Soziale Medien und Fußball: Content für eine „gierige“ Community

Herr Kaufmann, sind Sie als Leiter Medien & Kommunikation in erster Linie FC-Fan oder PRler?

Tobias Kaufmann: Weder noch. Von Hause aus bin ich Journalist und habe den klassischen Seitenwechsel gemacht. Der 1. FC Köln hat mich angesprochen, ob ich mir das vorstellen könnte und ich habe schnell gemerkt, „Du wirst es bereuen, wenn du es nicht ausprobierst.“ Ich arbeite gern und voller Überzeugung dafür, dass der 1. FC Köln ein positives Bild abgibt und in diesem Sinne ist der FC für jemanden, der wie ich seit seiner Kindheit Fan des Clubs ist, ein besonderer Arbeitgeber. Den Job selbst habe ich aber nicht angenommen, weil ich Fan bin, sondern weil es eine interessante Aufgabe ist.

Was unterscheidet die Kommunikation für einen Fußballclub von der eines Wirtschaftsunternehmens?

Unser Vorteil ist, dass wir niemanden auf unseren Content neugierig machen müssen. Wir verkaufen keine Schrauben, sondern das vermutlich momentan emotionalste und beliebteste Produkt des ganzen Landes. Die Bundesliga boomt seit Jahren, der 1. FC Köln gewinnt ständig neue Mitglieder, während klassische Institutionen wie Kirchen, Gewerkschaften, Parteien Rückgänge verzeichnen. Wir haben es also erstmal viel leichter. Wir schicken Content in eine Community, die nach diesem Content wirklich gierig ist. Das ist aber auch eine Gefahr und Herausforderung. Bei uns „versendet“ sich nichts. Ein blöder Tweet eines Fußballprofis kann ihm für Wochen Probleme bereiten. Das ist der Nachteil an der großen Aufmerksamkeit.

Gibt es beim Social-Media-Auftritt des 1. FC Köln Besonderheiten? Was unterscheidet ihn von anderen Bundesliga-Clubs?

Wir haben damit sehr früh angefangen. Und wir haben eine Fan-Basis, die sehr internetaffin ist. Wir genießen die Vorteile eines Großstadtclubs: Köln ist eine Stadt mit einer relativ jungen Bevölkerung, in der sich viel bewegt. FC-Fans sind zudem ein spezielles Völkchen: extrem loyal, extrem treu, extrem emotional in beide Richtungen und geprägt von dem über Jahrzehnte entstandenen Graben zwischen den Erfolgen der Vergangenheit und einer eher wechselhaften Gegenwart. Wir sprechen also etwa bei Twitter eine ganz spezielle Gruppe von Leuten an. Sie passt zu uns und wir versuchen zu ihr zu passen. „Von-oben-herab“-Kommunikation käme bei unseren Fans nicht an.

Beziehen Sie Fan-Initiativen mit ein?

Wir folgen Anregungen, wir haben Fans aus der Internet-Szene rund um den FC für unser Projekt „FC-Connect“ aktiviert und sprechen grundsätzlich alle an. Man kann und will ja auch niemandem verbieten, uns bei Twitter zu folgen oder unser Facebook-Fan zu sein. Klar muss aber immer sein, dass wir als Club letztlich der Absender unserer Kanäle sind. Alles andere wollen Fans ja auch nicht.

Ganz konkret, sind Ultras beziehungsweise Fans, die sich als solche positionieren, eingebunden und bereit mit Ihnen zusammenzuarbeiten?

Wir haben eine Arbeitsgruppe „Fankultur“ im Verein, in der alle Fan-Gruppen vertreten sind und untereinander sowie mit Clubvertretern über viele Dinge sprechen, auch über den Umgang mit externen Medien. Die Frage, ob Fan-Gruppierungen selbst mit Journalisten sprechen sollen, ist zum Beispiel ein Thema in der Fan-Szene. Wir haben auf diesem Gebiet – auch mit den Ultras – einige Fortschritte erzielt. Bei anderen Themen sind wir aber auch unterschiedlicher Ansicht. Da halten wir uns in der Kommunikation nach außen dann natürlich an das, was wir als Club als richtig erachten. Alles andere wäre unglaubwürdig. Der interne Dialog dazu findet allerdings in der realen Welt statt und wird von uns nicht in die Sozialen Medien getragen.

Arbeiten Sie in erster Linie für die Fans, sozusagen als Community-Angebot, oder mit dem Ziel der Gewinnoptimierung für das Unternehmen 1. FC Köln?

Alles was wir in der Abteilung machen, ist zunächst einmal Kommunikation. Aber natürlich geht es am Ende auch immer darum, für das Unternehmen einen Vorteil zu erzielen. Das kann man nicht immer eins zu eins an Trikot- oder Ticketverkäufen sehen. Allerdings erfolgen immer mehr Fanshop-Verkäufe online und das hängt auch damit zusammen, wie wir unsere Fans im Netz ansprechen. Wenn wir eine coole Kampagne rund um unser Trikot machen, dann machen wir das einerseits, weil wir finden, dass unser Trikot eine coole Kampagne verdient hat und andererseits, um es besser zu verkaufen. So etwas muss immer ausgeglichen bleiben. Zum Beispiel veröffentlichen wir keine Sponsoren-Postings, von denen wir wissen, dass sie eher einen Shitstorm verursachen können oder bei den Fans nicht als Service ankommen. Es gibt klare Kriterien an Postings von und für Partner, auch in deren Interesse – weil negatives Feedback ja letztlich auf deren Marken zurückfällt.

