Die Pflicht zu informieren

Kommunale Kommunikation

Wann braucht eine Kleinstadt eine Pressesprecherin beziehungsweise einen Pressesprecher? Hierauf gibt es keine pauschale Antwort. Einige Städte haben das ganze Jahr über Touristen zu Gast, andere sind industriell geprägt oder bieten ein vielfältiges Kulturangebot, so dass es ein hohes Medieninteresse gibt. Finanziell sind Kommunen unterschiedlich aufgestellt. Abhängig von Eingruppierung und genauem Zuschnitt müssen für eine hauptamtliche Stelle jährlich zwischen 35.000 und 70.000 Euro Gehalt eingeplant werden.

Die Einwohnerzahl spielt auch eine Rolle – indirekt. Die Gemeindeordnung legt fest, ob Städte einen hauptamtlichen oder ehrenamtlichen Bürgermeister haben. Hauptamtliche Bürgermeister*innen leiten die Verwaltung. Christiane Germann, die Behörden in ihrer Kommunikation und Social-Media-Arbeit berät, hält einen Presseverantwortlichen grundsätzlich dann für notwendig, wenn es ein hauptamtliches Stadtoberhaupt gibt. Es müsse dann sowohl eine Person für die Pressearbeit als auch für Social Media geben. Ob es eine Voll- oder Teilzeitstelle sei, hänge von individuellen Faktoren ab, sagt sie.

Ein Faktor: die lokale Medienland­schaft. In der Stadt Achim gibt es beispielsweise zwei Tageszeitungen, was dazu führt, dass sie fast täglich Anfragen an die Verwaltung schicken. Insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern ist die Presselandschaft ausgedünnt. Private Medien haben Redaktionen zusammengelegt. Lokale Themen erhalten weniger Platz. Neben der Zahl der Presseanfragen sinkt auf diese Weise auch der Bedarf, proaktive Medienarbeit zu machen.

Julia Lupp ist Pressesprecherin und Social-Media-Verantwortliche in der hessischen Stadt Taunusstein. Etwa 30.000 Menschen leben hier. „Aus meiner Sicht muss jede Stadt jemanden für die Kommunikation beschäftigen, weil es eine zentrale Aufgabe ist, der Öffentlichkeit gegenüber zu vermitteln, was die Stadt tut und wo welche Informationen zu finden sind“, sagt sie. Kommunale Aufgaben wie Straßenbau, Kindergärten sowie die Entwicklung von Baugebieten würden auch in kleineren Städten und Gemeinden anfallen. „Nicht zu vernachlässigen sind auch Positionierungsthemen, wie insbesondere die als Arbeitgeber.“ Employer Branding. Städte tun sich häufig schwer damit, geeignetes Personal zu finden.

Für Lupp ist städtische Öffentlichkeitsarbeit noch aus einem weiteren Grund wichtig. „Die Währung der Verwaltung ist das Vertrauen. Eine Pressestelle, insbesondere in öffentlichen Verwaltungen, ist meines Erachtens kein ‚Nice-to-have‘, sondern wird in unserer komplexen und krisenhaften Zeit zur Pflicht, wenn das Vertrauen in die Verwaltungen und damit letztlich in unsere freiheitliche demokratische Grundordnung nicht noch weiter erodieren soll.“

Ist es das Geld wert?

Wie Diskussionen um eine Sprecherstelle häufig laufen, zeigt das Beispiel Varel. Anfang September hat in der Stadt im Friesland Michael Tietz als Pressesprecher angefangen. Er hatte seinen Job gerade erst angetreten, als zwei im Stadtrat vertretene Wählergemeinschaften die Position in Frage stellten. Ihr Argument: Die angespannte Haushaltslage verbiete es, 60.000 Euro jährlich für eine solche Stelle auszugeben. In der Energiekrise erst recht. Der hauptamtliche Bürgermeister und die gewählten Ratsfrauen und Ratsherren sollten die Öffentlichkeitsarbeit selbst machen.

