Wie steht es um das Image der Olympischen Spiele, Herr Klaue?

Herr Klaue, heute beginnen die Winterspiele in Sotschi. Wie wird Ihre Arbeit vor Ort aussehen?

Christian Klaue: Es ist eine riesige Herausforderung, den Ansprüchen der rund 170 deutschen Journalisten gerecht zu werden. ARD und ZDF sind mit einer großen Mannschaft vor Ort. Die Koordination erfordert große Kraftanstrengungen, denn es gilt bei allen Medienanfragen die 153 Einzelinteressen der Athleten zu berücksichtigen und gleichzeitig den Journalisten Sinnvolles an die Hand zu geben. Dabei arbeiten wir in enger Kooperation mit den Pressesprechern der Verbände, wir sind ein eingespieltes Team.

Beschreiben Sie doch einmal einen typischen Olympia-Tag?

Während der Spiele starte ich um sechs Uhr, lese an die 80 E-Mails, dann steht zumeist die erste Pressekonferenz an: Dort bündeln wir einen Großteil der Anfragen. Insgesamt erhalten wir am Tag 300 Mails, führen 50 bis 100 Telefonate. Es macht sehr viel Spaß, ist aber auch extrem anstrengend.

Die aktuellen Winterspiele stehen wegen der politischen Situation in Russland, der horrenden Kosten und Naturzerstörungen scharf in der Kritik. Wie beurteilen Sie das Image der Olympischen Spiele?

Man muss zwischen dem Image der beteiligten Organisationen und dem der Spiele unterscheiden. Olympische Spiele an sich haben ein sehr gutes Image. Der Wettstreit der besten Athleten der Welt fasziniert die Menschen. Denken Sie nur an die begeisternden Spiele in London. Bei Sotschi 2014 ist das jetzt etwas anderes, da politische Faktoren auf die Spiele abfärben. Das macht es in der Kommunikation herausfordernd.

Inwiefern herausfordernd?

Aktuell erreichen uns viel mehr politische Fragen als sonst. Das ist ein eingespielter Mechanismus vor Großereignissen. Die Medien springen immer auf die gleichen Themen an, um sie danach meist wieder zu vergessen. Das liegt daran, dass der Sport die größte Kommunikationsplattform der Welt ist. Aber wie auch vor Peking 2008 festzustellen war, werden die Probleme der Gastgeber immer mit beleuchtet. Das ist in Ordnung, bringt uns Arbeit, zeigt aber auch die Kraft Olympias.

Sie meinten, man müsse zwischen dem Image der Spiele und dem des IOC unterscheiden. Kann man das denn voneinander trennen?

Ich meine ja. Sport und Olympische Spiele sind faszinierend. Die Begeisterung für den sportlichen Wettstreit ordnet ja niemand par ordere de mufti an. Sie sitzt tief in den Menschen drin. Ich habe auch nicht das Gefühl, dass der Sport oder Olympia in Frage gestellt werden. Vielmehr geht es um die Rahmenbedingungen. Darüber kann man und muss man sicher diskutieren.

Russland ist für viele ein fragwürdiges Gastgeberland für die Spiele. Human Rights Watch forderte deshalb den DOSB auf, das Internationale Olympische Komitee (IOC) öffentlich zu kritisieren. Was ist daraus geworden?

Wir haben dem IOC geschrieben, dass die russische Gesetzgebung nicht mit unseren Werten vereinbar ist und es keine Diskriminierung bei den Spielen geben darf. Genau das hat das IOC von Präsident Putin eingefordert und die Zusage bekommen, dass kein Teilnehmer und Zuschauer diskriminiert wird. Die Journalisten haben oft die Erwartungshaltung, dass wir als eine Art Politik-Ersatz kritikwürdige Situationen ändern müssten. Das können wir nicht, das kann auch das IOC nicht. Es ist keine supranationale Regierung.

Der Sport kann jedoch auf seinem Spielfeld beispielgebend sein. Wir als DOSB können unsere Position erklären, aber nicht das russische Gesetz gegen “homosexuelle Propaganda” ändern. Das ist eine unerfüllbare Erwartung. Darüber hinaus müssen wir darauf achten, dass wir neben politischen Themen auch dem Sport und unseren Athleten Aufmerksamkeit schenken. Wir können Olympische Spiele nicht allein auf politische Kommunikation reduzieren und dabei unser Kerngeschäft vernachlässigen.

Und wie gehen die Athleten mit der Debatte um die Menschenrechte in Russland um?

Jeder, der nicht voll auf den Sport fokussiert nach Sotschi fährt, wird es schwer haben, seine Top-Leistung zu bringen. Man braucht 100 Prozent Konzentration. Die Sportler verlieren ihren Fokus, wenn sie immer nur Fragen abseits vom Sport beantworten würden. Das heißt jedoch nicht, dass sie ihre Meinung nicht äußern dürfen. Jeder kann, keiner muss. Und alles zur rechten Zeit.

Warum hat ausgerechnet Sotschi vom IOC den Zuschlag bekommen?

Da müssen sie die 100 IOC-Mitglieder fragen, die darüber in geheimer Abstimmung entschieden haben. Es handelt sich um ein transparentes Verfahren. Es gibt eine Ausschreibung, die Bewerber müssen gewisse Kriterien erfüllen und sich dem IOC vorstellen. Eine Kommission bewertet die Konzepte. Dieser sogenannte Evaluierungsbericht ist die Grundlage für die Entscheidung der IOC-Mitglieder, die jedoch am Ende großen Ermessensspielraum haben.

Russland zum Beispiel wollte sich sein erstes eigenes Wintersportgebiet schaffen. Die Olympischen Spiele sollten dafür als Katalysator dienen. Dass Sotschi ein Sommerkurort ist, ist aus meiner Sicht kein Kritikpunkt, da ein paar Kilometer weiter das Kaukasusgebirge liegt. Eine Stadt im Flachland für die Eiswettbewerbe und ein Bergort für die Schneewettbewerbe hatten wir auch 2006 in Turin und 2010 in Vancouver. Wenn man ein Land für ungeeignet als Gastgeber für Olympische Spiele hält, müsste man vor der Vergabe seine Stimme erheben. Ich erinnere mich jedoch nicht an große Wellen der Kritik im Jahr 2007.

Dafür ist die Kritik jetzt umso stärker. Die Hoffnung liegt nun auf dem neuen IOC-Präsidenten Thomas Bach. Wird sich durch ihn etwas ändern im IOC?

Davon bin ich fest überzeugt. Eine Weiterentwicklung des Vergabeverfahrens hat er ja mehrfach angekündigt, schon in seinem Wahlprogramm.

Die Olympia-Kandidatur „München 2018“ ist gescheitert, eine Bewerbung für „München 2022“ ist auch vom Tisch. Glauben Sie, Deutschland hat Angst vor Olympia?

Nein, es herrscht keine Angst vor Olympia. Denken Sie an die Begeisterung rund um die Sommerspiele in London. Aber die Stimmung gegen Sotschi und Katar hat natürlich die Entscheidung beeinflusst. Dabei wäre München 2022 genau das Gegenmodell gewesen: nachhaltige Olympische Spiele in einer vorhandenen Wintersport-Infrastruktur und mit einem begeisterungsfähigen Publikum. Denken Sie nur mal an die vielen Weltcups in Deutschland von Oberhof über Willingen bis hin nach Ruhpolding oder Garmisch-Partenkirchen.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe PR und die "bösen" Stiefgeschwister. Das Heft können Sie hier bestellen.

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