Die Reden der deutschen Dax-Vorstandsvorsitzenden werden immer kürzer. Dabei büßen sie offenbar nicht an Verständlichkeit ein, wie eine Untersuchung (PDF) der Universität Hohenheim in Stuttgart zeigt.
Im Jahr 2010 bestanden die Reden der Dax-CEOs auf den Jahreshauptversammlungen noch aus durchschnittlich 4.163 Wörtern. Seitdem sind sie deutlich kürzer geworden. 2025 bestehen die CEO-Reden erstmals aus weniger als 3.000 Wörtern (2.879 Wörter). „Der Trend zu knapper Kommunikation, den wir nahezu überall in der Gesellschaft beobachten können, scheint auch bei den CEOs angekommen zu sein“, kommentiert Kommunikationswissenschaftler und Studienleiter Frank Brettschneider.
Timotheus Höttges bleibt verständlichster CEO
Seit 2010 untersuchen Brettschneider und sein Team, wie verständlich die Vorstandsvorsitzenden der Dax-30- beziehungsweise Dax-40-Unternehmen auf ihren Hauptversammlungen sprechen. Dazu haben sie den „Hohenheimer Verständlichkeits-Index“ gebildet, mit dem sie Texte unter anderem nach verschiedenen Faktoren wie Satzlänge oder den Anteil abstrakter Wörter analysieren.
Die formal verständlichste Rede hielt in diesem Jahr erneut Telekom-Chef Timotheus Höttges mit der maximalen Punktzahl von 20,0 Punkten. Auf Platz 2 und 3 folgen der Vorstandsvorsitzende von BMW, Oliver Zipse, mit 19,3 Punkten und Beiersdorf-Chef Vincent Warnery mit 18,9 Punkten.
Im Schnitt erreichen die Reden einen Verständlichkeits-Wert von 14,3 Punkten. Das sind 0,2 Punkte weniger als im letzten Jahr (14,5), und 4,3 Punkte mehr als im Jahr 2010 (10,0). Zum Vergleich: Hörfunk-Nachrichten kommen auf durchschnittlich 16,4 Punkte, Politik-Beiträge überregionaler Zeitungen wie der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ oder der „Süddeutschen Zeitung“ auf Werte zwischen 11 und 14.
Acht Reden haben mehr als 18 Punkte erreicht. Sechs Reden liegen unter zehn Punkten.
Negatives in Schachtelsätzen verpackt
Neueinsteigerin Helen Giza, CEO von Fresenius Medical Care, belegt mit 5,3 Punkten den letzten Platz. Hans Dieter Pötsch (Porsche SE, 6,7 Punkte) und Merck-Chefin Belén Garijo (7,2 Punkte) haben sich gegenüber dem Vorjahr zwar verbessert, belegen aber dennoch den vorletzten respektive den drittletzten Platz.
Den größten Zugewinn an Verständlichkeit gibt es mit plus 6,1 Punkten bei Armin Papperger (Rheinmetall) und mit plus 4,1 Punkten bei Nikolai Setzer (Continental). Bemerkenswert sind den Forschenden zufolge die Auftritte von Oliver Blume: Während er als CEO der Porsche AG mit 16,5 Punkten relativ gut abschneidet, ist seine Rede als CEO von VW mit 12,4 formal unverständlicher.
Die Verständlichkeit einer Rede liege nicht nur am CEO, sondern auch an Faktoren wie den Redenschreibern und dem Zustand des Unternehmens, erläutert Brettschneider. „So gibt es über die Porsche AG mehr Positives zu berichten als über VW. Unangenehmes wird jedoch oft in Schachtelsätzen verpackt. Das reduziert die Verständlichkeit.“
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Zudem machen den Forschenden zufolge komplizierte Fachausdrücke, Anglizismen und zusammengesetzte Wörter Texte unnötig kompliziert. Auch in den diesjährigen Reden finden sich demnach Wortungetüme wie „FME25-Transformationsprogramm“ (Giza, Fresenius MC), „Antikörper-Wirkstoff-Konjugate“ (Garijo, Merck) oder „Sustainable-Future Solutions“ (Kamieth, BASFS). Immer öfter würden Vortragende schwierige Begriffe aber erklären.
Auftritt schlägt Verständlichkeit
Telekom-Chef Timotheus Höttges führt auch ein weiteres Ranking an, das vom „Handelsblatt“ kürzlich veröffentlicht wurde. Die Ergebnisse der Hohenheim-Untersuchung zur Verständlichkeit der Reden flossen in diese Bewertung ein. Außerdem analysierte die Zeitung in Kooperation mit dem European Speechwriter Network das Manuskript sowie den Auftritt und die Inszenierung der Reden. Im „Rhetorikcheck“ des „Handelsblatt“ erreicht Höttges 183 von insgesamt 210 möglichen Punkten. Jedes Detail seiner Rede, so schreibt die Zeitung, zahle auf Höttges zentrale Botschaft ein: „Wandel macht uns stark“.
Dass Verständlichkeit allein nicht ausreicht, um das Publikum zu überzeugen, zeigt indes das Beispiel Oliver Zipse. Der BMW-Chef, der im Hohenheim-Ranking direkt hinter Höttges liegt, erreicht im „Handelsblatt“-Ranking unter Berücksichtigung seines Bühnenauftritts mit 122 Punkten nur den letzten Platz.