Was PR-Profis vom Vorbild USA lernen können

Kommunikationsmanagement

Zwei Prinzipien, die selbstverständlich auch in vielen modernen deutschen Kommunikationsabteilungen gelebt werden, scheinen mir essenziell: Erstens, wir dürfen uns nicht nur auf die kommunikative Verpackung beschränken, sondern sollten auch den Inhalt – Strategie und Praktiken des Unternehmens – mitgestalten. Voraussetzung dafür ist, zweitens, dass wir uns an universell akzeptierten Kennzahlen messen (lassen). Und damit sichtbar und nachvollziehbar Verantwortung für den Erfolg des Unternehmens insgesamt übernehmen.

Sieben Faktoren, die den Unterschied machen:

1. Eigene Haltung überprüfen

Es macht einen großen Unterschied, ob sich jemand zuerst als Kommunikator sieht oder ob die Organisation insgesamt das Spielfeld ist. Gefragt ist der Unternehmer mit Fachgebiet Kommunikation – in dieser Reihenfolge. Die reine „Schreibstube“ hilft niemandem. Dieser Anspruch, wenn er team- und lösungsorientiert gelebt wird, steigert das Vertrauen in die Kommunikationsabteilung. In manchen Situationen ist es beispielsweise sinnvoll, mehr in den Außendienst oder in Forschung und Entwicklung zu investieren als in Marketingkommunikation. Und manches Problem lässt sich nicht durch „mehr Transparenz“ oder „Kommunikationsoffensiven“ lösen, sondern nur durch die Anpassung von Unternehmenspraktiken an externe Realitäten. In beiden Fällen kann unsere Expertise intern entscheidende Anstöße und Hilfestellung liefern – über den direkten, funktionalen Verantwortungsbereich hinaus.

Beispiel Facebook: Offenbar ist es bislang die Strategie, das Thema Datenmissbrauch im Wesentlichen durch intensive – zugegebenermaßen sehr stringente – Kommunikation zu lösen. In Bezug auf das Thema Cambridge Analytica hat Facebook versucht, sich als Opfer darzustellen, statt offensichtliche und systeminhärente Probleme anzugehen. Das macht auch die Aussage, man sei offen für Regulierung, nicht glaubwürdig. Die Technologiebranche insgesamt ist bislang kaum nennenswerte Selbstverpflichtungen eingegangen. Dagegen sind führende Unternehmen der Lebensmittelindustrie weiter und haben sich einschneidende Selbstverpflichtungen auferlegt – zum Beispiel in Bezug auf die Reformulierung von Produkten, die Reduzierung von Portionsgrößen oder den Verzicht von Werbung an Kinder.

2. Orientierung geben

Der Zweck eines Unternehmens kann nicht allein darin bestehen, Geld zu verdienen. Zumindest nicht, wenn es langfristig erfolgreich sein soll. Unternehmen brauchen ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Akzeptanz, um sich zu entfalten. Dies zu gewährleisten, ist eine der zentralen Aufgaben des CEO. Die Anforderungen sind gestiegen – besonders an unsere Zunft. Zuletzt hat Larry Fink, Chef des weltweit größten Vermögensverwalters Black Rock, dieser Debatte Nachschub verliehen. Den diesjährigen Investorenbrief widmet er seiner Forderung an alle CEOs, die Sinnhaftigkeit und Nachhaltigkeit ihrer Geschäfte sicherzustellen. Das Thema ist im gesellschaftlichen „Mainstream“ angekommen – Mitarbeiter und Kunden stellen dieselben Ansprüche. Damit verschwimmen auch die Grenzen zwischen interner und externer Kommunikation. Jedes Unternehmen muss Antworten darauf geben, welchem Zweck es dient, welchen Werten es folgt und wie es diese Versprechen mit seinen Marken und Aktivitäten einlöst.

Purpose und Authenticity sind die Stichworte, unter denen diese Debatte in den USA geführt wird. Dabei muss es nicht immer um die Rettung der Welt gehen. Es können auch kleine, bedeutende Schritte sein, die das Leben der Menschen besser machen. John Legere (CEO von T-Mobile US), Warren Buffett, Elon Musk sind Beispiele für CEOs, die persönlich Stellung beziehen und durch ihre Sichtbarkeit die Wahrnehmung der jeweiligen Unternehmen maßgeblich prägen. Extrem unterschiedlich in Bezug auf Inhalt und Stil – aber jeweils authentisch. Sicher kein Zufall, dass Dieter Zetsche, der in dieser Hinsicht ebenfalls als Vorbild gilt, beruflich in den USA geprägt wurde.

