannt, einen Impfstoffkandidaten zu haben. Es gab weltweit nur diese eine Schlagzeile.

Alatovic: An dem Sonntag – dem 8. November – fand in den USA eine Analyse unserer Studiendaten durch ein unabhängiges Komitee statt. Jeder im Unternehmen wusste, dass sich an diesem Tag alles entscheiden würde. Wir hatten zwei Szenarien vorbereitet. Das erste: Der Impfstoff ist gut genug und die Wirksamkeit liegt über dem Schwellenwert. Das zweite: Der Impfstoff ist nicht gut genug. Herr Şahin hat mich abends angerufen und mir gesagt, dass wir mit dem positiven Szenario weitermachen können. Die genaue Zahl zur Wirksamkeit sollte ich am Folgetag bekommen. Wir haben dann mit Pfizer abgestimmt, dass wir um 6.45 Uhr New Yorker Zeit – 12.45 Uhr deutscher Zeit – mit der Meldung rausgehen. Ich bin an dem Montag um 5 Uhr aufgestanden, um die letzten Dokumente fertig zu machen und die Lücken mit den fehlenden Wirksamkeitsdaten zu füllen. In meinen E-Mails habe ich morgens gelesen, dass die Wirksamkeit über 90 Prozent liegt.

Es war klar, dass eine solche Meldung ein enormes Medienecho hervorruft. Wie sollte Ihre Kommunikation an dem Tag ablaufen?

Alatovic: Wir hatten erst überlegt, eine Pressekonferenz zu machen, um die Daten noch einmal zu erklären, haben uns am Ende aber dagegen entschieden, weil wir das in den Wochen zuvor bereits ausführlich gemacht hatten. Stattdessen haben wir Medien mit großer Reichweite oder einem passenden Format gewählt: die „New York Times“, ARD, ZDF, Reuters und Bloomberg. Später dann auch „Spiegel“ und „Bild“-Zeitung.

Inwieweit hat sich Ihre PR-Strategie verändert, als klar war, dass Sie einen Impfstoff haben?

Alatovic: Wir hatten vorher immer ausschließlich datengetrieben und nüchtern kommuniziert, um keine falschen Hoffnungen zu wecken. Wir wollten die Menschen Schritt für Schritt mitnehmen, erklären und Vertrauen in die neue Technologie aufbauen. Als wir wussten, dass wir einen Impfstoff haben, haben wir Gespräche zugelassen, die emotionaler und etwas persönlicher waren. Das war auch das erste Mal, dass Herr Şahin und Frau Türeci zusammen aufgetreten sind. Wir wollten keine People Stories, sondern wissenschaftlich und datengetrieben kommunizieren. Das kann man nicht, wenn in dieser Situation Wissenschaftler als Ehepaar vor der Kamera stehen.

Die Geschichte ist für Medien zu gut, um sie unter den Tisch fallen zu lassen. Was haben Sie gemacht, um die Nachfrage nach persönlichen Einblicken zu begrenzen?

Alatovic: Wir haben betont, dass wir ein forschendes Unternehmen sind und dass beide als Wissenschaftler, Forscher und Vorstände auftreten. Aber nicht als Paar. Es gab Versuche von Medien, diese Seite zu beleuchten. Da haben wir aber darum gebeten, dass wir Berufliches und Privates trennen und das Private aus den Medien rausbleiben soll, was sie auch umgesetzt haben.

Cover: Der Spiegel

Im Januar gaben Özlem Türeci und Uğur Şahin dem „Spiegel“ ein großes Interview. Die Leser ­erfuhren unter anderem, dass vor der Eingangstür des Hauses „ein etwas abgenutztes altes Mountainbike“ steht, das Şahin gehört.

Es gibt die Anekdote über Herrn Şahin und Frau Türeci, dass sie am Tag ihrer Hochzeit wieder ins Labor gefahren seien. Wo kam sowas her?

Alatovic: Das war vor meiner Zeit. Es wurde irgendwo ausgegraben, hatte vorher jahrelang niemanden interessiert. People-Geschichten machen wir nach wie vor nicht. Manchmal wundere ich mich, wofür sich manche Reporter interessieren. Ein japanischer Reporter hat Herrn Şahin zum Beispiel gefragt, was er am 8. November gefrühstückt hatte.

