Wie viel Authentizität darf's denn sein?

Youtube-Formate

Frau Lauterbach, Ihr Youtube-Format heißt „Essen, Trinken, geile Leute“. Zuspitzung, Emotionen – alles drin: Eine clevere Strategie, ich musste sehr lachen.

Nina Lauterbach: Schön, aber ehrlich gesagt war das Zufall. Der Titel meiner Show enthält einfach alles, was ich gerne mache.

 

 

Und wie kommen Sie an Ihre Gäste?

Die ersten beiden für die Pilotfolgen kannte ich schon vorher: Smudo von den Fantastischen Vier und meinen Bruder (Boris Lauterbach alias „König Boris“ von der Hiphop-Band Fettes Brot; Anm. d. Red.). Hugo Egon Balder habe ich zufällig kennen gelernt.

Und die nächsten?

Nach den ersten drei Folgen habe ich das Konzept der Sendung nochmal überarbeitet und weitere persönliche Wunschgäste einfach angeschrieben. Ich lebe in Hamburg, habe Kontakt zu vielen Musikern, das hat bisher ganz gut geklappt.

Gab es auch schon Frauen in Ihrer Küche?

Ja: Lilo Wanders (lacht). Und die Autorin Karen Köhler, weil ich so tierisch geweint habe beim Lesen ihres Buchs „Wir haben Raketen geangelt“. Ich will noch mehr Frauen einladen, meine Gästeschar ist bisher ziemlich männerlastig.

Wer ist Ihr Traumgast?

Hätte total gerne Jürgen Vogel in meiner Küche. Oder Fatih Akin und Adam Bousdoukos zusammen, das wäre sicher eine sehr lustige Folge. Aber ich schreibe ja immer das Management an und weiß nie, ob die Anfrage die Künstler überhaupt erreicht. Daran zweifele ich oft, so schnell wie da manche Absage kommt …

Ist die Show ein Abend unter Freunden, bei dem zufällig eine Kamera läuft? Oder eine Arbeitsprobe als Schauspielerin?

Nein, ich spiele da keine Rolle, das bin schon sehr ich. Es geht in der Sendung um Nähe, Lust und Genuss – ich finde, in der Talkshow-Landschaft trifft man selten darauf. Man will als Zuschauer ja die Menschen kennen lernen, nicht die Vorstellung von ihnen und am Ende halten sie ihr neues Buch in die Kamera. Viele Talkshows langweilen mich – ich erfahre nicht, was für Personen das sind, es wird ja nur über Jobs gesprochen. Das ist bei mir anders: Ich halte mich nicht an übliche Sendeabläufe – das gibt mehr Raum für Persönlichkeiten. Ich bin ja auch keine Journalistin. Um Nähe von meinen Gästen zu kriegen, bin ich als Gastgeberin zuerst gefordert, ich zu sein.

Man kann Regeln ja auch brechen, wenn man sie kennt. Oder gibt es keine – und gerade das ist das Konzept?

Genau. Ich bereite mich natürlich vor auf die Sendung und den Gast, das ist schon die Voraussetzung für einen Talk – oder ob das am Ende alles raus kommt, steht auf einem anderen Blatt.

Apropos „Regeln brechen“ – warum nennt Sie eine Hamburger Zeitung „die bessere Sarah Kuttner“?

Ach, ich wollte ihrer Redaktion mal meine Show vorstellen und hab denen mein Konzept geschickt und die ersten drei Piloten. Die mochten die Idee aber haben sie trotzdem abgelehnt. Ein paar Monate später ging dann ihre eigene Show „Kuttner plus zwei“ mit derselben Grundidee auf Sendung. Meinen Fans fiel sofort die Ähnlichkeit auf und wir sammelten Tipps und Ideen, die ich unter dem Motto „ZDF Neo in Not – Lauterbach hilft“ an den Sender weiterleitete. Ich bot Ihnen an, mich beim nächsten Mal einfach mal zu fragen oder gleich mich zu nehmen. Ich war naiv und dachte, die reagieren auch mit Humor. Aber die Verantwortlichen waren not amused und haben alles dementiert, naja…

Was ist der Mehrwert Ihrer Show für die Gäste?

Die Gäste kommen nicht, weil ich so eine riesige Reichweite habe, sondern weil sie die Show gesehen habe. Ich bekomme hinterher oft das Feedback, dass es ihnen viel Spaß gemacht hat und so anders war. Die finden es gut, dass sie nicht fünf Stunden vorher in die Maske mussten und es bei mir keine Regeln gibt. Die mögen das Authentische, weil sie es auch sein dürfen.

Gibt es auch ein Zuviel an Authentizität im Netz?

Klar. Authentizität heißt ja nicht mehr, als ehrlich zu sein und hat was mit Lust, Liebe und Leidenschaft zu tun – und nicht mit einer Verkleidung. Aber ich möchte auch nicht, dass man mich morgens im Schlafanzug mit wirren Haaren beim Aufstehen filmt. Es gibt Grenzen.

Was ist für Sie das Wichtigste bei Youtube-Formaten?

Dass sich die Zuschauer nah fühlen. Meine Zuschauer sollen denken, „wie gerne würde ich da jetzt mit am Tisch sitzen?!“ Und sich identifizieren können mit mir, dem Gast, der Stimmung und der Atmosphäre.

Können Sie von der Show leben?

Nein. Ich bin eigentlich Schauspielerin und arbeite in einer Kneipe auf Sankt Pauli. Die Show ist ein No Budget-Projekt. Ich habe nur zwei Kameramänner und einen Tonmann, mehr Platz ist auch gar nicht in meiner Küche.

Womit entlohnen Sie denn dann Ihr Team?

Mit viel Liebe. Und sie dürfen nach der Arbeit mit essen und trinken, die Gäste bleiben ja noch nach dem Dreh. Das ist im Moment alles, was ich zu geben habe.

Wen erreicht man im Netz mit einem Facebook-Post wie Ihrem „auf das Leben, auf die Liebe, auf die Fresse“?

Ich hoffe, alle Menschen, die das Leben lieben und die Lust haben, sich stark zu machen für gute Sachen. Es geht doch darum, bereit zu sein fürs Leben und die Leidenschaft. Da kann es auch mal lauter zugehen – daher der Slogan. Damit stoße ich auch privat gerne an …

Welche Rolle spielen Netzwerke bei der Vermarktung?

Eine große! Es ist wichtig, dass Fans und Gäste unser Projekt im Netz teilen, denn die Reichweite ist noch nicht sehr groß und ich suche noch Sponsoren. Meine Show soll ja nicht für immer ein No Budget-Projekt bleiben. Das wünsche ich mir vor allem für mein Team.

Welcher Sponsor sollte das sein?

Er muss die Seele der Show nachvollziehen können und das Konzept lieben. Und er muss passen! Ein Staubsaugerhersteller wird’s wahrscheinlich nicht werden, ich sauge ja nicht während der Show die Krümel vom Boden. Einer mit Getränken wäre optimal.

Welche sind Ihre nächsten Schritte?

Die zweite Staffel läuft gerade an, die dritte ist geplant. Ich organisiere derzeit Gästelisten und Termine, will einen Sponsor finden oder einen TV-Sender, der so mutig ist, uns zu zeigen. Ich will mehr netzwerken und wachsen. Und stecke alle Energie in „Essen, Trinken, geile Leute“.

Und was können Unternehmen von Ihnen lernen?

Sich zu öffnen vielleicht? Und eng gesteckte Regeln zu erweitern – weil man dann auch selbst mehr Freude hat.

 

Weitere Artikel