Plattform der schönen Dinge

Social Media

Um das soziale Netzwerk Pinterest ranken sich viele Vorurteile: Es sei ein Relikt aus einer vergangenen Social-Media-Epoche, eine Nischenplattform für Dekorations- und Rezept-Liebhaber, eine digitale Wunschliste, die allein auf Konsum ausgerichtet ist. Pinterest ist all das, aber auch viel mehr. Für Kommunikationsverantwortliche bietet die Plattform ein Potenzial, das über die reine Bildersuche und Collagenerstellung hinausgeht.

Aus Bildern Collagen und Pinnwände zu den eigenen Interessen erstellen – das ist die Grundidee aus der analogen Welt, die hinter Pinterest steht. Sie spiegelt sich bereits im Namen, einem Kofferwort aus den englischen Begriffen „pin“ und „interest“ wider. Ein Pin kann dabei Bilder, Videos oder beides enthalten. Mit Hilfe der Merken-Funktion ist es möglich, Pins zu speichern. Man kann sie auch auf anderen Netzwerken teilen. Pins können außerdem direkt mit einer Webseite verbunden werden und damit zum Kaufen animieren.

Pinterest wurde 2010 von Ben Silbermann, Evan Sharp und Paul Sciarra gegründet. Ab 2012 expandierte das Unternehmen und stellte sich international auf. Es wurde nie so erfolgreich wie Facebook, Instagram oder Tiktok. Doch seit einigen Jahren erlebt Pinterest eine neue Popularitätswelle, was überrascht, weil öffentlich kaum über das Netzwerk diskutiert wird, was auch daran liegt, das Politik- und Wirtschaftsfragen kaum eine Rolle spielen. Pinterest zufolge ist die Zahl der monatlich aktiven Nutzer in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen. Im zweiten Quartal 2024 lag sie bei 522 Millionen, zwölf Prozent mehr als in demselben Quartal des Vorjahres. Auch der Umsatz ist um rund 21 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal auf 853,7 Millionen US-Dollar angestiegen. Die Marktkapitalisierung an der Börse liegt Ende Oktober bei etwa 22 Milliarden US-Dollar.

Pinterest wächst durch Gen Z

Das Wachstum dürfte vor allem auf die Generation Z zurückzuführen sein, die Pinterest für sich entdeckt hat. „Die Gen Z macht weltweit mehr als 40 Prozent der monatlichen Nutzer auf Pinterest aus“, erklärt Rachel Hardy, Director Consumer Product Marketing bei Pinterest, auf der Unternehmenswebsite. In Deutschland nutzen 41 Prozent der 18- bis 24-Jährigen die Plattform. Dicht dahinter folgen die Altersgruppen der 25- bis 34-Jährigen (38 Prozent) sowie der 35- bis 44-Jährigen (36 Prozent). 64 Prozent der Nutzer in Deutschland sind Frauen. 29 Prozent leben in Haushalten mit hohem Einkommen.

Dem Tech-Magazin „Wired“ zufolge wächst Pinterest auch deshalb, weil es eine positive Nische füllt. Im Unterschied zu anderen sozialen Netzwerken haben Likes und Kommentare auf Pinterest keine große Bedeutung. Sie werden kaum genutzt. Hier geht es vor allem um Entdeckungen, Inspiration und Kreativität und weniger um Meinungen.

Auch Unternehmen haben das Potenzial der Plattform erkannt – und das branchenübergreifend. Marken aus den Bereichen Food, Fashion, Home und Beauty, aber auch Finanzen, Automobil, Entertainment und Gesundheit nutzen Pinterest.

Erfolgreich ist zum Beispiel Ikea. Der Möbelhändler kann die Vielfalt seiner Produktpalette von Möbeln über Dekorationsartikel bis hin zu Food-Waren visuell in Szene setzen und unterhält damit fast 200.000 Follower. Über zehn Millionen Mal werden die Seite und die Pins des Accounts über Suchanfragen monatlich aufgerufen.

„Besonders erfolgreich sind Inhalte, die sich auf Trends beziehen oder unsere Fans mit etwas Neuem überraschen, wie DIY-Ideen, die wir teilweise mit Pinfluencer*innen entwickeln“, sagt Kim Steuerwald, Public Relations Leader bei Ikea Deutschland. Auch für die Kommunikationsziele des Unternehmens bietet Pinterest Vorteile: „Im Gegensatz zu Instagram, Tiktok oder Facebook basiert die User Journey hier auf einer mächtigen Suchfunktion statt auf einem Feed. Das macht Pinterest besonders attraktiv für eine junge Zielgruppe wie die Gen Z – und damit auch für uns.“

Ikea Deutschland präsentiert auf Pinterest seine Produktpalette anhand von Einrichtungs- und Dekorationsideen für alle Zimmertypen. © Screenshot Pinterest

Wer nach bestimmten Themen, Produkten oder Kampagnen sucht, findet sie auf Pinterest schnell. Anders als bei Instagram und Facebook können die Inhalte auch noch Monate und Jahre nach der Veröffentlichung Traffic generieren. Dass dieser sogenannte Long-Tail-Traffic, der für eine langfristige und organische Reichweite sorgt, funktioniert, liegt daran, dass Pinterest praktisch eine visuelle Suchmaschine ist.

