„Schreib’s doch selbst“ – KI als Sparringpartner

Schreiben & Texten

Neulich sollte ich für eine Agentur Texte für eine Website schreiben: inhaltlich reich, nach vorgegebenen Keywords, gut lesbar – und suchmaschinenoptimiert. Dafür hat das SEO-Tool der Agentur bei einer der Unterseiten als Textumfang 3.000 Wörter gefordert. Nun weiß ich, dass große Textmengen zur Suchmaschinenoptimierung gehören. Vor allem dann, wenn das Thema keinen USP beschreibt, also im Kampf um Aufmerksamkeit und vorrangige Google-Ergebnisse einen schweren Stand hat – es also darum geht, quasi Quantität statt Qualität zu produzieren und anzubieten.

Aber 3.000 Wörter? Fast acht komplett beschriebene DIN A4 Seiten? Nur damit die Suchmaschine was zu futtern hat?

Ich könne ja zum Aufpumpen der Textmenge KI nutzen, riet mir ein Kollege. Ja ja, die gute alte KI. In einem meiner Seminare zur Pressearbeit erzählte neulich auch ein Teilnehmer, er lasse seine Pressemitteilungen ausschließlich von KI schreiben. Zwei Seiten, drei, vier… Dass KI eine große Hilfe sein kann, aber auch ein großer Hype, hatte ich hier schon einmal geschrieben. KI ist kein Allheilmittel. Sie kann Dinge einfacher machen, schneller zu einer klaren Struktur kommen, keine Frage. Aber sie schreibt keinen guten Text.

Keine Wahrheiten, sondern Wahrscheinlichkeiten

„KI hat keine echte kognitive Leistungsfähigkeit“, sagt Daniel Jungblut, Director Executive Communications bei Palmer Hargreaves und Mitglied des Präsidiums im Verband der Redenschreiber deutscher Sprache (VRdS). In einem formidablen Vortrag wies er vor kurzem noch einmal darauf hin: „Eine KI denkt nicht, sie rechnet.“

Und das ist immer wieder wichtig zu wissen: KI liefert keine Wahrheiten, sondern Wahrscheinlichkeiten. Die so genannte Künstliche Intelligenz ist überhaupt keine Intelligenz – zumindest nicht in sprachlicher Hinsicht, sondern ausschließlich in mathematischer. Gefüttert mit allerhand Trainingsdaten (Texte aus dem Internet, literarische Werke, Zeitungsartikel etc.), über deren Nutzung mit Blick aufs Urheberrecht schon jetzt in den USA vor Gericht gestritten wird – und demnächst auch in Deutschland und Europa, davon können wir ausgehen.

Das heißt, die KI liefert auf all unsere Fragen jede Menge Antworten. Ob die aber „wahr“ sind, wissen wir nicht, sie sind eben nur „wahrscheinlich“. Jeder, der mal in Schule oder Studium eine Klausur verhauen hat, kennt den Unterschied. Und offen bleibt auch, ob wir die Text-Ergebnisse, die die KI liefert, überhaupt verwenden dürfen. Egal ob ganz oder auch nur teilweise: möglicherweise sind die Formulierungen urheberrechtlich geschützt. Darüber machen sich leider immer noch erschreckend wenig Nutzer Gedanken.

Fallstricke im Umgang mit KI

Kein Problem, ändere ich halt die Formulierung, erwidern manche. Das ist möglich, hat aber zwei Haken: Erstens wissen wir nicht, welche Teile der Lieferung geschützt sind und welche nicht (außer wir haben die Primärliteratur im Bücherregal) – also wissen wir auch nicht, was zu verändern wäre. Und zweitens steigt mit der Nachbearbeitung natürlich wieder der Aufwand. Was bedeutet: Wenn ich wirklich einen richtig guten Text liefern will, kann mir die KI die lästigen Jäger-und-Sammler-Arbeiten abnehmen. Beim eigentlichen Texten taugt sie aber nicht wirklich zum Zeitsparen.


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Und das ist vielleicht das Missverständnis schlechthin: KI kann wunderbar helfen, Tätigkeiten zu automatisieren. Sie kann regelmäßige, gleichbleibende Arbeiten abnehmen, die immer selben Berechnungen in Windeseile durchführen und in Sekunden aus den ihr zur Verfügung stehenden Daten Textfragmente, Vorschläge für inhaltliche Strukturen und Suchergebnisse liefern. Eine super Erleichterung. Aber kein Ersatz für gute kreative, journalistische und kommunikative Arbeit. Recherche ja, aber das Prüfen der Recherche-Ergebnisse bleibt mir als Autor überlassen.

Wozu KI allerdings auch noch taugt, ist als Brainstorming-Partner, sagt Jungblut. Einfach mal etwas formulieren und dem KI-Gegenüber vorschlagen; Feedback erhalten, verbessern, Inhalte gegenchecken, Belege suchen. Der KI sagen: „Schreib das doch bitte mal etwas knackiger, kürzer, länger…“ „Lass uns den roten Faden besser herausarbeiten…“ „Schreib es für Fünfjährige…“ „Schreib es für Wissenschaftler…“ „Wie findest Du das…?“ – dem Miteinander von menschlicher und künstlicher Intelligenz sind keine Grenzen gesetzt.

KI qualitätsbewusst (!!) einsetzen

Außer menschliche, ethische, moralische, rechtliche… okay, ein paar Grenzen gibt es dann doch. Die müssen aber nicht hinderlich sein. Es ist einfach nur wichtig anzuerkennen, dass „die menschliche Expertise in Bereichen wie Kreativität, Kontextualisierung und ethischer Bewertung unersetzlich“ bleibt, wie es im Lokaljournalistenprogramm der Bundeszentrale für politische Bildung heißt.

Das hat sich vor kurzem mit KI „als Herausforderung für Lokalredaktionen“ beschäftigt. Wie lassen sich die Vorteile nutzen (Effizienz steigern, Ressourcen optimieren, innovative Impulse für die Berichterstattung) und die Technologie gleichzeitig verantwortungsvoll und qualitätsbewusst (!!) einsetzen? Was muss ich beim Einsatz von KI beachten? Wie entwickle ich mit Hilfe von KI verständliche Botschaften und Kernaussagen? – Und wie kann ich das alles gegenchecken? Indem als letzte Instanz immer ein intelligenter Mensch bleibt.

Ach ja, die 3.000 Wörter zum nichtssagenden Thema: wenn Künstliche Intelligenz wirklich intelligent wäre, würde sie diesen Text auch auf Befehl nicht liefern. Kommt vielleicht eines Tages. So eine Antwort wie „So ein Quatsch“, „das macht doch keinen Sinn“ oder „Schreib’s doch selbst“… Das wäre mal wirklich KI.

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