Am falschen Ende gespart

Besser schreiben

Am 8. Mai – also vor knapp zwei Monaten – wurde der US-Amerikaner Robert Francis Prevost in Rom zum neuen Papst gewählt. Schon am Tag darauf – keine 24 Stunden nach der Wahl – kündigten verschiedene Verlage das Erscheinen jeweils einer Biografie dieses in unseren Breiten bislang weitgehend unbekannten Kardinals an, und zwar für Ende Mai. Drei Wochen also von der Wahl bis zum Büchertisch. Da fragt man sich: Wie kann das gehen?

Die Antwort ist eigentlich simpel und zugleich zweigeteilt: Das geht einerseits nur durch ein professionelles Vorgehen und eine lange vorher schon gestartete Vorbereitung. Andererseits – das ist der weniger schmeichelhafte Teil der Erfolgslogik – durch Versäumnisse bei der Qualität.

Erstens also die Vorbereitung: Ein solches Buch schreibt sich realistisch betrachtet nicht in drei Wochen – inklusive Layout, Druck und Vertrieb. Weite Teile werden vorher schon bestanden haben oder wurden wie Textbausteine aus verschiedenen Quellen zusammengesetzt. So wirkte zumindest die Biografie aus dem Herder-Verlag auf mich.

Ein Werk wie aus Textbausteinen

Natürlich war es keine Überraschung, dass sich hinter dem großspurigen Titel „Leo XIV. – Der neue Papst“ nur in kleineren Teilen tatsächlich etwas zum neuen Oberhaupt der katholischen Kirche findet. Das gesamte Buch umfasst knapp 150 Seiten Textinhalt. So richtig etwas über Leo erfährt man ab Seite 97. Alles andere ist weitgehend ein Blick zurück auf seine Vorgänger und auf Vorgänge im Vatikan oder in der Kirche generell. Viele Zahlen, viele Statistiken, viele Geschichten und Anekdoten. Manche Aussagen wiederholen sich auch. Oft in geradezu nervigem Ausmaß. So als habe man es den Lesern noch ein fünftes und sechstes Mal sagen wollen. Vielleicht aber auch eher ein Indiz, dass hier eben Textbausteine zusammengestellt und dann eiligst in eine Reihenfolge verschiedener Kapitel gebracht wurden.

Das kann man machen, da ist nichts Schlimmes dabei. Aber das ist dann eine Zusammenstellung von Material und „keine umfassende Biografie“, wie Herder-Autor Andreas Batlogg es selbst in seinem Vorwort schreibt. Das Buch ist ja auch nicht per se schlecht. Aber man muss sich schon durch allerhand Zahlensammlungen graben, bevor man zum Kern des Titels gelangt. Da hätte ich mir mehr Infos, weniger Aufgewärmtes und vielleicht einfach mehr Zeit für die Vorbereitung gewünscht.

Hinzu kommt aber: Vorbereitung ist nicht alles. Grundsätzlich nicht, und in der Kommunikation schon mal gar nicht. Jede PR-Aktion, jede Einzelmaßnahme von der Pressemitteilung bis zum Advertorial oder eben bis zum Buch entsteht durch Recherche, das Formulieren von Texten und durchs Redigieren. Gerade für Letzteres fehlte bei der Leo-Biografie ganz offensichtlich die Zeit. Sonst wären die vielen Wiederholungen, wechselnden Zahlenangaben und inhaltlichen Ungenauigkeiten vielleicht aufgefallen. Hier wurde leider ein bisschen geschludert.


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Auch beim altehrwürdigen Diogenes-Verlag wird geschludert. Dort hatte man schon im Jahr 2019 das Buch „Die zwei Päpste“ herausgegeben (was mit dem gleichnamigen Film übrigens nichts zu tun hat). Das war ein für die Kirchen- und Gesellschafts-Interessierten durchaus spannend klingendes Werk über (fast) ein Novum in der Kirchengeschichte, aber inhaltlich an vielen Stellen dröge und schlicht mit Fehlern behaftet. So als habe man sich auch hier die Schlusskorrektur gespart – ein Phänomen, das wir leider auch von vielen Tageszeitungen kennen und das sich durch grammatikalische Querschläger zeigt oder durch Rechtschreibfehler und gerne auch in Form falscher oder fehlender inhaltlicher Bezüge daherkommt.

In der Krimi-Serie „Bruno, Chef de police“, die ebenfalls im Diogenes-Verlag erscheint, ein ähnliches Bild. Wer wie ich Kriminalromane liebt, vor allem solche mit Einblicken in die französische Küche, leidet bei jedem Fehler. Da unterhalten sich zwei Menschen, die sich duzen und im nächsten Moment wieder siezen. Personalpronomen werden falsch verwendet, wodurch manche Passagen keinen Sinn ergeben. Fehler offenbar, die bei der Übersetzung aus dem Englischen passiert sind (der Autor Martin Walker ist gebürtiger Schotte und lebt unter anderem in Washington). Das kann passieren – auch wenn es das natürlich nicht sollte. Mindestens aber sollten solche Fehler, die uns Lesern bei der ersten Lektüre sozusagen springend ins Auge fallen, schon im Schlusslektorat entdeckt und korrigiert werden.

Zeit für Recherche und Lektorat einplanen

Was lernen wir daraus für die Kommunikation? Vorbereitung ist wichtig, keine Frage. So wie sich der Erfolg von Krisenkommunikation auch nicht erst in der Krise entscheidet, sondern meist viel früher. Es gilt aber immer auch: Genügend Zeit für das Lektorat lassen, für den prüfenden Blick. Jeder Fehler – ob in der Krise oder im Krimi – kann dem Ansehen schaden.

Zurück zum Papst: Der Herder-Verlag war natürlich nicht das einzige Haus, das nach der Kür des neuen Papstes sogleich eine Biografie angekündigt hatte – und im Übrigen auch nicht das schnellste. Medienberichten zufolge schaffte es ein französischer Verlag, noch schneller ein Buch über Leo XIV. auf den Markt zu bringen. Neben dem Verkaufserfolg, der vermutet werden darf, liegt solchen Projekten natürlich auch immer ein besonderer Reiz zugrunde: Etwas Neues zu machen, das aktuelle Interesse zu bedienen, sich selbst (in diesem Fall als Verlag) zu positionieren und so weiter.

Der Zeitdruck – zumal nach der frühzeitigen Ankündigung, dass am 28. Mai geliefert wird – dürfte enorm gewesen sein. Das ist Stress, aber der kann bekanntlich auch beflügeln. Oder wie die österreichische Schauspielerin Nora Waldstätten jüngst im  „Zeit Magazin“ zu Protokoll gab: „Abgabefristen sind auch schön und machen kreativ.“ Mitunter liefern sie aber auch Fehlerpotenzial, wenn die Zeit dann doch nicht gereicht hat. Das geht mir mit meiner Kolumne genauso. Ich kenne den Abgabeschluss, habe vielleicht auch schon mein Thema, aber der Text muss halt auch noch geschrieben werden. Dafür ist Vorbereitung nicht alles. Wichtig ist sie, das ja. Doch jeder Text entsteht in mehreren Schritten. Bis hin zum Redigieren und zum Schlusslektorat (Danke an meine Lektorin!). Dann ist’s schön und kreativ – und hoffentlich auch gut.

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