Sind Hidden Champions schwache Kommunikatoren?

Herr Hahr, im deutschen Mittelstand wimmelt es nur so von Weltmarktführern, die weitgehend unbekannt sind. Sind Hidden Champions schwache Kommunikatoren?

Oliver Frederik Hahr: Einige spielen international auch in Sachen Kommunikation in der ersten Liga. Aber die Mehrzahl könnte durch aktive Markenführung, Information und Dialog die Sichtbarkeit und den Erfolg im Markt deutlich stärken. Wir reden hier über mehr als 350.000 mittelständische Unternehmen, die im Ausland meist hoch spezialisierte Lösungen anbieten. Was für ein Wachstumspotenzial, würde man sie nur besser kennen!

Zu welchem Anlass kommunizieren diese Unternehmen?

Im Maschinenbau sowie in den Bereichen Elektroindustrie und Industrieprodukte, zu denen die Mehrzahl der rund 1.300 mittelständischen Weltmarktführer unseres Landes zählen, sind Messen das wichtigste Kommunikations-Tool. Sie binden im Schnitt 35 Prozent des Marketingbudgets und sind zugleich Taktgeber für die Kommunikation.

Was ist in diesem Rahmen ein kommunikatives Muss für die Unternehmen?

Die erste vorbereitende Pressemitteilung sollte schon zwei bis drei Monate vor dem Event an die relevanten Medien versandt werden, damit sie nicht im allgemeinen Meldungssturm untergeht. Frühzeitige Information erhöht nicht nur die Abdruckquote, sie bringt auch potenzielle Kunden an den Stand. Inzwischen bieten Messeveranstalter umfangreiche Presseservices an – viele davon sind für Aussteller kostenlos nutzbar, ob Press Room, Newsportal oder Verteilerservice. Selbst wenn nicht – der Messeauftritt ist für Unternehmen eine große Investition, da schlagen PR-Ausgaben im Verhältnis wenig zu Buche.

Warum ist der zeitliche Vorlauf so wichtig?

Messebesucher und Journalisten bereiten sich vor. Weiß der Redakteur, dass ein Unternehmen Interessantes zu berichten hat, ist ein Hintergrundgespräch am Stand und ein Folgeartikel keine Seltenheit. Der Dialog, der die Basis für eine Medienpräsenz über Produktmeldungen hinaus bildet, ist damit eröffnet.

Wie wichtig sind perfekte Sprachkenntnisse?

Eine gute Übersetzung des Pressematerials in die lokale Handelssprache ist wichtig. Wer sie nicht beherrscht, braucht bilinguales Standpersonal oder sollte sich zumindest auf Englisch unterhalten können.

Und Kenntnisse anderer Kulturen?

Es ist sehr hilfreich  zu wissen, wie der Gegenüber tickt. Bei der Fachpressearbeit ist Kultur dennoch oft zweitrangig. Es zählt die Problemlösung. „Made in Germany“ oder „Engineered in Germany“ sind auch heute noch Qualitätssiegel. Deutsche Produkte gelten im Ausland als hochwertig, zuverlässig und präzise. Wer sie herstellt, gilt als Wissensträger, von dem man lernen kann und möchte.

Gerade Hidden Champions stellen oft komplexe Produkte her. Braucht es da Storytelling in der Produkt-PR?

Auf jeden Fall. Nicht nur Medienvertreter freuen sich, wenn sie komplexe Produkte leicht verständlich erklärt bekommen. Kommunikatoren sollten für komplizierte Technik archaische und weltweit bekannte Sinnbilder nutzen. Beispiel: Ein neues Prüfgerät für Schläuche, die im Automotive-Bereich eingesetzt werden, soll vorgestellt werden. Setzt man diese mit den Lebensadern gleich, die dafür sorgen, dass das Auto zuverlässig und sicher funktioniert, wird jedem schnell klar, wie wichtig eine präzise Qualitätsprüfung ist.

Wenn ein Mittelständler seine Kommunikation aufsetzt – was muss er beachten?

Zunächst sollte er seine Zielgruppen beschreiben und einen passenden Medienverteiler für die Zielmärkte erstellen. Erst dann sollte man mit dem Texten der Pressemitteilung beginnen und dabei einen Bezug herstellen zwischen den eigenen Botschaften und dem lokalen Markt. Das erhöht die Relevanz für die Redakteure und Leser. Wenn man dann noch knackig und auf den Punkt formuliert, wird man mit der gewünschten Aufmerksamkeit belohnt.

Zur Person

Oliver Frederik Hahr (c) Privat

Oliver Frederik Hahr leitet seit 2007 die Unternehmensberatung oha communication in Stuttgart. Er unterstützt innovative Firmen aus den Bereichen Design, Technologie und Healthcare beim Auf- und Ausbau der internationalen Kommunikation. Außerdem bietet er Coachings und unterrichtet als Dozent an verschiedenen Hochschulen

Weitere Artikel