Eines der wichtigsten Themen auf dem diesjährigen Kommunikationskongress war das Thema Haltung. Sollen sich Unternehmen zu politischen Themen äußern und gar positionieren? Und wie geht man mit AfD-Wählern in der Belegschaft um?
„Es gibt kein unpolitisches Unternehmen“, sagte Torsten Albig, Director External Affairs bei Philip Morris und ehemaliger Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, auf einem Panel am Freitag zum Thema „Haltungswelle 2024: Weshalb Unternehmen und CEOs sich zu politischen Fragen äußern“. Jedes Unternehmen sei politisch, weil es in einem politischen Umfeld agiere. Sich nicht zu äußern, sei ebenfalls eine Haltung. Mitarbeiter würden eine Positionierung oder Richtungsvorgabe ihres Arbeitgebers erwarten. Dafür gebe es Führungskräfte.
Geschäftsmodell bedroht
Bei Evonik sieht man das historisch bedingt ähnlich. Durch seine Vorgängerunternehmen ist der Essener Chemiekonzern mit einer NS-Vergangenheit belastet. Konzernsprecher Jörg Wagner sprach von einer Leuchtturm-Funktion, die das Unternehmen vor diesem Hintergrund erfüllen müsse: „Wir sagen klar: Die AfD ist ein Problem für uns.“ Auch gefährde die Partei das Geschäftsmodell, da sie gegen offene Exportmärkte eintritt. Wagners Kollege Norbert Neß, Head of Strategic Communications and Governmental Affairs, berichtete in einem parallel stattfindenden Panel von den Bemühungen, Auszubildende für Antisemitismus zu sensibilisieren und Führungskräfte zum Thema Demokratieförderung zu schulen. Arbeitgeber könnten durch solche Maßnahmen einer möglichen Unterwanderung von Betrieben und Gewerkschaften durch die AfD entgegentreten. Es gehe auch darum, Sorgen aus dem Ausland zu begegnen, wo das Erstarken des Rechtspopulismus in Deutschland aufmerksam beobachtet wird.
Den Standort zu stärken, war die wesentliche Motivation für Jenoptik, mit der im November 2023 gegründeten Initiative #Bleiboffen ein Zeichen für Offenheit, Toleranz und Diversität zu setzen. Später schloss sich das Jenaer Unternehmen der landesweiten Kampagne „Weltoffenes Thüringen“ an. Kommunikationschefin Sabine Klisch betonte, das Unternehmen kommentiere keine Wahlergebnisse. Dennoch sah sich das Unternehmen, in dem Klisch zufolge schätzungsweise 30 Prozent der Mitarbeitenden AfD wählen, nach der Wahl des ersten AfD-Landrats in Sonneberg im Juli 2023 zum Handeln gezwungen. Die Toleranz-Kampagne habe eine große Unterstützung bei den Mitarbeitenden gefunden, sagte Klisch. Die Testimonials seien alle Mitarbeitende aus dem Unternehmen. Positive Geschichten standen im Fokus. Und für Klisch ein wichtiger Aspekt: Die Kampagne verhalf Erfolgsgeschichten zu Sichtbarkeit. Ein Narrativ gegen die negativ geprägte mediale Darstellung des Ostens, wie die Kommunikatorin heraushob.
Markenkern entscheidend
Gegen die AfD positionieren, das Unternehmenslogo in Regenbogenfarben tauchen – müsste man dann nicht, so fragte Moderatorin Janna Linke, auch Haltung zeigen gegen andere Ungerechtigkeiten in der Welt? Wie bestimmen Unternehmen, zu welchen Themen sie sich positionieren?
Haltungskommunikation müsse zum Markenkern passen und den Unternehmenswerten entsprechen, sagte Jenoptik-Kommunikationschefin Klisch. Jenoptik sei in Thüringen verwurzelt, habe einen ostdeutschen Konzernchef. Marke und Umfeld würden stimmen.
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Andreas Möller, Leiter Unternehmenskommunikation, Politik und Marke bei Trumpf, sagte, man müsse eine Erwartungshaltung schaffen, die beispielsweise Journalisten klar macht, für welche Themen das Unternehmen steht. Diese müsse der „Kopf an der Spitze“ definieren. Haltung bedeute zudem nicht, nur zu großen Themen Position zu beziehen, sondern fortwährend, im Falle von Trumpf etwa auch zur CO2-Abgabe. Albig stimmte zu: „Haltung ist eine Haltung, wenn sie keine Mode ist.“ Es gehe nicht um eine singuläre Aktion, sondern um einen langwierigen Prozess. Definierte Unternehmenswerte müssten stetig nach außen getragen werden. Der Tabakkonzern Philip Morris würde daher Demokratieprojekte fördern.
Auch Sabine Klisch sagte mit Hinblick auf die Ergebnisse der Landtagswahlen in Thüringen, die Kampagne #Bleiboffen sei nicht umsonst gewesen. „Es ist ein langfristiger Prozess. Und irgendwann muss der ja mal begonnen werden.“