Presseclub 2014: Öfter mal sagen "Ich weiß es nicht"!

Eine erste steile Behauptung lieferte dpa-Chefredakteur Sven Gösmann mit dem Satz „Hamburg hat zwei Probleme: Den ‚Spiegel‘ und den HSV“. In einer Mischung aus Spott und Bedauern wurde die Krise der großen Flaggschiffe diskutiert. Der ehemalige „Spiegel“-Chefredakteur Georg Mascolo stellte sogar die These auf, das Traditionsblatt sei „nicht weniger wichtig als das Bundesverfassungsgericht“. Wirtschaftsjournalist Roland Tichy propagierte die neuen digitalen Kanäle: „Wir müssen begreifen, dass die Zeiten der großen Maschinen vorbei sind, heute muss alles klein und beweglich sein.“

Zum Thema Russland machte sich bei allen Unbehagen breit. Mascolo stellte die offensichtliche Frage: „Werden wir einen ausgewachsenen Krieg vor unserer Haustür erleben?“ Zudem befürchte er, dass Putin noch zu den eher berechenbaren russischen Politikern gehöre. Brigitte Fehrle, Chefredakteurin der „Berliner Zeitung“ und einzige Frau in der Runde, gestand ein, man habe lange dafür gebraucht um festzustellen, wie vielschichtig dieser Krieg sei.

Im Anschluss ging es um die AfD, deren Mitglieder Hajo Schumacher wenig schmeichelhaft als „alte Männer in leberwurstfarbenen Windjacken“ umschrieb. Fehrle kritisierte, das Totschlag-Argument „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“, mache jede inhaltliche Diskussion unmöglich und erntete große Zustimmung aus der Runde.

Beim Thema NSU waren sich die Diskutanten weitgehend einig. Die Ermittlungen seien durch eine „widerliche Mischung aus Vorurteilen, Schlamperei und Desinteresse“ geprägt gewesen, fasste Sven Gösmann zusammen. Mascolo fügte selbstkritisch hinzu, dass jedoch auch die Journalisten ihrer Rolle nicht gerecht geworden seien und in der Berichterstattung zu unkritisch die Informationen der Behörden übernommen hätten. Dass man sich gegen eine Sprache der Vorurteile nicht immun machen könne, indem man sich selbst einem bestimmten Lager zuordnet, betonte Lorenz Maroldt, Chefredakteur des „Tagesspiegels“. So habe die „taz“ das Wort „Dönermorde“ am häufigsten verwendet.

Mascolo plädierte für ein neues Selbstverständnis von Journalisten: “Wir sollten viel häufiger zugeben, dass wir etwas nicht wissen und unsere journalistische Pflicht erfüllen, indem wir die Meldungslage abbilden und nicht frühzeitig bewerten.” Nur so könne man das Vertrauen der Leserschaft erhalten.

Dass in diesem Sommer die ganze Welt laut Schumacher „ihr großes Herz und ihre Liebe zum Eiswasser entdeckte“, wurde belächelt und kritisiert. Es sei unverständlich und seltsam, dass Hilfsbereitschaft nur funktioniere, wenn ein Spaßfaktor vorhanden sei, erklärte Fehrle und bemängelte eine vergleichsweise geringe Spendenbereitschaft in Bezug auf Ebola.

Als persönliche Medienhighlights dieses Jahres wurden unter anderem das Engagement der Krautreporter und „11 Freunde“ genannt. Nur Georg Mascolo erwähnte – wie Moderator Schumacher süffisant aufgriff – ganz bescheiden einen eigenen Beitrag.

 

Wem die Zusammenfassung nicht reicht, der kann sich hier auch noch einmal den Live-Mitschnitt des Presseclubs anschauen:

 

Weitere Artikel