Die persönlichen Feed-Inhalte orientieren sich an den Suchanfragen der Nutzer und an der Verwendung ihrer Keywords in den Pins von Influencern. Wie bei Google spielen Keywords und Suchmaschinenoptimierung eine große Rolle, wenn es darum geht, Inhalte auffindbar zu machen. Auch Faktoren wie Engagement, Aktualität, Qualität und Relevanz wirken sich auf den Algorithmus aus. Für Unternehmen, deren Marke noch nicht bekannt ist, bietet Pinterest ebenfalls einen Vorteil: 96 Prozent der Suchanfragen sind nach Angaben der Plattform nicht auf bestimmte Marken ausgerichtet.

Visuelles Storytelling

Dass es mit Pinterest auch möglich ist, Botschaften zu Dienstleistungen zu vermitteln, die nicht direkt abbildbar sind, zeigt das Beispiel der Techniker Krankenkasse (TK). „Bei uns findet ihr Tipps für ein aktives, gesundes Leben und erfahrt Neues von der TK“, steht in der Pinterest-Profilbeschreibung. Und die Pinnwände, die häufig aus drei- bis vierteiligen Bilderserien bestehen, erfüllen diese Ansage: Ob gesunde Ernährung, Herbstküche oder digitale Gesundheit, die TK präsentiert ihr Fachwissen zu einer Vielzahl von Kategorien, die übersichtlich aufbereitet sind. Das Blau im TK-Logo taucht überall auf, ob als Hintergrund- oder Schriftfarbe. Mit ihrem Pinterest-Account unterhält die TK 7.000 Follower. Über 4,2 Millionen monatliche Aufrufe werden registriert.

Unter der Kategorie „Digitale Gesundheit“ hat die Techniker Krankenkasse (TK) eigene Angebote zu Gesundheitsapps, Online-Coaching und Fitnesstracker zusammengestellt. © Screenshot Pinterest

Das Beispiel der TK zeigt: Neben den Funktionen als Suchmaschine und Traffic-Treiber bietet sich Pinterest auch für visuelles Storytelling an. Mithilfe von Pins lassen sich Geschichten erzählen, ähnlich wie das bei Instagram Stories funktioniert. Pins können thematisch strukturiert werden und so Ideen- und Wissenssammlungen zu ausgewählten Themen liefern. Nutzer erfassen auf einen Blick die Themenbereiche, die ein Account abdeckt. Mit Klick auf einen Pin werden außerdem themenverwandte Inhalte auch anderer Marken und Accounts angezeigt. Dabei sind laut Pinterest-Pressestelle jene Inhalte erfolgreich, die visuell ansprechend, umsetzbar, erreichbar, neuartig und positiv sind.


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Seit Juni dieses Jahres können Nutzer Pinnwände auf anderen sozialen Plattformen wie Instagram, Facebook oder Tiktok teilen. Dabei wird automatisch ein Video generiert, das zu einer Instagram-Story hinzugefügt werden kann oder als Video auf anderen Plattformen erscheint.

Beim sogenannten Collagen-Remixing können mehrere Nutzer zusammen bestehende Collagen beziehungsweise Pinnwände weiterentwickeln oder die Collagen anderer für eigene Ideen nutzen. Dafür werden Pins als sogenannte Cutouts ausgewählt und in neue oder bestehende Collagen eingefügt. Für Kommunikationsverantwortliche könnten hierdurch Kollaborationen entstehen, die Gemeinsamkeiten mit Partnern visuell unterstreichen oder zur Interaktion mit Nutzern aufrufen.

Das visuelle Storytelling auf Pinnwänden kann zudem das eigene Linkedin-Profil bereichern. Eine Möglichkeit, die noch weitgehend ungenutzt scheint. Auf Pinnwänden lassen sich neben Ideen auch Skills, berufliche Erfolge und Projekte, geordnet nach Jobanforderungen oder inhaltlichen Schwerpunkten, anschaulich aufzeigen – eine Art digitales Portfolio. Möglich ist es auch, mit anderen Personen zusammen eine Pinnwand zu gestalten und so nicht nur die eigene Expertise zu präsentieren, sondern auch das persönliche Netzwerk.

Beim Thema künstliche Intelligenz mischt Pinterest ebenfalls mit. Auf der letzten Advertiser-Konferenz „Pinterest Presents“ im September wurden neue KI- und Automatisierungsfunktionen für Kampagnen vorgestellt. Mit den Performance-Lösungen lassen sich Funktionen automatisch bündeln und Kampagnen-Einstellungen nach individuellen Bedürfnissen anpassen. Außerdem beruhen die personalisierten Shopping-Empfehlungen, die den Nutzern in den Such- und Homefeeds angezeigt werden, auf Machine Learning.

„Es gibt im Internet zahlreiche Orte, an denen man Produkte finden kann, und zahlreiche Möglichkeiten, sie zu kaufen. Doch keine andere Plattform hilft einem so gut bei der Entscheidung, das zu finden, was man wirklich möchte, wie Pinterest“, sagt Martha Welsh, Chief Strategy Officer bei Pinterest, in schönster Marketingsprache.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe #Visuell. Das Heft können Sie hier bestellen.

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