Was Kommunikationsmanager von Lufthansa-Chef Carsten Spohr lernen können

Nach dem Germanwings-Absturz

24. März 2015, 10.41 Uhr. Ein deutsches Flugzeug liegt in Trümmern, 149 Passagiere sind tot. Bereits eine Stunde nach dem Unglück läuft die Medienmaschinerie an. Es ist das Worst-Case-Szenario für Lufthansa-CEO Carsten Spohr und seine Kommunikationschefin Barbara Schädler, die sofort wissen, dass sie die nächsten Tage und Wochen unter Dauerbeobachtung stehen werden. Ihre Aufgabe ist klar: Sie müssen die Öffentlichkeit schnell und umfassend informieren und – das ist ebenso wichtig – die Reputation des Unternehmens Lufthansa schützen. Die wirtschaftliche Zukunft des Konzerns steht auf dem Spiel. Es geht um Schadensbegrenzung, und zwar unabhängig von der zu diesem Zeitpunkt noch ungeklärten Frage, ob es sich um technisches oder menschliches Versagen bei dem Absturz handelte, oder gar einen Terrorakt.

28. März 2015. Medien und Öffentlichkeit sind sich bereits zu diesem frühen Zeitpunkt einig, dass sich Carsten Spohr, seit Mai 2014 im Amt des ranghöchsten Lufthanseat, im Umgang mit dem Flugzeugunglück vorbildlich verhalten habe. „Schlafwandlerisch hat der Lufthansa-Chef nach der Katastrophe von Flug 4U9525 alles richtig gemacht“, schreibt die “Frankfurter Allgemeine Zeitung”. Er sei „das Gesicht der Krise“, meint Frank Roselieb, Krisenforscher an der Universität Kiel, in der “Süddeutschen Zeitung”. Die meisten User in den sozialen Netzwerken schließen sich dieser Meinung an. So heißt es an einer Stelle, Spohr habe „souverän, menschlich und besonnen“ gehandelt.

Was können Kommunikationsverantwortliche vom Krisenmanagement der Lufthansa und dem Auftreten ihres CEOs Carsten Spohr lernen? Die Beratungsagentur Keynote Kommunikation, die auf die Positionierung und strategische Kommunikationsberatung von Spitzenmanagern spezialisiert ist, hat die Krisenkommunikation und Medienpräsenz des Konzernchefs in den ersten Tagen nach dem Unglück untersucht und daraus fünf Empfehlungen abgeleitet.

1. Als Chef Verantwortung übernehmen und dies klar zeigen

Von den ersten Momenten nach der Unglücksnachricht an war Carsten Spohr medial präsent und ansprechbar. Der Lufthansa-Chef signalisierte damit ganz selbstverständlich, dass der Konzern Verantwortung für das Unglück übernimmt. Alle Interviews und  Fernsehauftritte absolvierte Spohr selbst – und zwar nur er. Germanwings-CEO Thomas Winkelmann war zwar faktisch bei allen Pressekonferenzen mitvertreten, seine Rolle blieb aber, wie die “FAZ” schreibt „auf die Rolle des seriösen Sidekicks“ reduziert. Durch diese klare Fokussierung auf Spohr als Gesicht des Konzerns in der Krise signalisierte er, dass er sich nicht die Fäden aus der Hand nehmen ließ und die Medien selbst aktiv steuerte. Umgekehrt gilt: Vorstandsvorsitzende, die in dieser frühen Phase anderen das Feld  überlassen (egal, ob dem Pressesprecher oder einem rangtieferen Manager) haben bereits den ersten großen Kommunikationsfehler begangen.

2. Einen Masterplan für die Krise erstellen

Die Lufthansa hat gezeigt, dass sie Krisenkommunikation kann. Vorstand, Kommunikationsabteilung und Mitarbeiter haben während der Krise professionell und vor allem mit der nötigen Geschwindigkeit kommuniziert. Dazu kam das in einer solchen, für das ganze Land tragischen Situation nötige Taktgefühl: Ob das die Betreuung der Familien durch Psychologen betraf oder etwa die Absage der Feierlichkeiten zum 60-jährigen Bestehen der Lufthansa – insgesamt ergab sich ein stimmiges Bild, wie sich der Konzern nach der Katastrophe präsentierte. Diese erfolgreiche Kommunikation hat vor allem eine Ursache: ein gut ausgearbeiteter und regelmäßig geprobter Krisenkommunikationsplan. Es klingt wie eine Selbstverständlichkeit, dass Unternehmen sich auf Krisenfälle durch detaillierte Notfall-Kommunikationspläne vorbereiten. In unserer Arbeit zeigt sich jedoch immer wieder, dass nur die wenigsten Unternehmen ihre Krisenpläne regelmäßig aktualisieren. Noch weniger Unternehmen investieren darin, den Umgang mit Krisen zu trainieren. 

