Die Anwendung von KI gehört für 44 Prozent der Kommunikationsverantwortlichen zu den drei aktuell größten professionellen Herausforderungen. Übertroffen wird der Wert lediglich von der allgemeinen Intensivierung der öffentlichen Kommunikation aufgrund der zunehmenden Gereiztheit in Debatten und dem Umgang mit der steigenden Zahl an Kanälen. 49 Prozent der Befragten beurteilen dies als die größte Schwierigkeit. Die dritte wesentliche Herausforderung besteht im Umgang mit Polarisierung, Populismus und gesellschaftlichen Konflikten (41 Prozent).
Berücksichtigt man, wie tiefgreifend KI das Kommunikationsmanagement revolutionieren dürfte, fragt man sich, warum KI im Ranking nicht noch weiter vorn liegt. Ein Grund könnte sein, dass die Profession sich so „AI-ready“ fühlt, dass die Implementierung von KI-Lösungen in die tägliche Arbeit nicht als eine allzu große Hürde angesehen wird. Oder hatten die deutschen Kommunikator*innen die Dimension der Herausforderung im Frühjahr 2024, dem Zeitpunkt der Befragung, in Teilen noch nicht erkannt?
KI-Nutzung noch nicht Alltag
Die intensive KI-Anwendung ist in deutschen Kommunikationsabteilungen bisher die Ausnahme. 53 Prozent verneinten die Frage nach der eigenen Nutzung sogar ganz und gar. Immerhin 32 Prozent geben an, mit dem KI-Einsatz zu experimentieren. Nur bei den restlichen 15 Prozent gehört KI bereits zum beruflichen Alltag.
Zugleich formulieren die PR-Schaffenden einen selbstbewussten Anspruch: 54 Prozent sehen es als ihre Aufgabe an, interne Zielgruppen kompetent über Einsatzmöglichkeiten und potenzielle Probleme von KI zu informieren. Soll dieser Anspruch eingelöst werden, steht die Kommunikation vor einer Qualifizierungsoffensive. Als in höherem Maße „AI-ready“ sehen sich bislang 43 Prozent der Befragten an. Auf die eigene Abteilung trifft dies aus ihrer Perspektive lediglich in 30 Prozent der Fälle zu. Ganz grundsätzlich müssen Kommunikationseinheiten die Fähigkeit entwickeln, KI-basierte Technologien so zu nutzen, dass sie ihre Leistungsfähigkeit damit verbessern. Um AI-ready zu sein oder es zu werden, braucht es also die notwendige technische Infrastruktur und fähiges Personal, das die Funktionsweise KI-basierter Algorithmen zumindest vom grundsätzlichen Ansatz her versteht.
Wie gut vorbereitet sind die Befragten auf den Einsatz von künstlicher Intelligenz, sowohl persönlich als auch im Rahmen ihrer jeweiligen PR/Kom-Einheit? © BdKom und Quadriga Hochschule Berlin
Gefahr für die Glaubwürdigkeit
Wollen Kommunikator*innen hinsichtlich KI tatsächlich tonangebend innerhalb der eigenen Organisation werden, müssen sie nicht nur Infrastruktur aufbauen und Nutzungskompetenz erwerben, sondern auch die Chancen und Risiken von KI einschätzen können.
Auf der Risikoseite steht, dass 44 Prozent der PR-Schaffenden befürchten, beim Einsatz von KI-basierten Datenanalysen könnten Datenschutzbestimmungen verletzt werden. 65 Prozent haben Bedenken, dass KI-basierte Datenanalysen bestimmte Zielgruppen systematisch benachteiligen oder bevorzugen (Bias). Es ist erwiesen, dass KI zu unfairen oder diskriminierenden Ergebnissen führen oder Stereotype bedienen kann. Überraschenderweise verweisen nur 34 Prozent auf die Blackbox-Problematik, also die mangelnde Durchschaubarkeit der Algorithmen. Vor dem Hintergrund solcher Herausforderungen im Umgang mit KI macht sich eine deutliche Mehrheit von fast 70 Prozent Sorgen, dass der vermehrte Einsatz künstlicher Intelligenz der Glaubwürdigkeit der PR-Kommunikation schaden könnte.
Überzogen ist diese Skepsis zum gegenwärtigen Zeitpunkt sicher nicht. Dennoch sieht die große Mehrheit der Befragten Abwarten nicht als Lösung an, sondern plädiert für Umsicht bei der Implementierung und Nutzung von KI. Ein Instrument sind KI-spezifische Kodizes, die bislang nicht nur einige Großunternehmen, sondern auch der BdKom und in der Folge der Deutsche Rat für Public Relations (DRPR) mit seiner KI-Richtlinie geschaffen haben.
