Was kommt nach Paris?

IOC

Wenn das Internationale Olympische Komitee (IOC) Zahlen zur Medienarbeit rund um die Olympischen Spiele veröffentlicht, klingen diese gewaltig. Etwa fünf Milliarden Menschen seien in Paris 2024 über TV und digitale Kanäle erreicht worden. Das entspricht 84 Prozent der möglichen Weltbevölkerung. 24.171 Akkreditierungen für Medienvertreter wurden erteilt, 5.733 an Print- und Foto-Journalisten von 2.113 Medienorganisationen. Hinzu kommen Teams der Rechteinhaber und der Olympic Broadcasting Service (OBS). Via Social Media hätten die Spiele in Frankreich ein Engagement von 16,7 Milliarden erreicht. Allein 450.000 Bilder lieferten die Fotoagenturen Reuters, AP, AFP, Getty Images und Xinhua News Agency.

Der scheidende IOC-Präsident Thomas Bach sprach von den meistverfolgten Spielen aller Zeiten. „Bild“ war ebenfalls völlig aus dem Häuschen. „Merci, Paris! Die besten Spiele aller Zeiten“ lautete die Überschrift eines Artikels. Andere Medien teilten die Euphorie.

Selbst wenig Sportinteressierte saßen während der Spiele in Paris vor ihren Empfangsgeräten und fieberten bei Leichtathletik, Schwimmen, Turnen, Handball oder Beach-Volleyball mit. Bei den Känguru-Bewegungen einer australischen Breakdancerin konnte plötzlich jeder mitreden. Der Weltrekord des schwedischen Stabhochspringers Armand Duplantis wurde zu einem globalen Medienereignis. Das Bild des Surfers Gabriel Medina, der in der Luft zu schweben schien, dürfte in die Geschichte eingehen. Christian Klaue, Director Corporate Communications and Public Affairs des IOCs, zeigt sich von Paris 2024 ebenfalls begeistert. Als einen Grund nennt er die Sportstätten vor den historischen Kulissen von Paris. Die Anlagen befanden sich rund um den Eiffelturm, auf dem Place de la Concorde, entlang der Seine oder im Grand Palais. Es wirkte, als ob die Welt nach der Coronazeit ein solches Sportevent, das die globalen Krisen für ein paar Wochen in den Hintergrund drängt, herbeigesehnt hätte.

Nachhaltiger und weiblicher

Zum Gespräch im Headquarter des IOC im schweizerischen Lausanne hat Klaue reichlich Zahlen mitgebracht, die den Erfolg der Spiele unterstreichen. Es sei gelungen, die CO2-Emissionen im Vergleich zu London 2012 und Rio de Janeiro 2016 um 54 Prozent zu reduzieren, was vor allem daran lag, dass Sportstätten bereits bestanden oder wieder abgebaut werden konnten. 9,5 der 10 Millionen Tickets seien verkauft worden. „Wir hatten in Paris die Ambition, deutlich zu machen, dass es Spiele einer neuen Ära sind – die ersten nach der Reform der olympischen Agenda: nachhaltiger, weiblicher, jünger. Diese drei Schlagworte haben wir immer wieder genutzt“, sagt Klaue.

Das IOC gehört wie die Fifa zu den Sportorganisationen, deren Aktivitäten hochgradig politisch sind. Das Sport-Business erzielt Milliardenumsätze. Staaten nutzen Sportereignisse wie die Olympischen Spiele und Fußball-Weltmeisterschaften, um sich der Welt zu präsentieren oder wie China und Katar ihr Image aufzupolieren. Es ergeben sich Menschenrechts- und Nachhaltigkeitsfragen. Die Vergabe der Veranstaltungen wird regelmäßig von Korruptionsgerüchten begleitet. Doping ist ein Dauerthema im Sport. Die Frage, ob höher, schneller, weiter noch in die Zeit passt, stellt sich ebenfalls. Etwas Besseres als die Spiele in Paris hätte dem IOC nach den durch Corona eingeschränkten Sommerspielen 2021 in Tokio und den Winterspielen in Peking 2022 nicht passieren können.

