Wie Kind und Karriere vereinbaren?

Familie und PR

Frau von Lewinski, Sie haben einen Vorstandsposten bei der Agentur Fischer-Appelt und zwei Kinder im Alter von zehn und vier Jahren. Wann hatten Sie das letzte Mal Zeit für sich?

Franziska von Lewinski: Ich versuche mir jeden Morgen eine Stunde Zeit zu nehmen, bevor alle wach werden. Da mache ich Yoga. Ansonsten verbringe ich meine Zeit mit meiner Familie.

Wie sieht bei Ihnen ein typischer Tag zwischen Familie und Beruf aus?

Einen typischen Tag gibt es bei mir selten, vor allem nicht, wenn ich geschäftlich reise. Ich organisiere meine Flüge immer so, dass ich meine Kinder noch sehen kann. Entweder bringe ich sie morgens in die Kita und zur Schule oder wir verbringen abends Zeit miteinander. Das klappt natürlich nicht immer. An Tagen, die ich in Hamburg in der Agentur bin, frühstücken wir zusammen. Dann geht jeder seiner Wege: Kita, Schule und Arbeit. Abends bringe ich die Kinder ins Bett, helfe noch bei den Hausaufgaben oder lese ihnen Geschichten vor.

Sie sind Mitglied bei „Working Moms“, einem Verein mit etwa 500 Mitgliedern, der sich aktiv für die Vereinbarkeit von Kind und Karriere einsetzt. Worum geht es den Frauen?

Vielen geht es darum, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen, um beruflich ihre „Frau zu stehen“ und Job und Familie unter einen Hut zu bekommen. Frauen, die nach der Geburt eines Kindes direkt wieder voll in den Job einsteigen, werden in unserer Gesellschaft leider häufig nicht akzeptiert – teilweise sogar in der eigenen Familie nicht. Ich wünsche mir, dass es normal wird, wenn die Mutter wieder voll arbeitet.

Sie sprechen aus Erfahrung?

Ja. Ich bin nach der Geburt meiner Kinder nach etwa drei Monaten wieder voll eingestiegen. Wir hatten immer eine Kinderfrau, die uns geholfen hat. Mein Mann hat auch immer voll gearbeitet. Unsere Kinder kennen das nicht anders.

Ist es nicht ein Privileg, sich eine Nanny leisten zu können?

Es ist ein großes Glück, dass ich mir eine Nanny leisten kann. Kinder und Karriere unter einen Hut zu bekommen, ist ohne ein Kindermädchen eine andere Aufgabe. Vor allem wenn man alleinerziehend ist. Für meinen Mann und mich war von Anfang an klar, dass wir uns gemeinsam um die Kinder kümmern und beide Geld verdienen wollen.

Beim Berufseinstieg in der PR sind Frauen mit geschätzten 70 Prozent in der Überzahl. In der Spitze kommen wenige an. Woran liegt das?

Die meisten Agenturen wurden von Männern gegründet. Die Folge: Es ist eine männerdominierte Kultur – vor allem in den Führungsgremien. Um diese Kultur zu verändern und sie divers zu gestalten, brauchen wir gemischte Gremien. Wir brauchen einen Kulturwandel in den Führungsgremien.

Wie familienfreundlich sind die Strukturen bei Fischer Appelt?

Wir fördern Mütter in Teilzeit, auch in Führungspositionen. Wir haben kein Standardprogramm, sondern schaffen individuelle Modelle, damit die Kolleginnen und Kollegen Beruf und Familie unter einen Hut bekommen. Das kann auch ein Vater sein, der nur vier Tage in der Woche arbeiten möchte.

Insbesondere in Agenturen ist ein 9-to-5-Job nicht immer möglich. Wer erledigt die Arbeit, wenn die Teilzeiteltern zuhause sind?

Insbesondere Teilzeitmütter arbeiten oft sehr effizient und sind gut organisiert – auch wenn man sich vielleicht abends nochmal ransetzen muss. Oder man spricht sich mit Kolleginnen und Kollegen ab. Wir helfen uns gegenseitig. Das muss anständig organisiert, vor allem kommuniziert werden. Auch an den Kunden. Wenn jemand nur bis 16 Uhr im Büro ist, dann steht das genauso in der E-Mail-Signatur.

Wie gehen Kunden damit um, dass Berater nicht rund um die Uhr erreichbar sind?

Um junge Talente zu gewinnen, müssen Agenturen heute auf eine gute Work-Live-Balance achten. Wir sind trotzdem auf Zack, wenn beispielsweise ein Pitch ansteht. Dazu gehört auch mal eine Nachtschicht, wobei ich das nicht mehr zeitgemäß finde. Wenn mein Kind krank ist, dann entscheide ich spontan, was ich mache. Einmal habe ich einen Pitch abgesagt, weil mein Kind so krank war, dass es fast ins Krankenhaus musste. Die Kunden haben das verstanden.

Gibt es Unternehmen, deren familienfreundliche Modelle Sie nachahmenswert finden?

Unilever hat das Jobsharing-Modell erfolgreich etabliert. So nehme ich es jedenfalls von außen wahr. Zwei Arbeitnehmer teilen sich eine Stelle. Einer arbeitet von Montag bis Mittwoch, der andere von Mittwoch bis Freitag. Wenn die Chemie zwischen dem jeweiligen Duo stimmt, funktioniert das auf allen Ebenen – auch in Führungsetagen.

Was sollte sich an den Jobstrukturen ändern, damit Teilzeit nicht zur Karrierefalle wird?

Unser Arbeitsalltag ist traditionell so strukturiert, dass in Familien einer schwerpunktmäßig zuhause die Abläufe regelt und der andere arbeitet. Im Gegensatz zu skandinavischen Ländern. Hier gibt es Unternehmen, bei denen die Arbeitnehmer um 16 Uhr das Büro verlassen und abends um 20 Uhr wieder erreichbar sind.

Welche Chancen bietet die Digitalisierung für Frauen?

Mit den heutigen Tools können wir viel flexibler, vernetzter und ortsunabhängiger arbeiten. Wir nutzen mehrmals am Tag Videokonferenzen, um Teams über Standorte hinweg zu organisieren. Das ersetzt allerdings nicht, dass man auch physisch zusammenkommt. Kreativprozesse klappen besser, wenn man sich in der Agentur austauscht.

Sie sind gelernte Bauingenieurin, können programmieren und waren CEO bei der Digitalagentur Interone. Das sind alles männerdominierte Felder. Welche Eigenschaften braucht man als Frau, um als Kommunikatorin Karriere zu machen?

Das ist schwer zu beantworten. Ich habe nie einen richtigen Karriereplan verfolgt. Ich wusste auch nie, wo ich in zehn Jahren bin. Aber ich habe immer sehr stark die Sache in den Vordergrund gestellt und mich hier durchgesetzt. Dabei bin ich mir immer treu geblieben und habe mich nicht verstellt.

Was würden Sie jüngeren Kolleginnen raten?

Erstmal machen. Und die Chancen ergreifen, die sich bieten: Wo kann ich etwas bewegen? Wie kann ich die Agentur prägen? Das ist das Tolle in der Agentur, jeder oder jede kann viel bewirken, wenn man Themen und Kunden in den Vordergrund stellt. Ich möchte jede Frau ermutigen, ihren eigenen Weg zu gehen.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe CEO-KOMMUNIKATION. Das Heft können Sie hier bestellen.

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