Wird Corinna Brod auf Partys gefragt, was sie beruflich macht, weicht sie gerne mal aus: „Meistens vermeide ich dieses Thema, sonst kenne ich am Ende der Party alle Todesfälle im Umfeld meines Gesprächspartners“, sagt die Leiterin der Unternehmenskommunikation des Friedhofsbetreibers FriedWald. Brod: „Wenn ich lange über den Tod sprechen muss, grenze ich mich im Privaten gerne mal ab.“
Und auch Christian Hillermann, Inhaber des Hamburger Trostwerks, kennt die Mischung aus Faszination und plötzlicher Zurückhaltung bei anderen, wenn es um seinen Job geht: „Dass ich Bestattungsunternehmer bin, hat automatisch Nachrichtenwert und macht neugierig, aber verstummt ist deswegen noch keiner. Mein Beruf ist bereichernd und stiftet Bewusstheit. Er erinnert die Anderen permanent an die eigene Sterblichkeit. Ich muss die Gespräche oft eher bremsen.“
Aber deswegen Teil einer Randgruppe zu sein, weist Oliver Wirthmann weit von sich: „Bestatter sind keine Randgruppe sondern stehen in der Mitte der Gesellschaft!“, sagt der Geschäftsführer des Kuratoriums Deutsche Bestattungskultur.
Trotzdem: Es herrscht viel Unwissen, da gibt es also jede Menge Fachfragen. Die Medien fragen meistens nur bei Skandalen oder nach den neuesten Grab-Trends. Oliver Wirthmann sagt: „Sie hoffen auf Gags, aber die gibt es rund um Bestattungen in den Medien viel häufiger, als es ihnen real zukommt. Der Deutsche ist da zum Glück noch ziemlich traditionell.“
Herr Wirthmann, Medien und Angehörige haben offenbar ein falsches Bild Ihrer Branche. Was nervt denn Bestatter?
Oliver Wirthmann: Halbwissen ist das Problem: Bestatter mögen es nicht, wenn Angehörige als erstes fragen „was kostet das?“ Sie gehen ja auch nicht zu VW und fragen, „was kostet ein Auto?“ Denn zwischen einem Polo und einem Phaeton gibt es natürlich Unterschiede. Bestatter müssen noch lernen, ihre beratende Dienstleistung selbstbewusst in Rechnung zu stellen.
Welche Folge hat dieses „Halbwissen“?
Die Menschen haben kein Preisgefühl: Wer regelmäßig im Supermarkt Butter kauft, weiß irgendwann in etwa, was sie kostet. Oder dass es bei Ebay keine echte Rolex für 30 Euro gibt. Aber bei einer Bestattung ist das anders. Ein weiteres Problem ist negative Zuweisung: Bestatter hören immer „Ihr habt ja ein todsicheres Geschäft“. Einen Bäcker beschimpft ja auch niemand, weil er sein Geld mit Nahrung verdient, die alle brauchen. Aber wenn wir kommen, freut sich niemand – dabei sind auch wir nicht die Verursacher des Geschäfts.
Abendfüllend kann man mit den dreien über ihre Haltung zum Leben sprechen. Eher selten werden sie dagegen nach Metathemen wie Wordings, Bildsprache oder Marktchancen gefragt. Und schon bei der Frage nach der Zielgruppe gehen die Meinungen auseinander: „Ich mag das Wort nicht!“, stellt Oliver Wirthmann klar. „Wir haben auch keine „Kunden“, das sind Angehörige. Bei uns geht es um Menschen, nicht um Ziele. Außer vielleicht bei der Bestattungsvorsorge.“
Auf „aufgeklärte Bildungsbürger zwischen 45 und 65“ setzt dagegen Christian Hillermann. Es ist die Kindergeneration der heute Alten. Sie sind bewusste Konsumenten, die zum Beispiel beim Umgang mit dem Tod ihrer Eltern nicht vor allem Pietät und Takt suchen, sondern ihre eigenen Belange selbstbestimmt regeln wollen. Hillermann: „Wir haben auch Kunden, die zwischen 40 und 60 Jahren an Krebs sterben. Darunter sind viele Alt-68er. Sie sind geprägt von großer Individualität und stellen Konventionen in Frage. Immer mehr kommen in ihrer letzten Lebensphase selbst und wollen sich rund um ihre Bestattung aktiv einbringen.“ Seine Hauptbotschaften:
- Tote sind keine „Sachen“ – Verstorbene sind Persönlichkeiten. Sie sind extrem schutzbedürftige Personen, die unserer Fürsorge bedürfen.
- Seid offen für moderne Lebensentwürfe. Alles ist möglich im Abschiednehmen: Es ist ein weites Feld der Freiheit.
- Kümmert Euch um Euch und nehmt Euch Zeit. Lebt und drückt Eure Trauer aus. Man darf Dampf ablassen und ihn kreativ umlenken. Je mehr am Anfang im Guten passiert, desto besser gelingt die langfristige Trauerarbeit.
