In Berlin wurde vergangene Woche die St.-Hedwigs-Kathedrale nach über sechs Jahren grundlegendem Umbau neu eröffnet. Der zuletzt nach dem Zweiten Weltkrieg wiederhergerichtete Bau hat nochmals ein komplett neues Gewand erhalten. Und das ist vor allem eines: weiß.
Weiß sind die Wände, die Säulen und der Fußboden. Die großen Portaltüren, das Orgelgehäuse und die neue Decke, die ins Kuppeldach eingezogen wurde – alles weiß. Minimalistisch nennen das die einen, eine Kirche im Stil eines großen schwedischen Möbelhauses frotzeln andere.
Einsicht für mehr Durchblick
Was die neue Hedwigs-Kathedrale auf jeden Fall ist: schlicht. Schlicht, betont reduziert und von großer Klarheit. Keine Verschnörkelung, keine Ornamente – nichts, was ablenkt. Alles ist auf den Punkt gebracht. Architektonisch im wahrsten Wortsinn unverstellt, klarer Blick von allen Punkten zu allen Punkten. Kirchliche Transparenz sozusagen. Das Einzige, das nicht transparent ist, sind die Fenster. Das ist ein Manko, hier hoffe ich einfach mal auf Einsicht für mehr Durchblick und dass sich beim ersten kleineren Relaunch des Raumes jemand diese Baustelle noch einmal vornimmt.
Was hat das Ganze aber nun mit Kommunikation zu tun? Zweierlei.
Das eine ist schnell erklärt, denn der Umbau hat Berlins katholische Bischofskirche nicht nur in ein sehr reines Weiß getaucht, er hat auch alle Höhenunterschiede entfernt. Das berühmte Loch in die Unterkirche gibt es nicht mehr (worüber ein medial begleiteter vehementer Streit entbrannt war), den erhöhten Bischofssitz auch nicht. Die gesamte Kommunikation findet jetzt auf einer Ebene statt. Es gibt kein hohes Ross mehr und kein Ständegeränkel zwischen Klerus und Laien. Alle sind auf Augenhöhe unterwegs, sind „Communio“ (Gemeinschaft), wie Berlins Erzbischof Heiner Koch bei der Eröffnung der Kathedrale betonte.
Diese bescheidene Sicht der Dinge würde manch anderen kirchlichen Oberhirten auch guttun. Einfach mal runterkommen. Runter auf die Ebene der Schäfchen, runter vom hohen Ross der Selbstbeweihräucherung – und auch kommunikativ runter vom frommen Singsang in eine Sprache, die die Mitmenschen verstehen.
Klarheit in der Kommunikation
Eine zweite Schlussfolgerung ist aber noch viel wichtiger. Sie betrifft nämlich nicht nur die Fans kathedraler Umbauten und kirchlicher Demokratisierung, sondern alle, die sich professionell mit Kommunikation beschäftigen: Klarheit.
Klar und schnörkellos schreiben, das klingt simpel, ist aber gar nicht so einfach. Dabei hilft uns Klarheit, Texte schneller zu schreiben. Vor allem dann, wenn wir sie in diesen drei Kategorien denken:
- Klarheit der Inhalte,
- Klarheit in der Struktur,
- Klarheit in Formulierungen.
Viele Autoren von Texten tun sich schwer mit dem Einstieg oder mit dem gesamten Text, wenn ihnen die eigentliche Botschaft nicht klar ist. Ich erlebe das immer wieder in meinen Seminaren und dort vor allem im Austausch der Teilnehmerinnen und Teilnehmer untereinander. Wenn sie ins Gespräch miteinander kommen, fällt es vielen leichter, die eigentlichen Inhalte ihrer Texte zu reflektieren und darzulegen – oder zu erkennen, dass sie mit dem lückenhaften Briefing, das sie von Vorgesetzten oder Kunden erhalten haben, gar keinen guten Text schreiben können. Sehen sie dann erst einmal klar, kommen sie schneller und leichter in den Schreibprozess.
Lesen Sie auch:
Das gilt dann auch für die Textstruktur. Ich rate immer dazu, einen Text erst einmal grob zu strukturieren, bevor wir drauflosschreiben. Das ist natürlich auch Geschmackssache. Doch es zeigt sich, dass ein sauber strukturierter Text (für den muss ich aber – siehe oben – erst einmal Kernbotschaft, Inhalte, Ziel und Zielgruppen kennen) deutlich weniger Wiederholungen aufweist.
Wer hingegen ohne inhaltliche Landkarte oder Navi in das Abenteuer Text startet, kann sich in den vielen verschiedenen Aussagen schnell verirren. Darum ist es wichtig, das Ziel zu kennen: Was soll einem der Text sagen? Was will ich als Autor bei den Rezipienten erreichen? Ohne solche Vorgaben nützt auch das beste Navi nichts. Sich vorher eine klare Struktur zu machen, kann enorm helfen.
Konkret und verbindlich schreiben
Und schließlich klare Formulierungen. In manchen Texten „könnte man“, wenn etwas „wäre“, zu dem Schluss kommen, dass jemand etwas machen „sollte“. Alles unverbindlich – oft aus der Annahme heraus, man müsse höflich schreiben. Das ist aber eine falsch verstandene Höflichkeit, die ins Unkonkrete mündet. „Es wäre schön, wenn das mal von jemandem gemacht werden würde …“ Da passiert dann aber wohl erst einmal nichts.
Ich hatte neulich mit einem Industriekonzern relativ lange eine Pressemitteilung abgestimmt. Es ging vor allem um zwei, drei konkrete Zahlen und Größenangaben, damit die Botschaft – die News – für die Empfänger in den Redaktionen verständlich und gut einzuordnen war. Das hat lange gedauert, weil das Unternehmen die Notwendigkeit dafür erst nicht so recht gesehen hat. Der Erfolg der Pressemitteilung hat uns aber im Nachhinein Recht gegeben. Es war gut, so lange um „klare Kante“ zu kämpfen. Genau diese konkreten und klaren Aspekte haben viele Redaktionen aufgegriffen. Ein Hoch also auf das Klare und Unverstellte – in der Architektur ebenso wie in der Kommunikation.