Sie haben auch ein Web-TV- Angebot für ihre Fans. Warum ist das kostenpflichtig?

Wir zeigen dort Bilder unserer Spiele und dürfen es daher aus lizenzrechtlichen Gründen nicht frei empfangbar machen. Es ist ja nicht unser Interesse, in direkte Konkurrenz zu unserem TV-Partner Sky zu treten. Zudem gewährleisten wir über das Abo-Modell einen relevanten Teil der Refinanzierung unseres Aufwands. Das hat in den vergangenen Jahren in dieser Kombination funktioniert. Andere Clubs verzichten inzwischen auf Spielbilder und haben nur noch frei empfangbare Angebote. Aber so könnten wir ein Web-TV in dieser Qualität und mit dieser Vielzahl an Beiträgen derzeit wohl nicht stemmen.

Über die Plattform „FC-Connect“ verlinken sie Internetseiten, die sich mit dem 1. FC Köln beschäftigen und beziehen auch Fans mit ein. Nach welchen Kriterien wählen sie den dortigen Content aus?

Hinter den Feeds, die wir einbinden, muss Relevanz stecken. Wir haben unsere eigenen Kanäle und alle Social-Media-Auftritte unserer Spieler eingebunden, aber was ich mit Relevanz meine, kann ich am besten an den externen Medien, die wir integriert haben, deutlich machen. Diese müssen regelmäßig über uns berichten und von den Fans gelesen werden. Es macht keinen Sinn, alles automatisiert zu sammeln, wo „1. FC Köln“ vorkommt und so beispielsweise das „Darmstädter Echo“ zu verlinken, das vielleicht alle zwei Wochen mal eine dpa-Meldung über den 1. FC Köln übernimmt. Wir integrieren auch nur Blogs, auf denen etwas passiert. Der Anspruch ist: Alles, was ich zum FC im Netz wissen und finden muss, bekomme ich auf dieser einen Plattform.

In der Saison 2010/2011 haben sie das offizielle Fan-Forum des 1. FC Köln aufgrund der Äußerungen dort vorübergehend geschlossen. Ist es jetzt wieder geöffnet?

Das Ganze ist etwas komplizierter. Das Forum hatte sich damals in zwei Foren aufgespalten: das FC-Brett und das effzeh-Forum. Letzteres war eine Abspaltung vom FC-Brett, dem offiziellen Fan-Forum des 1. FC Köln, das nach der vorübergehenden Schließung mit neuem Konzept wieder eröffnet worden ist. Inzwischen haben wir aber auch das FC-Brett an unsere Fans zurückgegeben. Es gibt also jetzt zwei Fan-Foren, von denen aber keines ein offizielles Forum des 1. FC Köln ist. Davon halte ich auch nichts. Ich möchte in User-Diskussionen als Club nicht als Zensor eingreifen müssen, ebenso wenig will ich durch Foren-Postings negative Auswirkungen für das Image des Clubs riskieren. Fans, die Internetforen nutzen wollen, um untereinander zu diskutieren, sollen das tun können – aber auf ihren eigenen Plattformen.

Nutzen Sie Soziale Medien auch um eine Art Fan-Monitoring zu betreiben, um auf etwaige kritische Entwicklungen in der Fan-Szene reagieren zu können?

Ja, wir nutzen Soziale Medien dafür. Wir schauen uns alles an, was dort passiert, nutzen aber momentan keine technischen oder automatischen Hilfsmittel.

Was war ihre bisher erfolgreichste Aktion, um den 1. FC Köln in den Medien zu platzieren?

Am besten sind aus unserer Sicht Kampagnen, bei denen wir alles kombinieren können: positive Resonanz bei unseren Fans und Partnern, monetärer Erfolg, Aufmerksamkeit in den Medien. Eine solche Aktion war der Launch unseres Karnevalstrikots im letzten November. Das passte zur Stadt, zum Club und zu unseren Auftritten, es brachte bundesweite Aufmerksamkeit – und das Trikot war binnen weniger Tage ausverkauft.

Was ist ihr nächstes großes Projekt?

Wir wollen „FC-Connect“ weiterentwickeln. Es soll mobil besser nutzbar sein und wir wollen Partnereinbindungen ermöglichen. Grundsätzlich wollen wir immer alle unsere Kanäle modern und innovativ halten. Wir haben gerade im Sommer unser Vereinsmagazin komplett relaunched. Demnächst soll die Online-Welt des 1. FC Köln nachziehen. Wir sind nie fertig, wir denken immer ans nächste Spiel – wir arbeiten schließlich bei einem Fußballclub.

 

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