Die Botschaften von Corinna Brod richten sich vor allem an Menschen „50+“ mit mittlerem bis hohem Bildungsstand. Das Unternehmen betreibt bundesweit 52 Standorte, an denen Menschen am Fuße eines Baums im Wald bestattet werden können. Frauen sind die Entscheider. Brod erinnert sich an eine typische Szene am Stand auf einer Verbrauchermesse: „Da sieht man Paare heran schlendern und die Frau sagt „Oh guck mal, davon hab ich schon gehört, lass uns mal gucken.“ Und der Mann zieht sie schnell weiter und sagt „Ach, das hat noch Zeit.“ Männer sterben nicht.“
Brod und ihre Kollegen wollen den natürlichen Umgang mit dem Tod fördern als tröstliche Perspektive. Es geht ihnen darum, Akzeptanz für dieses Thema zu schaffen und den Vorsorgegedanken zu fördern. Sie wollen die Angst vor dem Tod lindern helfen, selbst wenn sie sie zum Teil selbst auch haben.
Herr Wirthmann, wie „verkauft“ man den Tod sprachlich?
Oliver Wirthmann: Für den kommunikativen Umgang gibt es zwei Wege und beide sind problematisch: Wir können das Tabu schön umschreiben mit Formulierungen wie „Am Ende der Reise“ und Bildern von einem Herbstwald, Sonnenuntergang oder einem Steg am See. So werden nette Dinge evoziert, aber das kaschiert nur. Wir wollen so den Tod erträglich machen – aber er ist und bleibt schwer und schmerzhaft.
Und die Alternative?
Ist die Provokation: Kampagnen, bei denen jenseits der Gleise im Bahnhof der Slogan „Treten Sie näher“ stand, wurden von uns abgemahnt. Wir werden 2015 zwar selbst Karikaturen einsetzen, aber da ist durch die Überzeichnung die sanfte Provokation schnell erkennbar. Wir sollten mehr im Sinne von „Bestattung ist ein existenzielles Thema – hab Mut, wir helfen Dir“ kommunizieren.
Provokation gezielt einzusetzen, ist dagegen einer der Wege von Christian Hillermann. Menschen denken, Bestatter haben es geschäftlich leicht: Gestorben wird schließlich immer. Trotzdem gibt es einen Markt, findet Hillermann. Die Zeit des aufgeteilten Markts mit einem Bestatter pro Stadtteil sei vorbei. Es gäbe vielmehr eine Abkehr von Traditionsbestattern: „Einerseits suchen Weiterlebende mehr Individualität und das Besondere. Andererseits werden immer mehr Menschen billig und anonym bestattet“, konstatiert der Quereinsteiger. „Das setzt den traditionellen Stadtteilbetrieb gleich von zwei Seiten unter Druck.“ Der Kuchen sei weiterhin da – aber er werde heute anders aufgeteilt. Wer sich nicht bewegt, verliert.
Herr Hillermann, Ihr Claim ist „Andere Bestattungen“. Wie kommunizieren Sie den?
Christian Hillermann: Wir müssen das „Anderssein“ kommunizieren. Uns war klar, dass wir damit provozieren. Vor allem die Branche echauffiert sich, denn bisher gab es die unausgesprochene Regel, dass Einzelbetriebe keine Werbung machen, weil die Menschen das Recht hätten, sich nicht mit dem Tod auseinandersetzen zu müssen. Außer über die Schaufenster ihrer Büros waren Bestatter nicht sichtbar. Unsere Räume sind sehr transparent gestaltet und von außen gut einsehbar. Es gibt Führungen und Vorträge, um unsere Arbeit kennen lernen zu können.
Und das provoziert?
Offenbar. Und wir haben zum Beispiel Postkarten mit auf dem Kopf stehenden Cowboystiefeln und dem Slogan „Wie lebendig möchten Sie begraben werden?“ gedruckt. Ein anderer Text lautete „Wie persönlich nehmen Sie Ihren Tod?“ Dann haben wir auch noch mehrfach die lokale Presse bedient, da warf uns die Konkurrenz Inszenierung vor.
Und ohne Provokation – wie gelingt die persönliche Ansprache der Zielgruppe? Die Trostwerk-Mitarbeiter tragen keine schwarzen Anzüge sondern authentische Kleidung. Sie kondolierten zwar, aber sagen zur Begrüßung neuer Kunden nicht „herzliches Beileid“ – schließlich seien sie nicht Teil ihrer hochemotionalen Situation. Statt „Hinterbliebene“ sprächen Hillermann und Kollegen von „Weiterlebenden“. Hillermann, der schlechte Trauerredner daran erkennt, dass sie dauernd den vollen Namen des Toten wiederholen, sagt: „Auch den Begriff „Leiche“ nutzen wir nicht. Wir arbeiten nicht nach DIN-Norm, denn darin geht es um schnelle Versachlichung und Verdinglichung.“
Das Wording ist ein sensibles Thema. „Ich persönlich find es schlimm, Kindern zu sagen „Opa ist jetzt ein Stern“ – denn das ist er nicht“, sagt Olive Wirthmann. „Und dass jemand „eingeschlafen“ sei, kann bei ihnen sogar zu schlimmen Problemen führen. Schließlich wacht der Tote nicht mehr auf und Kinder bekommen Angst vor dem Schlaf.“
So menschlich verständlich das Bedürfnis der Angehörigen nach einem nur schmalen Korridor aus den Dingen in Zeiten höchster emotionaler Not zu sein scheint, so nötig ist für die PR-Profis also der kommunikative Weg zurück zur Natürlichkeit – auch auf Seiten der Produkte.