Die IOC-Kommunikation

Christian Klaue (50) ist seit 2019 Director Corporate Communications and Public Affairs beim IOC. Rund 40 Personen arbeiten in seinem Team. Vorher war er unter anderem für die Kommunikation des Deutschen Olympischen Sportbunds verantwortlich, wodurch auch die Verbindung zu IOC-Präsident Thomas Bach entstand. Zwischen 2015 und 2018 arbeitete Klaue schon einmal für das IOC und war für die Kommunikation in den deutschlandsprachigen Ländern verantwortlich. Sein Team ist wie Digitales und Marketing sowie Nachhaltigkeit dem Generaldirektor Christophe De Kepper zugeordnet.

Davon abgetrennt ist der „Spokesperson’s Service“, der für die Kommunikation von IOC-Präsident Thomas Bach verantwortlich ist. Mit dem Briten Mark Adams hat Bach einen eigenen Sprecher und ein vierköpfiges Kommunikationsteam. Adams war vor seinem Wechsel zum IOC 2009 zehn Jahre lang Director of Communications des Weltwirtschaftsforums in Davos. Unterstützt wird die IOC-Kommunikation durch ein etwa 40-köpfiges Digital- und Marketing-Team in Lausanne sowie 75 Mitarbeitende in Madrid, die olympics.com, die Website der Olympischen Spiele, entwickeln und redaktionell betreuen.

Aufbau der Kommunikationsabteilung des IOC.

Der Aufbau der Kommunikationsabteilung des IOC.

Klaue beschreibt das IOC und die Olympischen Spiele als „Communications Machine“. „Die Olympischen Spiele sind die größte und globalste Kommunikationsplattform der Erde. Ihre Mission ist, die Welt im friedlichen Wettstreit zu vereinen. Gleichzeitig müssen wir aber mit den real existierenden Konflikten auf der Welt umgehen und sie kommunikativ auffangen, um unsere Mission erfüllen zu können.“

Alles drehe sich um Kommunikation. Der Krieg in der Ukraine berührt zum Beispiel die Frage, inwieweit russische Athleten an den Spielen teilnehmen dürfen. Von Russland gingen gegen das IOC gerichtete Fake-News-Kampagnen aus. Der Konflikt in Gaza beeinflusst die Spiele ebenfalls. Neben einem israelischen Team gingen in Paris acht Sportler für Palästina an den Start. Bei Sportevents dieser Größe besteht immer ein erhöhtes Risiko für Terroranschläge. Das IOC hat sich politisch zur Neutralität verpflichtet.

Vor und während der Spiele

Die Kommunikation unterteilt sich in zwei Phasen: die Zeit zwischen den Sommer- und Winterspielen sowie die Veranstaltung selbst, die sich inklusive Einzug der Athleten ins Olympische Dorf über knapp vier Wochen zieht.

Die Zeit vor dem Event ist dadurch geprägt, Storys zu platzieren. Es gibt einen Kommunikationsfahrplan mit Fixpunkten wie der Fertigstellung der Sportstätten, dem Recruiting der Volunteers, dem Start des Ticketverkaufs, der Entzündung des Olympischen Feuers, dem Fackellauf und der Qualifikation der Athleten. „Während der Spiele geht es vor allem darum, die hohe Zahl von Anfragen und die Journalisten irgendwie zu managen“, erklärt Klaue. Die Olympischen Spiele in Paris gehörten nach den US-Wahlen und der extremen Hitze des Jahres zu den auf Google am häufigsten gesuchten News Topics. Die algerische Boxerin Imane Khelif landete hinter Donald Trump, Prinzessin Catherine und Kamala Harris bei den Personen auf Rang vier.