Hinter Biontech steht mehr als der Corona-Impfstoff: die mRNA-Technologie, die verspricht, in der Krebsbehandlung wesentliche Fortschritte zu erzielen. Inwieweit ist es Ihr Ziel, neben der Kommunikation zum Covid-Impfstoff über mRNA als Therapieansatz zu informieren?

Alatovic: Das war ein entscheidender Faktor in der Kommunikation rund um die Impfstoff-Entwicklung. Wir haben neben den Daten immer versucht zu vermitteln, dass es keine ungeprüfte Technologie ist, sondern Forscher seit fast 30 Jahren mit mRNA arbeiten. Wir haben 250 Krebspatienten mit mRNA behandelt, bevor wir in die klinische Studie mit dem Covid-19-Impfstoff gegangen sind. Aktuell haben wir eine Pipeline von 15 Produktkandidaten. Es laufen 19 Studien hauptsächlich zu Therapien gegen Krebs wie Schwarzer Hautkrebs und Darmkrebs. Hinzu kommen weitere Impfstoffe gegen Infektionserkrankungen. Ende nächsten Jahres wollen wir mit klinischen Studien für einen Impfstoff gegen Malaria und Tuberkulose beginnen.

Inwieweit spüren Sie bei Covid-19 Druck, dass es jetzt auch an Ihnen als Unternehmen liegt, die Welt aus dieser Krise rauszuführen?

Alatovic: Ich würde eher von Verantwortung als von Druck sprechen. Unsere Motivation war intrinsisch. Wir waren immer von innen angetrieben und wollten, dass dieser Impfstoff funktioniert.

Obwohl mit Moderna und AstraZeneca schnell weitere Impfstoffe verfügbar waren, schien Biontech/Pfizer vor allem in Europa für viele der bevorzugte Impfstoff zu sein. Worauf führen Sie das zurück?

Alatovic: Das ist ein Resultat der ersten Phase unserer Strategie, faktenbasiert zu kommunizieren und keine Ankündigungskommunikation zu betreiben. Keine Versprechen abzugeben, die sich nicht halten lassen. Einen Unterschied machte auch, dass wir uns als verlässlicher Partner gezeigt haben, der pünktlich liefert, bei Problemen informiert und vor allem Lösungen herbeiführt.

Welche Rolle spielten Özlem Türeci und Uğur Şahin in dem Vertrauensbildungsprozess?

Alatovic: Mein Umfeld spiegelt mir wider, dass viele Menschen Vertrauen in mRNA und das Impfen insgesamt gefasst haben, weil Frau Türeci, Herr Şahin sowie der gesamte Vorstand immer wieder erklärt haben, was wir machen und wo wir stehen. Die transparente wissenschaftsbasierte Kommunikation hat meiner Meinung nach einen Unterschied gemacht. Das gesamte Unternehmen hat früh verstanden, dass die Kommunikation mitentscheidend sein wird, ob ein Impfstoff angenommen wird. Sie können den besten Impfstoff haben, aber wenn man dem Unternehmen und dem Produkt nicht vertraut, lässt sich damit trotzdem niemand impfen.

Ihre Kommunikationsabteilung bestand zu Beginn der Corona-Zeit aus zwei Personen. In der „FAZ“ stand, Sie bekämen rund 100 Medienanfragen in der Stunde. Wie gingen Sie damit um?

Alatovic: Alles, was Biontech und das Produkt betrifft, geht über unseren Tisch. Wir sind an die Kommunikation zu „Project Lightspeed“ herangegangen wie an ein Krisenthema. Wir stimmen uns intern ab, holen uns die Informationen aus den Fachabteilungen und gehen dann nach draußen. Es gab einen harten Kern, einen „War Room“, der immer besetzt war. Wir haben neben unseren Handys geschlafen. Je nach Thema haben wir externe Kolleginnen und Kollegen dazugeholt wie von Finsbury Glover Hering, wenn es um die USA, Asien, Europa oder den Nahen Osten ging. Oder Trophic, wenn es um Biotech-Themen ging.

Sie haben sich mit Finsbury Glover Hering Ihren alten Arbeitgeber als Agenturpartner zur Unterstützung geholt. Wie teilen Sie sich die Arbeit auf?