Frau Brod, der FriedWald ist keine Wortschöpfung sondern eine Marke. Wie wurde sie geschaffen?
Corinna Brod: Obwohl wir den Namen als Markenzeichen eingetragen haben, ist er inzwischen schon zum Gattungsbegriff für Bestattungen in der Natur geworden. Umso schwerer ist er im Alltag rechtlich zu schützen. Im Rahmen des Brand Managements setzen wir auf externes Monitoring, weisen auch freundlich auf Verstöße hin, aber wir rufen nicht gleich den Anwalt.
Welche PR-Tools nutzen Sie?
Wir machen weniger klassische Werbung, es läuft bei uns viel über Direktmarketing. Am Anfang war das heikel und wir haben extra unsere Mitarbeiter der Telefonzentrale geschult. Inzwischen sind es im Schnitt 40 Direktmailings pro Jahr, in denen wir zum Beispiel zum Waldinformationstag einladen. Sie gehen an Menschen im Umkreis von 30 bis 50 Kilometer rund um einen FriedWald-Standort und entstehen in Kooperation mit den Förstern aus der Region.
Sie setzen demnach auf „Live-Kommunikation“ bei Wind und Wetter?
Die Waldführungen sind das wichtigste Instrument für unseren Markenvertrieb. In Gruppen von maximal 20 Personen können sich Interessierte die Standorte ansehen, mit Angehörigen austauschen und bei einem zweiten Termin „ihren Baum“ aussuchen. Manche schauen nur für sich allein, andere als Paar, Familie oder Freundeskreis. Im Wald startet die Trauerarbeit.
Förster als Vertriebler – das ist ja ein spannendes Konstrukt.
Alle Förster sind extra von uns geschult worden und waren auch zur Hospitanz im Krematorium. Der Beruf ist eine wunderbare Basis für die Begleitung von Hinterbliebenen, Förster haben da ein natürliches Talent. Selbstverständlich bieten wir ihnen auch Supervision an.
Welche Kanäle nutzen Sie außerdem?
Ansonsten setzen wir auf die Webseite mit einem Imagefilm, Broschüren, Newsletter. Bei Facebook posten wir etwa zwei bis dreimal pro Woche. Wir sehen das eher als Push für Dialoge, indem wir zum Beispiel fragen, welche Musik Hinterbliebenen hilft oder wie sie ihr erstes Weihnachten ohne den Verstorbenen verbringen. Das Profil ist wie ein sanft moderiertes Forum. Der Weggang eines Abonnenten oder „Freundes“ ist dann im echten Leben ein gutes Zeichen, weil es bedeutet, dass die Trauerarbeit vorangeht.
Für sich selbst haben die drei schon vorgesorgt. Hillermann grinst bei der Frage nach dem Wunsch für seine eigene Bestattung: „Ja, ich habe einen Plan. Aber der ändert sich je nach Lebensphase und Musikgeschmack.“
Auch Oliver Wirthmann beschäftigt sich zwar jeden Tag mit dem Tod, „aber das ist im Alter von 42 Jahren und angesichts von zwei kleinen Kindern kein Zeichen von Todesverliebtheit“, lacht er. „Für meine eigene Beisetzung hätte ich gerne eine Erdbestattung im Sarg, im Grab meiner Schwiegereltern in der Pfalz.“
Den Standort für ihre eigene Bestattung hat sich auch Corinna Brod bereits gemeinsam mit Eltern und Freunden ausgesucht, den genauen Baum jedoch noch nicht. Sie sagt: „Der Gedanke zu wissen, wo man mal abbleibt, ist tröstlich.“
Lesen Sie hier das ganze Interview mit Oliver Wirthmann über das Gleichnis vom Polo zum Phaeton, Bilder von Stegen am See und warum Angehörige keine Sterne sind.
Das Gespräch mit Christian Hillermann über das richtige Wording, den Wandel im Markt, provozierende Kampagnen -und wie er gut auf sich achtet, finden Sie hier.
Im ganzen Interview spricht Corinna Brod über Bestattungen in der Natur, Förster als Vertriebler und Frauen als Entscheider über den letzten Ort der Ruhe.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Randgruppen-PR. Das Heft können Sie hier bestellen.