3. In den Echtzeitmodus wechseln: Nicht zögern, sondern handeln!

Spohrs zahlreiche Interviews und Live-Auftritte haben gezeigt: Auch ein Vorstandsvorsitzender eines Großkonzerns darf angesichts des Ausmaßes der Katastrophe um Fassung und Worte ringen. Nicht jeder Satz war in der Form druckreif, weil sich Spohr offenbar nicht an jede Pressetextvorlage gehalten hat, und möglicherweise auch ein wenig aus dem Bauch heraus agiert hat.

Spohr ist rechtzeitig in den Echtzeitmodus gewechselt und hat sich den Fragen und Antworten der Journalisten gestellt. Natürlich musste er in Kauf nehmen, dass nicht jeder Auftritt perfekt vorbereitet war. Viele Informationen, etwas die Ursache für die Katastrophe, wurden erst im Verlauf von Tagen bekannt. So hatte der Lufthansa-CEO noch am 18. März über den Gesundheitszustand des Unglücks-Co-Piloten Andreas L. erklärt: „Er war 100-prozentig flugtauglich – ohne jegliche Einschränkung!“ Einen Tag später musste Spohr, als die Ermittler erstmals die wirklichen Umstände der Katastrophe kannten, eingestehen, dass der Pilot schwer depressiv und seit Jahren in intensiver psychologischer Behandlung war. Nicht nur für die Öffentlichkeit war das ein Schock. Die Lufthansa stand plötzlich als ein Konzern da, die offenbar nichts über die Umstände ihrer wichtigsten Mitarbeiter wusste.

Trotzdem hat Spohr richtig gehandelt: Er hatte stets den Informationsstand an die Öffentlichkeit weitergegeben, der er zum jeweiligen Zeitpunkt hatte. Ein zögerliche Kommunikation oder gar ein Flüchten in Worthülsen hätte die Situation nur verschlimmert. Trotz mancher Kritik konnte Spohr durch seine kontinuierliche und transparente Kommunikation in dieser kritischen Zeit Glaubwürdigkeit aufbauen und die Reputation des Unternehmens schützen.

4. Die eigene Persönlichkeit einbringen

Spohr präsentierte sich in den Tagen der Krise nicht nur als ranghöchster Vertreter des Konzerns, sondern auch als Mensch, der persönlich tief betroffen war von dem Geschehenen. Es war seine klar verständliche und schnörkellose Ausdrucksweise mit dem unverwechselbaren Ruhrpott-Einschlag, die dafür sorgte, dass er glaubwürdig erschien. Durch diesem authentischen Stil hat er dem sonst eher auf Distanz bedachten Lufthansa-Konzern ein menschliches Antlitz gegeben. Natürlich lässt sich so etwas nicht einstudieren oder nachahmen. Eine Krise ist eine Ausnahmesituation, in der man immer auch improvisieren muss. Wohl aber lohnt es sich darüber nachzudenken, über welche persönlichen oder individuellen Merkmale man als CEO verfügt, wie man sie gezielt einzusetzen vermag und mit welcher Wirkung.

5. Langfristig Reputation aufbauen

Krisen kann man nicht verhindern, man kann sich aber wappnen. Gut geführte Unternehmen bauen Reputation langfristig auf, um diesen „angesparten“ Vertrauensbonus bei Bedarf abzurufen. Studien belegen: Unternehmen und Vorstandsvorsitzende, die in der regulären Kommunikation eher verschlossen sind und kaum mit der Öffentlichkeit kommunizieren, tun sich in Krisensituationen besonders schwer. Das Unternehmen und die Verantwortlichen sind einer breiten Öffentlichkeit unbekannt, ihnen schlägt eher Misstrauen entgegen. Gut positionierte Manager und Unternehmen profitieren dagegen von einem Reputationsbonus: Ein CEO, der über Jahre durch Kontakt und Austausch mit Journalisten und anderen Stakeholdern Vertrauen aufgebaut hat, kann mit seinen Botschaften in einer Krise sehr viel besser durchdringen. Genau das nutze auch Spor, sagt Krisenforscher Frank Roselieb: „Bei Carsten Spohr wissen die Leute, dass er ein ehemaliger Pilot und Ingenieur ist. Das bedeutet: Er weiß, wovon er redet“. Wer also langfristig Reputation aufbaut, ist für Krisen besser gerüstet.

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