So klappt es auch jenseits des Gendersternchens

Schöner Gendern

Alle Geschlechter sprachlich miteinbeziehen – das E-Commerce-Unternehmen Otto hat es sich vorgenommen, der noch junge Bundesverband Influencer Marketing praktiziert es ganz selbstverständlich, und sogar das Nachrichtenmagazin Der Spiegel strebt in den neuen journalistischen Standards an, auf rein männliche Formulierungen in den Texten zu verzichten.

Die Bastion der konservativen Sprachverteidiger bröckelt – die Sprache ist längst dabei, sich zu verändern. Für Unternehmen wird es zum Imagefaktor, auf der Höhe der Zeit zu kommunizieren. Schließlich wollen Firmen alle Fachkräfte ansprechen und zeigen, dass Diversity nicht nur eine leere Worthülse ist, sondern gelebte Realität. Vielfalt leben heißt, alle Menschen im Unternehmen sichtbar zu machen, Kundinnen nicht nur „mitzumeinen“, sondern gezielt anzusprechen. Ob im Unternehmensblog, in Pressemitteilungen, Newslettern, Publikationen und auf der Webseite – gendern ist zeitgemäß. Wer alleine auf dem generischen Maskulinum besteht, läuft Gefahr, sprachlich abgehängt zu werden.

Ob Sie gendern sollen ist nicht mehr die Frage. Jetzt geht es um das „wie“. Doch wie gendern, ohne sprachliche Eleganz einzubüßen? Diese Frage treibt viele in der Kommunikationsbranche um. Dabei muss es gar nicht immer das Gendersternchen sein. Um sprachlichen Dogmatismus geht es nicht. Es gibt viele Wege, kreativ zu werden, um alle Menschen miteinzubeziehen – und es ist gar nicht so schwer.

Zwischen allen Stühlen

Mit Ihrer Textarbeit sind Sie das Bindeglied zwischen Unternehmen, Institution oder Organisation und der Presse. Ist Ihre Vorgabe, mit Sternchen, Gap oder mit Doppelpunkt zu gendern, die Redaktion druckt jedoch grundsätzlich keine Sonderzeichen inmitten von Wörtern ab, dann ist die Enttäuschung groß. „Mit so viel Liebe gegendert und dann nehmen die den Text nicht, wie ärgerlich“, heißt es dann auf Ihrer Seite. „Interessante Pressemitteilung, aber so viel Arbeit, die Sternchen rauszumachen“, empört sich die andere Seite. Ihre Dienstleistung in der Pressestelle ist es, Texte mit hohem Nutzwert zu fertigen und das heißt: Es muss für alle passen.

Haltung ist alles

Machen Sie sich schlau über elegantes Gendern und beraten Sie die Leitungsspitze Ihres Hauses über Ton und Haltung der nach draußen führenden Kommunikation. Wenn das geklärt ist, haben Sie Sicherheit im Formulieren Ihrer Auftragsarbeiten und im Redigieren von zugelieferten Texten.

Wieviel Gendern soll es sein?

Die meisten denken, es ginge nur ums Gendersternchen. Tatsächlich ist es mehr als das: Das Sternchen hat nur einen begrenzten Aktionsradius. Setzen Sie es mit Bedacht ein. Vor allem ist es nützlich, wenn Sie die geschlechtliche Vielfalt einer Personengruppe deutlich machen wollen. Neben Frauen und Männern gibt es Menschen, die intergeschlechtlich oder trans sind, oder sich als genderqueer bezeichnen. Oft wissen Sie nicht, auf wen das zutrifft, niemand muss sich outen. Sie aber wollen mit Ihrem Text alle ansprechen. Und das ist gut so.

Gendern ohne Sternchen

Für Menschen aller Geschlechter zu schreiben, geht am besten, wenn Sie geschlechtsneutral formulieren. Sternchen brauchen Sie dann gar nicht. Seien wir ehrlich: Viele Wörter mit Personenbezug sind nur dazu da, den Satz aktiv zu texten. Als Kreative, die mit Sprache sehr gut umgehen können, fallen Ihnen garantiert fantastische Alternativen ein. Es ist immer möglich, einen Inhalt anders zu formulieren, ihn griffiger zu machen.

Hier sind einige Alternativen:

  • Oberbegriffe:  Lehrkörper, Kollegium, Team
  • Adjektivische Ergänzungen:  Medizinisches Personal, mieterrechtliche Beratung
  • Umschreibungen: Beratung im Mietrecht, wer viel liest, beim Lesen
  • Weglassungen: Viele Verbraucher – viele
  • Ersatzwörter: alle statt jeder/jede – niemand statt keine/keiner

Gewöhnungsbedürftig

Partizipien sind ein Versuch, geschlechtsneutrale Oberbegriffe neu zu bilden. An Teilnehmende, Hörende, Radfahrende müssen wir uns erst noch gewöhnen. Wir kennen aber schon die Anwesenden, und Studierende anstelle von Studenten ist im allgemeinen Sprachgebrauch angekommen. So wie Auszubildende: schon lange sagt niemand mehr „Lehrlinge“. Gendern bedeutet aber auch, kritisch zu sein: Medienschaffende sind nicht nur Journalistinnen und Journalisten, sondern auch Kameraleute und etliche mehr in dem Business.

Nicht nur Männer

Menschenleer sollen Ihre Texte natürlich nicht bleiben. Da das generische Maskulinum uns vorgaukelt, die Welt bestünde nur aus Männern, sollten Sie beim Schreiben genau hingucken – wer macht was? An vielen Tätigkeiten sind sowohl Frauen als auch Männer beteiligt, also sollten Sie beide benennen. Nehmen Sie mal die weibliche Form und mal die männliche zuerst. Im Sinne der Gleichstellung der Geschlechter gelten joviale Höflichkeitsregeln sowieso nicht mehr. Spielen Sie mit Hierarchien – Chefärztin und Pfleger stellen überkommene Rollenmuster en passant in Frage. Wenn Ihnen die Beidnennungen zu viel werden, können Sie mit geschlechtsneutralen Oberbegriffen abwechseln.

Wenn Sie auf die kurzen, knappen männlichen Bezeichnungen in einem längeren Text nicht verzichten können, gibt es noch einen Trick. Schreiben Sie zu Anfang mit Beidnennung, das wirkt wie eine inhaltliche Klammer – in diesem Themenfeld sind Frauen und Männer tätig – und schließen Sie am Ende mit einer weiteren Beidnennung die Klammer. Denken Sie sprachlich bitte auch an Menschen aller Geschlechter. Verwenden Sie das eine oder andere Sternchen, oder finden Sie Worte für Vielfalt.

Neue Schreibroutinen

Einmal das Gendern durchdacht und ein wenig geübt, werden Sie sich an die neue Routine gewöhnen. So wie Sie auf Kommasetzung achten, fragen Sie sich automatisch: Wen meine ich eigentlich mit meinen Worten? Die passende Formulierung werden Sie dann schnell finden. Versprochen!


Die Plattform Genderleicht.de setzt sich auf kreative Art und Weise dafür ein, dass Medienerzeugnisse die Vielfalt der Gesellschaft widerspiegeln. Neben Medienhäusern will die Initiative auch Agenturen, Verbände, NGOs und Unternehmen anregen, eine zeitgemäße Haltung zu entwickeln. Das Projekt des Journalistinnenbundes wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.

 

 

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