Der Fall Khelif hatte weltweit zu einer Kontroverse geführt, weil es Unklarheiten über ihr Geschlecht gab und die Frage im Raum stand, ob sie als Mann gesehen werden müsste. Tests vor den Spielen hatten ergeben, dass die spätere Olympiasiegerin einen erhöhten Testosteron-Wert aufwies. Nach ihrer Niederlage verweigerte eine italienische Boxerin Khelif den Handschlag. Die Algerierin wurde in den sozialen Netzwerken mit Hass überschüttet. Die Debatte wurde angeheizt, weil X-Eigentümer Elon Musk und die Harry-Potter-Autorin J. K. Rowling ihre Reichweite nutzten, um Khelifs Teilnahme als unfair darzustellen. Das IOC blieb bei der Linie, dass Khelif alle Kriterien für eine Teilnahme im Frauen-Wettkampf erfüllt habe.

Zu Diskussionen führte zudem die Eröffnungsfeier in Paris. Als Teil der Show hatten sich Dragqueens um eine Tafel versammelt. Ein fast unbekleideter blau angemalter Mann saß in einem Blumenbeet. Die Empörung schlug auch deswegen solche Wellen, weil die Szene an „Das letzte Abendmahl“ von Leonardo da Vinci erinnerte und Christen ihre Religion parodiert sahen. Weitere Aufreger waren die Wasserqualität der Seine und die Frage, ob die Triathlon-Wettkämpfe wegen Verunreinigung abgesagt werden müssen. Sabotage am TGV-Bahnnetz in Frankreich weckte Angst vor einem Terroranschlag. Die Kommunikation übernahmen entsprechend überwiegend die Sicherheitsbehörden.

Während der Abschlussfeier erfolgte das Handover an Los Angeles, wo 2028 die Sommerspiele stattfinden. Im Februar 2026 stehen die Winterspiele in Mailand und Cortina d’Ampezzo an, deren kommunikative Bedeutung deutlich kleiner als die der Sommerspiele ist, weil weniger Nationen teilnehmen. In Paris kamen Sportler aus allen 206 Nationalen Olympischen Komitees. Erstmals herrschte Geschlechterparität zwischen Athletinnen und Athleten.

Förderer des Sports

Das IOC versteht sich als Advokat des Sports. Dieses Selbstbild prägt die Kommunikation der Organisation abseits der Spiele. „Wir wollen den Sport positionieren mit all seinen positiven Eigenschaften“, sagt Klaue. Hier geht es um die Rolle des Sports in der Gesellschaft, die Jugendförderung oder die Entwicklung von Karrieren. Das IOC besitzt einen Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen. Die Interessen des Sports sollen sich in den Strategien der UN wiederfinden.

In der Bewegtbildkommunikation stehen Sportmomente im Mittelpunkt. Auf Instagram hat das IOC fast 15 Millionen Follower. Auf Tiktok unter dem Handle @olympics ebenfalls. Informationen verteilt das IOC zusätzlich über Whatsapp, Snapchat, Youtube, X, Facebook und nationale Plattformen wie Weibo in China. Das IOC unterscheidet zwischen B2B- und B2P-Kommunikation. Das „P“ steht für People. „Wir wollen nicht nur Fans erreichen, sondern auch die, die später vielleicht mal Fans werden“, sagt Klaue. Die Website olympics.com ist inzwischen eine Nachrichtenplattform für Sport. Im Mittelpunkt stehen vor allem die olympischen Sportarten. Bei den präsentierten Athleten gibt es oft einen Bezug zu den Olympischen Spielen.

Christian Klaue (m.) leitet seit 2019 die Kommunikation des IOC. Mit Noch-Präsident Thomas Bach (l.) und Sprecher Mark Adams tauscht er sich regelmäßig aus. © IOC

Christian Klaue (m.) leitet seit 2019 die Kommunikation des IOC. Mit Noch-Präsident Thomas Bach (l.) und Sprecher Mark Adams tauscht er sich regelmäßig aus. © IOC

Sport kommt über Emotionen. Das zeigt sich beim Content, der gut läuft. Zum Beispiel wie Sport früher war und wie er heute ist. Turnen 1928 und 2024 zum Beispiel. Oder Momente wie 1992 in Barcelona, als sich der 400-Meter-Läufer Derek Redmond nach dem Start verletzte und dann von seinem Vater bis zum Ziel gestützt wurde, während ihn die Kampfrichter von der Bahn holen wollten. Geschichten über Volunteers funktionieren ebenfalls.

