Greenwashing verhindern – dieses Ziel wollte die Europäische Kommission mit der Green-Claims-Richtlinie durchsetzen. Aussagen wie „klimaneutral“ oder „energieeffizient“ sollten lediglich dann verwendet werden dürfen, wenn sie wissenschaftlich belegt und von einer unabhängigen Stelle zertifiziert wurden. Als Folge sollte nicht nur das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher gestärkt, sondern auch der Konsum nachhaltiger Produkte angekurbelt werden. Im März 2023 wurde der Vorschlag eingebracht. 2027 sollte die Richtlinie in Kraft treten. So der Plan.
Doch am 20. Juni gab die EU-Kommission bekannt, die Richtlinie wieder zurückziehen zu wollen. Und das kurz vor den sogenannten Trilog-Verhandlungen, an denen neben der Kommission auch das Europäische Parlament und der Europäische Rat beteiligt sind. Der Verkündigung vorausgegangen war Kritik der Europäischen Volkspartei (EVP). Einem Bericht von „Politico“ zufolge hatte die Mitte-Rechts-Partei in einem Brief die zuständige Umwelt-Kommissarin Jessika Roswall dazu aufgefordert, den Vorschlag zurückzuziehen, und damit gedroht, die Unterstützung bei der Abstimmung im Parlament zu verweigern.
In einer weiteren schriftlichen Erklärung begründete die Europäische Kommission den Schritt damit, dass die laufenden Gespräche mit den EU-Ländern und den Europaabgeordneten „der Vereinfachungsagenda der Kommission zuwiderlaufen“. Die Bundesregierung teilt die Bedenken der EVP. Die Green-Claims-Richtlinie sei kontraproduktiv und nicht mehr zu retten, erklärte sie nach der Verkündigung am 20. Juni.
Vorabprüfung
Die Wirtschaft plädierte seit langem dafür, die Green-Claims-Richtlinie auf eine Weise zu vereinfachen, dass sie für alle Unternehmen auch praxisnah handhabbar sei – vom Mittelstand bis zu den international tätigen Herstellern, sagt Patrick Kammerer, Hauptgeschäftsführer des Markenverbands. Markenhersteller investierten allein in Deutschland 15 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung. Sie seien Treiber von Innovation, besonders auch im Bereich der Nachhaltigkeit.
„In der aktuellen Fassung würde die Green-Claims-Richtlinie jedoch das Gegenteil bewirken: Sie würde Innovationen insgesamt verlangsamen und den Binnenmarkt in Europa hemmen. Die neue EU-Kommission hatte hingegen versprochen, Bürokratie abzubauen und Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Deshalb hat der Markenverband bei der Bundesregierung, der EU-Kommission und im Europäischen Parlament dafür geworben, dass die Richtlinie wesentliche Änderungen erhält“, erklärt Kammerer.
Strittig sei besonders das sogenannte „Ex-ante-Approval“. Demnach müsse ein Claim, bevor er verwendet werden darf, vorab von externen Prüfern begutachtet und genehmigt werden. Ein nationales Gesetz müsste regeln, wer dafür zuständig ist. Ebenfalls unklar blieb bis zuletzt die Frage nach der Dauer, die diese Prüfung in Anspruch nehmen darf. Nach aktuellem Stand der Verhandlungen seien es 30 Tage. „Und wenn nötig, länger.“ Zu lange für Hersteller, die Neuerungen auf den Markt bringen wollen, denn die Innovationsrendite schwindet, je länger es dauert.
Auch der Zentralverband Deutsches Baugewerbe begrüßt die Ankündigung, die Green-Claims-Direktive zurückzunehmen. „Für die Baubetriebe wäre der bürokratische Aufwand enorm gewesen – ganz zu schweigen von den Kosten für externe Nachweise und Zertifizierungen“, erklärt Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa.
Noch wurden die Verhandlungen nicht gestoppt. Und die Billigung durch das Kollegium der Kommissionsmitglieder steht auch noch aus. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sucht derzeit eine Lösung am Verhandlungstisch.
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