3. Komplexität reduzieren

An gelungenen Werbekampagnen bewundern wir, dass sie innerhalb weniger Sekunden eine einprägsame und wirksame Botschaft vermitteln. Dahinter steckt die Kunst, komplexe Sachverhalte zu vereinfachen, in zielgruppengerechten USPs zu denken und knackige Claims zu formulieren. Das sollte für jegliche interne oder externe Kommunikation gelten. Natürlich: Strategiepapiere sind kein Werbespot und Substanz ist entscheidend. Aber nur eine Strategie, die verstanden und erinnert wird, kann erfolgreich sein. Aus Amerika stammt der Begriff Elevator Pitch – und mit Twitter das ideale Medium gleich dazu.

4. Intern verständlich machen

Zu oft arbeitet unsere Zunft mit Floskeln, die außerhalb der eigenen Abteilung keiner versteht. Besonders problematisch ist das in Unternehmen, weil Kommunikationsexperten hier (im Gegensatz zu Agenturen) nur eine kleine Minderheit der Besatzung darstellen. Um Partner zu gewinnen, müssen wir also auch die Sprache von Betriebswirten und Controllern sprechen. Wer im Ausland lebt, kennt dieses Gefühl, neue Vokabeln zu lernen und mithilfe von Analogien fehlende gemeinsame Erfahrungen auszugleichen, um Barrieren zu überwinden. Genauso geht es modernen Inhouse-Kommunikatoren: Die Kunst besteht darin, die anderen dort abzuholen, wo sie sind und belastbare Beziehungen aufzubauen. Damit sie die Verbindung zur eigenen Agenda sehen – und am Ende alle an einem Strang ziehen.

5. Richtige KPIs wählen

Corporate Communications und Public Affairs müssen ihren Beitrag zum Erfolg der Organisation darstellen können. Wo immer möglich mit denselben KPIs, an denen auch Marketing und Vertrieb gemessen werden – oder zumindest damit vergleichbare outcome measures. Ausschlaggebend ist, dass am Ende wo immer möglich in Euro gemessen und die KPIs generell von allen Entscheidern verstanden und akzeptiert werden. Beispiele sind: Dauer und Kosten von Rekrutierungsprozessen, Auswirkungen regulatorischer Rahmenbedingungen auf Umsatz und Ertrag, Abverkaufszahlen von Social-Media-Kampagnen. Übrigens: Agenturen, die das verstehen und unterstützen, sind ebenfalls erfolgreicher.

6. Trends aufgreifen, experimentieren

Man könnte provokant argumentieren, dass Content Marketing so heißt und immer noch häufig von eben dieser Abteilung geleitet wird, weil die Unternehmenskommunikation entweder zu langsam war, sich damit auseinanderzusetzen oder zu bequem, vom Ross der „Corporate“ Communications herabzusteigen. Kommunikation muss offen sein für Neues und mithelfen, Wachstum zu generieren. Ein Beispiel für die perfekte Verzahnung von Marketing, Kommunikation und Technologie liefert Domino’s – eine der führenden Pizza-Ketten in den USA. Vor wenigen Jahren stand das Unternehmen am Abgrund, die Wende brachte die 2014 gestartete Digitalisierung der Customer Journey.

Ein Blick auf die Kampagnen-Webseite Domino’s Anyware zeigt, wie die Kombination von Kommunikation und Technologie Aufmerksamkeit und Bestellungen generiert: Nach heutigem Stand können die Kunden ihre Pizza über elf verschiedene digitale Kanäle bestellen. Kreative Experimente wie die „Zero Click App“ liefern gleichzeitig neue Bestellmöglichkeiten und Inhalte für die Kommunikation. Seit Beginn der Kampagne hat sich der Aktienkurs vervierfacht. Im Zuge der digitalen Transformation verschwimmen die Grenzen zwischen Marketing, Kommunikation und anderen Abteilungen. Bei allen Herausforderungen ist das eine der großen Chancen für die neue Generation von unternehmerischen, ganzheitlichen Kommunikationsmanagern.

7. Kompetenzen transferieren

Krisenfeste Kommunikatoren sind gut darin, die richtigen Leute aus allen Abteilungen in einem Raum zu versammeln, Entscheidungen herbeizuführen und diese verständlich zu kommunizieren. Mit dieser Stärke können wir auch außerhalb von Ausnahmesituationen helfen, Strategiemeetings effizient zu gestalten und die effektive, Implementierung von Initiativen sicherzustellen. Diesen Zusammenhang müssen wir uns und allen Entscheidern im Unternehmen bewusst machen – der Bedarf ist groß!

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe ALLES AUF ANFANG. Das Heft können Sie hier bestellen.

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