TV-Duell: Pläne ohne Weitsicht

Politische Kommunikation

„Ein Anachronismus in Form, Inhalt und Besetzung“, schreibt Marina Kormbaki in ihrem „Spiegel“-Kommentar. „Olaf Scholz und Friedrich Merz sind vor allem Sachverwalter im Hier und Jetzt“, schlussfolgert Uli Hauck vom ARD-Hauptstadtstudio in seinem Kommentar für die „Tagesschau“.

Das erste TV-Duell zu den Bundestagswahlen am 23. Februar bot tatsächlich weder Einblicke noch eine konkrete Frage hinsichtlich der Zukunftsfähigkeit Deutschlands.

Die beiden Moderatorinnen Sandra Maischberger und Maybrit Illner starteten mit den Thema, das bereits die letzten Wochen den Wahlkampf bestimmt hat: Der Antrag der Unionsfraktion zu einer verschärften Migrationspolitik, der mit den Stimmen der AfD im Bundestag angenommen wurde. Im Anschluss folgte eine Diskussion, in der sich die beiden Kandidaten gegenseitig mit Zahlen und harten Maßnahmen in der Asylpolitik überbieten wollten.

Migration = Abschiebungen

„Wir haben die Abschiebungen um 70 Prozent gesteigert, seitdem ich Kanzler bin“, sagt Scholz. Die Zahlen der illegalen Einwanderung seien gesunken, betont auch Illner. Doch Merz reicht das nicht: „Wir haben in vier Tagen so viele Zuwanderer wie in einem Monat abgeschoben werden“. „Ich habe gefordert, dass wir mehr Abschiebeeinrichtungen in Deutschland bauen“, unterstreicht Scholz.

Nach einer Auswertung von „Zeit Online“ entfiel die meiste Redezeit der Kandidaten auf die Themen Asylpolitik (12:46 Minuten) und Brandmauer (7:52 Minuten). Erst in der 26. Minute des TV-Duells sagte Maischberger: „Wir würden gerne tatsächlich die Zeit heute nutzen, um nicht nur über die Migration zureden.“

Das Thema Migration und Asylpolitik taucht im Laufe des Duells fast ausschließlich in einem negativen Kontext auf.

Wirtschaftspolitik zum Status quo

Als zweites Thema kommt die Wirtschaftspolitik, das in der „Zeit Online“-Auswertung mit 6:56 Minuten Redezeit der Kandidaten auf den dritten Platz der meistdiskutierten Themen landet. Während Scholz die Maßnahmen der Bundesregierung zur Stabilisierung der Wirtschaft verteidigt, kritisiert Merz die hohe Inflation und wirtschaftliche Unsicherheit. Scholz bietet 15 Euro Mindestlohn, ein SPD-Kassenschlager. Merz verspricht das Klimageld als Kompensation für die unteren Einkommensklassen und Reaktion auf die anstehende CO₂-Bepreisung. Die Einführung des Klimagelds wurde bereits 2021 im Koalitionsvertrag der Ampel festgehalten, doch sie scheiterte.

Das Thema Künstliche Intelligenz kommt kaum vor. Scholz betont zwar die Notwendigkeit, in Zukunftstechnologien zu investieren und Merz kritisiert, dass Deutschland in puncto Digitalisierung und Innovation zu langsam sei, doch konkrete Maßnahmen oder Strategien werden nicht diskutiert.

Worüber nicht gesprochen wurde

An letzter Stelle der meistdiskutierten Themen laut Auswertung von „Zeit Online“ taucht das Thema Klimapolitik. In 1:37 Minuten ist alles zum Thema gesagt. Das Thema Bildung wird gar nicht diskutiert.

Wie wollen die Kandidaten den Herausforderungen des Klimawandels trotzen, der durch Katastrophen in immer kürzeren Abständen weltweit für persönliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Disruptionen sorgt? Mit welchen Mitteln sollen sich Deutschland und auch Europa künftig aufstellen, um den rasanten Entwicklungen der Künstlichen Intelligenz in den USA und China etwas entgegensetzen zu können? Mit welchen Lösungen wollen sie der Transformation des Arbeitsmarktes begegnen, die angetrieben durch rapide Entwicklungen hinsichtlich Digitalisierung und KI neue Bildungsvoraussetzungen, Bedingungen und Formen der Zusammenarbeit schafft? Wie wollen sie den Fachkräftemangel lösen, um den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken? Wie soll Deutschland angesichts der sich überschlagenden und alarmierenden Veränderungen in den USA reagieren?

All diese Fragen wurden nicht gestellt.

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