Der SPD-Bürgermeister konterte, dass die Stelle geschaffen worden sei, um die Außenwirkung der Stadt zu verbessern und die Zufriedenheit der Bürger zu erhöhen. Es gehe auch darum, die Verwaltungsspitze und die Fachbereichsleitungen zu entlasten. So sieht es auch Julia Lupp: „Werden die Themen ordentlich kommuniziert, gibt es weniger Nachfragen in den Fachabteilungen, weniger Aufwand für Diskussionen mit Bürgerinitiativen – und damit an den Stellen geringeren Personalbedarf.“

Bad Liebenstein hat etwa 8.000 Einwohner. Die Kleinstadt wirbt damit, das älteste Heilbad Thüringens zu sein. Seit etwa fünf Jahren kümmert sich Stefanie Kießling um die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Darüber hinaus gibt es ein Stadtmarketing. Bad Liebenstein besitzt Sehenswürdigkeiten wie ein Schloss. Die Region ist beliebt bei Wanderern.

„Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in Kommunen – egal wie groß sie sind – ist keine Kür. Sie ist eine Pflicht. Jede Kommune muss dafür Sorge tragen, dass Bürgerinnen und Bürger und eine breite Öffentlichkeit bis hin zu politischen Entscheidungsträgern auf Kreis-, Landes- und Bundesebenen, Förderstellen, anderen Kommunen und Verbänden über relevante Entscheidungen, Maßnahmen und Entwicklungen in einer Stadt informiert werden“, sagt Kießling. Ob eine Stadt einen Presseverantwortlichen benötige, hänge ihrer Meinung nach auch davon ab, inwieweit sich der Informationsbedarf der Bürgerinnen und Bürger mit kommunikationsaffinem Personal oder Dienstleistern abdecken lasse. Und: Wie zufrieden sind die Menschen mit den städtischen Informationsflüssen?

Kießling beschreibt ihren Job als vielfältig. „Meine erste Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass möglichst viele Menschen vor Ort wissen und verstehen, was wir im Rathaus so machen und warum. Meine zweite Aufgabe ist es, Bad Liebenstein regional und idealerweise national bekannt zu machen – im positiven Sinn natürlich.“ Sie sei eine „hochflexible Universalkraft“, also auch „Texterin, Mediengestalterin, Eventmanagerin, Moderatorin, Online-Redakteurin, Ghostwriterin, Auskunft und Problemlöserin“. Eine der größten Herausforderungen für die Kommunikation von Kommunen sieht Kießling darin, eine immer heterogener werdende Zielgruppe zu erreichen. Die Verlagerung von klassischen Medien zu Social Media würde das zusätzlich erschweren. Das breite Aufgabenspektrum, der Gestaltungsspielraum und die Möglichkeit, selbstständig zu arbeiten, nennt Kießling als Gründe, warum sie gerne für die Stadt tätig ist.

Auf der anderen Seite ist das Potenzial, sich beruflich weiterzuentwickeln, in einer Kleinstadt begrenzt. Budgets wachsen nicht in den Himmel. Aufgaben wiederholen sich. Es möchte auch nicht jeder auf dem Land wohnen oder pendeln. Mit Journalist*innen zu kommunizieren, ist für viele ein Grund dafür, PR zu machen. Gibt es keine lokalen Redaktionen mehr, fällt das weitgehend weg.
Chancen bieten dagegen die Social Media, auf die Städte und Behörden kaum verzichten können, wenn sie professionell informieren wollen. Julia Lupp hat die eigenen Kanäle in Taunusstein ausgebaut. Es gibt Podcasts, Videos und das städtische Mitteilungsblatt „Taunussteiner Stadtnachrichten“ als E-Paper. Zu Lupps Aufgaben kommen das Community-Management in den sozialen Netzwerken, die Betreuung der Website und die Entwicklung von Kampagnen. Plus: die interne Kommunikationsberatung. Ohne Angestellte aus Fachabteilungen, die Lust auf Kommunikation haben, wird es in Kleinstädten wohl nie gehen.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe #Medienarbeit. Das Heft können Sie hier bestellen.

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