Wie wir Industrie 4.0 kommunizieren sollten

Digitale Transformation

Aus Sicht der Industrie gibt es derzeit kaum ein Thema, das so breit über alle Branchen hinweg im Fokus steht wie „Industrie 4.0“. Die vierte industrielle Revolution bezeichnet aus technischer Sicht die Vernetzung aller Daten zugunsten einer modularen, flexiblen Produktion. Sie ermöglicht, dass Produkte individuell konfiguriert, per Mausklick bestellt und durch die Herstellung vor Ort zügig geliefert werden können.

Doch Industrie 4.0 ist auch zu einem Modewort avanciert. Es wird häufig als Synonym für „technisch innovativ“ eingesetzt. Über 40 Millionen Treffer erhält der Suchbegriff aktuell bei Google. Das Suffix „4.0“ wurde inzwischen zum Selbstläufer und steht für „modern, innovativ, zukunftsweisend“ – denken wir nur an Begriffe wie Arbeit 4.0 oder Mobilität 4.0.

Relevanz schaffen in der Kommunikation

Es ist für jeden Akteur eine große Herausforderung, in diesem Informationsdschungel nicht nur wahrgenommen zu werden, sondern auch Relevanz zu erzeugen. Aus Sicht der Smartfactory Kaiserslautern, einer Plattform, die Unternehmen und Forschung in einem Netzwerk zu Industrie 4.0 zusammenbringt, bedeutet das: Die Kommunikation ist dann relevant, wenn sie die Fortschritte und Potenziale von Industrie 4.0 verdeutlicht, und dies nicht nur auf technischer Ebene. Besonders auch die gesellschaftliche Dimension sollte stets berücksichtigt werden. Denn nur wenn wir die Menschen bei diesem großen Thema mitnehmen, haben wir Chance auf Erfolg.

Deshalb lautet unser strategischer Ansatz: Die Eigenschaften, die Industrie 4.0 erfolgreich machen, sind für die Kommunikation darüber ebenso relevant. Erfolgreiche Industrie 4.0-Kommunikation ist daher für uns: 

1. herstellerübergreifend
Industrie 4.0 gelingt nur in der Zusammenarbeit von Industrie und Forschung – über Unternehmens- und Institutsgrenzen hinweg. Hier kommt der Kommunikation eine Rolle als Vermittler und Moderator zu; sie wird somit zum Treiber der Vision.

2. auf Augenhöhe
Industrie 4.0 gelingt nur im Dialog. Da Industrie 4.0 alle Player von Politik über Industrie und Wissenschaft bis hin zur Gesellschaft betrifft, ist Dialog-Kommunikation ein wesentlicher Treiber von Bekanntheit und Akzeptanz der Vision.

3. am Puls der Zeit
Industrie 4.0 gelingt, wenn angewandte Forschung und Unternehmen die aktuellen Fragen der Industrie gemeinsam lösen. Durch aktuelle Kommunikation profitiert die Wirtschaft schnell und unmittelbar von den neuen Erkenntnissen.

4. visionär
Industrie 4.0 gelingt, wenn wir die Fragen von morgen heute andenken. Industrie 4.0 als Vision muss es gelingen, neue technische Entwicklungen mit Markttrends zusammenzubringen. Dazu gehört auch, alle Möglichkeiten der digitalen, vernetzen Kommunikation zu nutzen. Form und Inhalt der Kommunikation sollten beide gleichermaßen „modern“ sein.

5. kritisch
Industrie 4.0 gelingt, wenn wir uns Fehlern und Ängsten offen stellen. Es gilt, im Netzwerk gemeinsam an Fehlern zu wachsen und durch permanentes Lernen weiterzukommen. Ängste in der Gesellschaft müssen offen adressiert und diskutiert werden.

6. menschenzentriert
Industrie 4.0 gelingt, wenn sie die Menschen mitnimmt. Eine menschenleere Fabrik wird es nicht geben – auch in Zukunft werden menschliche und künstliche Intelligenz nur gemeinsam erfolgreich sein. Diesen Aspekt gilt es, in der Kommunikation rund um Industrie 4.0 klar herauszuarbeiten.

7. international
Industrie 4.0 gelingt, wenn wir die Erkenntnisse aus Deutschland in die Welt tragen. In unserer globalisierten Welt hat unsere Kommunikation die Chance, die Stärken unseres Landes international zu vermitteln und Brücken zur Zusammenarbeit zu bauen. Gleichzeitig können wir auch so von den Stärken anderer, zum Beispiel aus Silicon Valley, lernen.

Die Ängste ernst nehmen

Vor allem der kritische und der menschenzentrierte Aspekt haben sich in unserer Arbeit als wichtig erwiesen. Kommunikation zu Industrie 4.0 wird besonders dann von den Adressaten ernst genommen, wenn sie offen bereits gemachte Rückschläge aufzeigt.

Ein Beispiel dafür ist die computerbasierte Automatisierung (Computer-integrated Manufacturing „CIM“), die ihren Beginn in den 1980er-Jahren nahm. Einer der großen Irrtümer dieser Zeit war es, die menschenleere Fabrik zu propagieren. Weder technisch noch gesellschaftlich ist dies eingetreten. Es gehört nun zu unserer Verantwortung, diese Entwicklungen zu erklären und gleichzeitig die Ängste der Menschen vor zunehmender Technisierung ernst zu nehmen und offen anzusprechen – und das auf verschiedenen Kanälen.

In einem Streitgespräch, das von den Veranstaltern der Industriemesse Hannover Messe live auf Facebook übertragen wurde, haben wir uns der Kritik gestellt. Es diskutierten Professor Detlef Zühlke, Initiator und Vorstandsvorsitzender der Smartfactory Kaiserslautern, und Professor Andreas Syska, ein Industrie 4.0-Kritiker, darüber, ob Industrie 4.0 der Weg in eine vielversprechende Zukunft oder doch nur aktionistischer Hype sei. Dabei nahmen sie auch Bezug auf die Fehler, die im Rahmen der computerbasierten Automatisierung gemacht wurden, und worauf es bei Industrie 4.0 heute ankommt.  

Künftig werden wir auch die persönlichen Geschichten von Menschen erzählen, deren Arbeitsalltag sich durch Augmented Reality, Machine Learning und künstliche Intelligenz verändern wird. Denn Industrie 4.0 verfolgt den Ansatz, dass der Mensch in der intelligenten Fabrik der Zukunft einen festen Arbeitsplatz haben wird. Dies wird eine höhere Qualifikation erfordern – sowohl von der heute schon berufstätigen Bevölkerung als auch von heranwachsenden Generationen. Diese Geschichten gilt es zu erzählen, um sowohl Emotionen und Identifikation zu erzeugen, aber auch fachliche Inhalte rund um den Themenkomplex „Mensch und Technik“ zu transportieren.

Industrie 4.0 und künstliche Intelligenz haben eine unaufhaltsame Entwicklung in Gang getreten, die einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel mit sich bringen wird. Es ist unsere Aufgabe als Kommunikatoren von Industrie 4.0, diese Entwicklung verantwortungsvoll zu begleiten.

 

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