Alatovic: Wir arbeiten mit dem internationalen Team von Finsbury Glover Hering eng zusammen und sind täglich im Austausch, da die Dynamik nach wie vor sehr groß ist. Das Team unterstützt uns bei strategischen oder taktischen Fragestellungen sowie in der täglichen Medienarbeit. Hierfür arbeiten wir unter anderem mit einem abgestimmten Q&A. Wenn es kritischere Themen sind oder solche, die sich nicht mit Standardantworten beantworten lassen, klären wir das im jeweiligen Team.

Inwieweit haben Sie einen Fahrplan, was Sie wie und wann kommunizieren wollen?

Alatovic: Wir haben Meilensteine, die wir kommunizieren. Das ist viel zu Covid, aber jetzt auch wieder vermehrt zu den Krebstherapien oder anderen Impfungen gegen Infektionskrankheiten, die wir in der Pipeline haben. Ganz klassisch also. Bei Covid können wir oft keine genauen Pläne machen. Die Daten kommen, wenn sie kommen. Behörden entscheiden, wenn sie entscheiden.

Wie entsteht bei Ihnen eine Pressemitteilung zu Studiendaten? Bei Pharma-Themen dauert es in manchen Unternehmen Wochen, bis etwas geschrieben und abgestimmt ist.

Alatovic: Es kommt auf den Produktkandidaten an. Bei Covid liegt der Erstaufschlag meist bei Pfizer, außer ein Thema hat einen Europabezug. Bei anderen Produkten machen wir es. Insgesamt dauert die Freigabe und Abstimmung bei Covid-bezogenen Pressemitteilungen in der Regel 48 Stunden, manchmal auch weniger als 24 Stunden, wenn es nicht anders geht. Bei planbaren Themen etwa eine Woche.

Wie viele Medienanfragen bekommen Sie aktuell im Durchschnitt?

Alatovic: Ich schätze etwa 150 pro Woche. Zurzeit bekommen wir viele Fragen zur Booster-Impfung und zum Kinder-Impfstoff.

Foto: picture alliance/dpa/dpa/POOL

Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel besuchte Mitte August 2021 gemeinsam mit Biontech-CEO Uğur Şahin das Impfstoffwerk in Marburg.

Im Gegensatz zu AstraZeneca ist Biontech ohne große negative Schlagzeilen durch die letzten fast zwei Jahre gekommen. Welche Momente würden Sie selbst als kritisch bezeichnen?

Alatovic: Wir haben immer mit verschiedenen Szenarien gearbeitet. Was ist das Best-Case-Szenario? Was ist der Worst Case? Wie kommen wir möglichst nah an den Best Case ran und sichern uns gleichzeitig ab? Im Februar hatten wir das Problem mit den verspäteten Lieferungen. Das hatte Krisenpotenzial. Von extern traf uns beispielsweise, als die USA beschlossen, die Rohstoffe und den Impfstoff selbst nicht mehr nach Europa zu liefern.

Es gab in der „Süddeutschen Zeitung“ einen Bericht darüber, welche Preise Sie von der EU verlangt haben. Die erschienen recht hoch.

Alatovic: Wir haben beschlossen, dass wir den Bericht so nicht stehen lassen können. Wir haben auch versucht, das dem Journalisten zu erklären. Da war die Story aber schon geschrieben und es gab kein Interesse an einer ausgewogenen Berichterstattung. Natürlich kamen dann auch Medien, die gefragt haben, inwiefern die Story stimmt. Der „Spiegel“ und die „Bild“ waren die ersten, die gesagt haben, das Thema nicht einfach aufgreifen zu wollen, sondern die auch unsere Seite hören wollten. Wir sind bei der Preisgestaltung anfangs von einem höheren Preis als Hausnummer ausgegangen, weil wir nicht wussten, inwieweit wir die mRNA-Herstellung hochskalieren können, zu welchem Preis wir Lipide bekommen und wie viel mRNA wir pro Dose genau brauchen würden. Das haben wir klargestellt und auch deutlich gemacht, dass wir innerhalb von wenigen Wochen den Preis selbst nach unten angepasst haben, als wir ein besseres Verständnis hatten. Die Meldung war ein Aufreger, der dank der Nachfragen anderer Journalisten nach einem Tag vorbei war.

Ich hatte den Eindruck, dass von Biontech recht schnell der Hinweis kam, es bräuchte noch eine dritte Impfung als Booster. Rückwirkend würde man vielleicht sagen, das kam noch zu zögerlich, aber es wirkte geschäftsorientiert.