Eine wesentliche Rolle spielt die Kommunikation von IOC-Präsident Thomas Bach. Der Deutsche Sportfunktionär steht der Organisation seit 2013 vor, wird im Sommer 2025 nach zwei Amtszeiten aber nicht mehr antreten. Bach ist seit Jahrzehnten in Führungsrollen im IOC tätig. Korruptionsvorwürfe wie die rund um die Vergabe der Winterspiele an Salt Lake City 2002 prägen das Image des IOC bis heute. Doch selbst Kritiker finden zu Bach inzwischen positive Worte. Die Agenden 2020 und 2020+5 sind ein Reformprogramm. Es sieht vor, dass bei der Vergabe der Spiele soziale Aspekte und Nachhaltigkeit Kriterien sein sollen. In Paris fanden Wettbewerbe häufig in bestehenden Sportstätten statt. Bei Energie, Transport und Verpflegung ist die Ressourcenschonung ein Gesichtspunkt.

Spiele auf allen Kanälen

Auch jüngere Zielgruppen verfolgten die Spiele intensiv. Die Zahl der Social-Media-Follower stieg auf den verschiedenen Kanälen des IOC um 32 Millionen. Klaue: „Man darf nur nicht den Fehler machen und einfach TV-Zahlen vergleichen. Wir leben in einer anderen Welt als noch vor zehn Jahren. Die Spiele werden heute anders konsumiert. TV macht weiterhin einen riesigen Teil aus, aber online kommt mehr und mehr dazu. Entscheidend ist die Gesamtreichweite.“ In den USA freute sich Rechteinhaber NBC Sports kürzlich über Rekordzahlen. Mit Streaming-Anbietern wie Netflix gibt es Kooperationen. Mitte Februar startete „Court of Gold“. Teams wurden während des olympischen Basketballturniers begleitet.


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Die Medienarbeit des IOC ist immer wieder Kritik ausgesetzt. Möglichkeiten der Berichterstattung seien teilweise eingeschränkt. Oder bei Pressekonferenzen in Lausanne würden nur Top-Medien akkreditiert. Man wolle sich abschotten. Kommunikationschef Klaue sieht das anders. Thomas Bach stehe nach jeder der jährlich vier Exekutivsitzungen im Jahr für Interviews zur Verfügung. Es gebe zusätzlich zwischen 15 und 30 Interviews, Pressekonferenzen und Medientreffen – beispielsweise auf Auslandsreisen. „Es dürften zwischen 25 und 50 Medieninteraktionen im Jahr sein. Unsere Medienkonferenzen in Lausanne sind seit Covid online und für Journalisten aus aller Welt ohne Beschränkung offen. Meist haben wir rund 100 Teilnehmer. Neulich dankte der langjährige AP-Reporter in einer Pressekonferenz für diese Zugänglichkeit, die er als sehr positiv bewertete. Ähnlich äußerten sich andere Medienvertreter“, sagt Klaue.

Er stört sich vor allem an Einseitigkeit in der Berichterstattung, wenn positive Aspekte der IOC-Arbeit keinen Raum finden. „Mit einer Metapher aus dem Sport gesprochen: Beim Boxen darf man kein Glaskinn haben und muss auch einstecken können. Solange alles regelgerecht und respektvoll abläuft, ist das Teil der Übung. Wenn aber der Respekt verloren geht und keine Regeln mehr gelten, dann wird es schwierig mit dem Miteinander.“ Er erlebe es immer wieder, dass ausgeteilt werde, anschließende Kontaktaufnahmen jedoch unbeantwortet blieben. „Schade eigentlich, denn Kommunikation ist ja eine Zweibahnstraße.“

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe #Strategie. Für online wurde der Text leicht adaptiert. Das Heft können Sie hier bestellen.

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