Hinsichtlich der Chancen meinen 62 Prozent, dass KI-basierte Datenanalysen dabei helfen können, Probleme schneller beziehungsweise besser zu lösen. Und die Hälfte der PR-Schaffenden ist sich sicher, dass solche Analysen zu besseren Entscheidungen beitragen.
Jobprofile fallen weg
Daran, dass künstliche Intelligenz bislang von Menschen durchgeführte PR-Aufgaben übernehmen kann, besteht kein Zweifel mehr. Vor allem standardisierte Aufgaben im Content-Bereich dürften in absehbarer Zukunft automatisiert werden und somit auch die Personalplanung beeinflussen. So rechnet aktuell etwa ein Drittel des Berufsfeldes mit dem Wegfall von Arbeitsplätzen. Nach Einschätzung der Befragten dürfte jede fünfte PR-Stelle durch KI entfallen.
Genauso absehbar wie das Verschwinden einzelner Tätigkeiten ist die Entstehung neuer Aufgaben. So resultiert aus der notwendigen Qualitätssicherung KI-basierter Analysen ein konkreter Bedarf an Prozessen und Ressourcen. Beispiele sind die Überwachung und Optimierung von KI-Systemen sowie die Interpretation und Bewertung von deren Outputs. Gleichzeitig bleibt wohl auch die Mehrheit der heutigen Aufgaben, die Kommunikations-Expertise, Urteilsvermögen, Kreativität und zwischenmenschliche Fähigkeiten erfordern, bis hin zum operativen und strategischen Kommunikationsmanagement erhalten.
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Personalbedarf wird insgesamt steigen
Die aktive Nutzung künstlicher Intelligenz wird absehbar die gesamte Kommunikationswelt verändern. So ist zu erwarten, dass die öffentliche Kommunikation weiter an Komplexität und Intensität gewinnt. KI-gestützte Fake News und Propaganda dürften weiter massiv zunehmen und die Unterscheidung zwischen Wahrheit und Lüge zunehmend erschweren.
Der Umgang mit Falschnachrichten aller Art – vor allem aber mit gezielten Desinformationskampagnen – wird erhebliche personelle und finanzielle Mittel erfordern. Viel spricht also dafür, dass die durch Automatisierungen ermöglichten Personaleinsparungen durch den zusätzlichen Fachkräfte-Bedarf nicht nur kompensiert werden, sondern dass der Personalbedarf im Bereich Kommunikationsmanagement in Zukunft sogar steigen wird. Diese Einschätzung teilt heute auch die Mehrheit (fast 60 Prozent) des Berufsfeldes und sieht die Notwendigkeit, die Personal-Ressourcen zu erhöhen, um mit Auswirkungen von KI in der öffentlichen Kommunikation umzugehen.
Chancen durch interne Ratgeberrolle
Um sich auf dem bis dato noch keineswegs ausreichend bekannten Terrain der KI zurechtzufinden, müssen die im Berufsfeld begrenzt vorhanden Datenkompetenzen deutlich ausgeweitet werden.
Ziel sollte nicht nur der Effizienzgewinn durch den KI-Einsatz bei Standardaufgaben sein, sondern ein informierter Austausch mit Data- und IT-Teams, um die in der Organisation vorhandene gebündelte Expertise sowie speziell die aus PR/Kom-Sicht relevanten Anforderungen und Notwendigkeiten an andere interne Stakeholder kommunizieren zu können. Das notwendige Maß an AI Literacy – also ein grundsätzliches Verständnis von KI – vorausgesetzt, sollten Kommunikationsprofis danach streben, organisationsintern zum unverzichtbaren Ratgeber zu avancieren, was die kommunikativen Implikationen von KI-Einsatz – besonders die Bewertung von Reputationschancen und Reputationsrisiken – anbelangt. Der Anspruch, das zeigt die neue Berufsfeldstudie, ist vorhanden.
Die Studienreihe „Profession Kommunikation“ ist das Ergebnis einer Kooperation vom Bundesverband deutscher Kommunikatoren (BdKom) und der Quadriga Hochschule Berlin. Seit 2005 werden regelmäßig die Strukturen des Berufsfeldes in Deutschland, Karrierewege, Position, Gehälter und Einstellungen der PR-Schaffenden sowie Rahmenbedingungen per Online-Befragung erhoben. Die Reihe ist eine der umfassendsten PR-Studien weltweit. Aktuell beteiligen sich 1.719 PR-Verantwortliche.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe #Visuell. Das Heft können Sie hier bestellen.