Alatovic: Wir haben bereits im Sommer auf sinkende Antikörper-Titer hingewiesen, die wir in den Studiendaten beobachtet hatten. Wenn etwas medizinisch oder wissenschaftlich keinen Sinn ergibt, würden wir es nicht vorantreiben. Unsere Daten haben gezeigt, dass der Impfschutz mit der dritten Impfung wiederhergestellt wird.

Es wirkt, als hätten Sie einen besonders guten Draht zum „Spiegel“ und zu „Bild“. Stimmt das?

Alatovic: Das gilt für viele Medien wie dpa, „Financial Times“, CNN, „Die Zeit“ und andere. Zu vielen hat sich eine enge Beziehung entwickelt, weil wir zeitweise mehrfach in der Woche telefoniert haben. Es hat sich etabliert, dass die Journalisten nicht einfach über ein Gerücht schreiben und bei Fragen anrufen. Das rechne ich den Medien hoch an. Es gab aber auch mal die „Bild“-Schlagzeile „Hat uns Biontech zu viel versprochen?“. Bei so etwas muss man sofort das Gespräch suchen.

Sie haben für Ihre Kommunikation mehrere Auszeichnungen bekommen. Sie waren vor kurzem zum ersten Mal seit einem Jahr im Urlaub. Soll sich Ihr Arbeitspensum mal wieder normalisieren?

Alatovic: Ja. Meine Kolleginnen und Kollegen – intern wie extern – sind extrem wichtig. Biontech war in vielen Bereichen nicht darauf vorbereitet, im Jahr 2020 ein kommerzielles Produkt zu haben. Ohne Pfizer als Partner hätten wir das gar nicht in diesem Maßstab ausrollen können.

Was sind Ihre Lessons Learned aus der Corona-Zeit?

Alatovic: Erstens: Kommunikation steht und fällt mit dem Management, den Fachabteilungen und einem integrierten Kommunikationsansatz. Wenn wir von den Kolleginnen und Kollegen nicht so präzise und kurzfristig Input bekommen hätten, wäre die Kommunikation nur halb so gut gewesen. Wenn der Vorstand nicht mitgezogen hätte, wären wir ebenfalls nicht weit gekommen. Zweitens: Die beste Kommunikation ist meist simpel. Sie muss kurz und auf den Punkt sein. Wer sich zu viel mit kleinteiligen Formulierungen befasst, hat zu wenig zu sagen. Was wir bei Biontech während der Pandemie gemacht haben, ist die reinste Form der Kommunikation: Wissen und Daten teilen, Vertrauen aufbauen und zwischen verschiedenen Parteien vermitteln. Kein Agenda Setting, kein Agenda Surfing.

Sind Sie nicht der Beweis, dass es auch ohne Social Media geht, wenn ein Thema sowieso omnipräsent in den Medien ist?

Alatovic: Als Pharmaunternehmen sind wir streng reguliert. Das ist ein Grund für unseren limitierten Einsatz von Social Media. Die Social-Media-Kommunikation werden wir in den kommenden Jahren ausbauen. Wir sind bei Twitter und Linkedin, wo wir immer mal wieder Einblicke geben. Sehr gut laufen Posts mit einem Blick hinter die Kulissen. Vor kurzem haben wir gezeigt, wie wir Impfstoff per Drohne in Ghana ausliefern. Wenn Herr Şahin etwas schreibt, hat das eine hohe Resonanz, weil jeder weiß, dass es von ihm direkt kommt.

Meiden Ihre Chefs TV-Auftritte?

Alatovic: Nein. Zum einen wählen wir gezielt aus. Zum anderen sprechen wir nicht nur mit deutschen Sendern, sondern auch mit welchen in Großbritannien, den USA, im Nahen Osten und in Asien. Viele TV-Aufnahmen finden immer noch remote im Wohnzimmer von Frau Türeci und Herrn Şahin statt.

Sicherlich hat doch Markus Lanz schon mal angefragt?

Alatovic: Polit-Talkshows sind nicht unser Fokus, allein schon weil wir nach der Devise handeln „Schuster, bleib bei deinen Leisten“. Frau Türeci und Herr Şahin werden sicherlich keine TV-Stars.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe #HiddenChampions. Das Heft können Sie hier bestellen.

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