Sprachlich wissen wir oft nicht, was wir tun – 100 Fragen, 100 Antworten

Ich leide an einem Katarrh, drückten Leipziger Studenten im 19. Jahrhundert ihr Unwohlsein nach durchzechter Nacht vornehm aus. „Katarrh“ bedeutete in der Volkssprache „Schnupfen/Unwohlsein“. Die gesächselte Version der trinkfreudigen Studenten entwickelte sich zum heute wohlbekannten „Kater“. Dieser und 99 weiterer Sprachgeschichten, -regeln, -bildern und –spuren ging die Autorin Rita Mielke für den Dudenverlag nach.

Der Mini-Almanach soll zu einem bewussten Umgang mit der deutschen Sprache animieren; uns davon abhalten, allzu sorglos und beliebig die schöne Grammatik zu übergehen. Wertvoll ist da natürlich die Passage, die den sträflich vernachlässigten Genitiv hochleben lässt. Die Autorin ärgert sich, dass bestimmte Präpositionen nicht mehr mit diesem Fall gebildet werden, wie „laut“, „wegen“, „infolge“,  „trotz“. Trotz? Da hätte Mielke noch erwähnen können, dass dieses Wörtchen tatsächlich einmal mit dem Dativ gebildet worden ist (trotzdem). Der Genitiv wurde ihm nur aufgezwungen, eine Hyperkorrektur der Deutschen. Und so fehlen hier und da wichtige Informationen in den 100 Antworten, die untergebracht hätten werden können, wenn weniger Platz für aufwendige Einleitungen verwendet worden wäre.

Ein paar Beispiele gefällig?

Das @-Zeichen wurde übrigens 1971 das erste Mal von dem amerikanischen Softwareingenieur Ray Tomlinson per Zufall für sein erstes E-Mail-Programm ausgewählt. Wie es auf die Tastatur kam, wird durch verschiedene Theorien veranschaulicht.

Für die Werbetexter unter uns: Das „bestgehütetste Geheimnis der Welt“ klingt nicht nur schräg, sondern ist auch ein grammatischer Fehlgriff. Steht ein zusammengesetztes Adjektiv im Superlativ, wird immer nur ein Wortteil gesteigert, „bestgehütetes Geheimnis“.

Vielen unter uns ist die Vergangenheit nicht genug. „Gestern  war ich beim Meeting gewesen.“ Gruselig! Findet auch Mielke und widmet der überzogenen Liebe zum Plusquamperfekt einen Beitrag. Auch beim Konjunktiv sind sich die meisten nicht sicher, wie sie ihn richtig einsetzen. „Ich dachte, die Pressemitteilung wäre verschickt worden?“, ist falsch. Wir haben einen schönen Konjunktiv I vom Verb „sein“ und deshalb reicht, „Ich dachte, die Pressemitteilung sei verschickt worden“.

Und dann ist da noch das viel zu selten genutzte Semikolon. Man kennt es im digitalen Zeitalter nur noch im Smiley, dabei zeugt es laut Mielke von sprachlicher Finesse, ein Semikolon in seinen Texten unterzubringen. Es ist kein Punkt und kein Komma, nicht Ende und nicht Pause, und somit nur etwas für diejenigen, die Nuancen setzen wollen.

Man gewinnt den Eindruck, die Autorin möchte den Spuren des Zwiebelfisch-Autors Bastian Sick folgen: Sie versucht, die Sprachregeln und Anekdoten zur Sprachgeschichte unterhaltsam zu verpacken und schießt dabei manchmal über das Ziel hinaus. Mancher Witz wirkt bemüht, und Unschönheiten wie „vorprogrammiert“ sollte man ganz schnell wieder vergessen. Dennoch: Das Wissen, das in dem Büchlein steckt, ist unterhaltsam und einleuchtend – und für die Sprachästheten unter uns essenziell.

Foto: Dudenverlag

Rita Mielke. Duden Allgemeinbildung. Der phänomenale Sprachfragenbeantworter. 128 Seiten, 8.99 Euro

 

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